Biometrische Thermalkameras

Wenn die Kamera am Flughafen Fieber misst

01.04.2020
Warum sollten Kameras, die Gesichter erkennen und mit Foto-Datenbanken vergleichen, nicht auch Fieber messen können? Eine Hamburger Firma kann sich wegen der Corona-Pandemie vor Anfragen nicht retten.
Biometrische Thermalkameras sollen helfen, infizierte Besucher zu erkennen.
Foto: DERMALOG Identification Systems GmbH / Liliia Fasikova - shutterstock.com

"Grenzsicherung: eine europäische Aufgabe" heißt das Fachforum, bei dem Günther Mull am 4. Februar auf dem Europäischen Polizeikongress in Berlin über die Neuentwicklungen seiner in Hamburg ansässigen Firma Dermalog berichtet. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat das Sars-CoV-2-Atemwegssyndrom fünf Tage zuvor als "gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite" eingestuft. Trotzdem horcht niemand auf, als Mull erklärt, seine biometrischen Kameras könnten jetzt auch auf zwei Meter Distanz Fieber messen.

Die in China aufgetauchte Lungenkrankheit Covid-19 erscheint den Polizisten, Experten, Journalisten und Politikern, die am Alexanderplatz versammelt sind, noch sehr weit weg. Was die Kongressteilnehmer beschäftigt, sind vielmehr die wachsende Gefahr, die von gewaltbereiten Rechtsextremisten ausgeht und die Gesichtserkennung, die Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) gerade auf Drängen der SPD aus einem Entwurf für das neue Bundespolizeigesetz gestrichen hat. Knapp acht Wochen später sieht die Welt komplett anders aus.

Das Hamburger Unternehmen, das Fingerabdruck-Scanner für die Registrierung von Flüchtlingen und Gesichtserkennungsgeräte für Banken in Nigeria produziert, erhält seit Beginn der Corona-Pandemie viele Anrufe von Behörden, Veranstaltern und Unternehmen, die sich plötzlich für die Thermalkameras interessieren. Vor allem die Veranstalter sind aber mit konkreten Aufträgen noch zögerlich - schließlich weiß zumindest in Deutschland derzeit noch niemand, wann Messen und andere Treffen überhaupt wieder stattfinden können.

Pilotprojekt am Flughafen Don Mueang in Bangkok

Das erste Pilotprojekt mit Dermalog-Kameras, die auf der Stirn die Körpertemperatur messen, geht Anfang Februar an den Start. Auf dem Flughafen Don Mueang in Bangkok. Auf dem Flughafen, über den der innerasiatische Luftverkehr abgewickelt wird, wurden zwei Kameras mit Temperaturmessfunktion installiert. Nach Angaben eines Firmensprechers verfügen die dort eingesetzten Geräte, um eine höhere Messgenauigkeit zu erzielen, über Module zur genaueren Bestimmung der Gesichtsposition.

Ende Februar - die WHO hat die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus mittlerweile zur Pandemie erklärt, stellt das Unternehmen erstmals an einem öffentlichen Ort in Deutschland seine Kamera auf, an den Eingängen zur Tire Technology Expo in Hannover. Laut Unternehmensangaben wurde bei keinem der etwa 5.000 Besucher der Messe akutes Fieber festgestellt. Sicherheit kann die automatische Temperaturmessung ohnehin nicht liefern. Denn nicht jeder Corona-Infizierte entwickelt Fieber. Außerdem können die Infizierten schon Tage vor dem Auftauchen der Symptome andere Menschen anstecken.

Temperaturmessung als Extra-Feature

An Sars-CoV-2 oder andere Virus-Erkrankungen haben die Entwickler von Dermalog aber nicht in erster Linie gedacht. Vielmehr wollten sie durch die Temperaturmessung als Extra-Feature sicherstellen, dass Menschen mit Gesichtsmasken die biometrische Kamera nicht überlisten. Denn anders als etwa die US-Firma Flir Systems ist Dermalog nicht auf Wärmebildkameras spezialisiert, sondern auf Fingerabdruck-Scanner und andere Biometrie-Anwendungen. Auch Telpo kombiniert die Gesichtserkennung mit der Temperaturmessung. Allerdings gibt der chinesische Hersteller eine geringere Distanz zwischen Gerät und Mensch vor als sein Hamburger Konkurrent.

In einigen Regionen Südostasiens und Lateinamerikas, wo das Dengue-Fieber verbreitet ist, kommen Thermalkameras an Flughäfen schon länger zum Einsatz, um kranke Reisende zu erkennen und anschließend zu untersuchen. Einen Vorteil hat das Kamera-Verfahren auf jeden Fall gegenüber dem Fiebermessen mit herkömmlichen Methoden: es senkt das Infektionsrisiko für die Grenzbeamten. (dpa/rs)