Die große Freiheit

Wenn Manager hinschmeißen

14.02.2017
Daimlers Lastwagen-Vorstand Wolfgang Bernhard will seinen Vertrag nicht mehr verlängern. Der 56-Jährige war einst als Kronprinz in dem Konzern gehandelt worden - vor wenigen Jahren musste er stattdessen die Lastwagensparte übernehmen.
Hinschmeißen liegt im Trend. So wie Wolfgang Bernhard verlassen so einige Manager ihren Arbeitgeber.
Foto: Daimler AG

Tue ich mir das noch an? Diese Frage stellen sich viele Menschen in Unternehmen - auch in Chefetagen. Daimlers Lastwagenchef Wolfgang Bernhard hat nun genug. Der 56-Jährige wollte seinen noch bis 2018 währenden Vertrag nicht wie angedacht verlängern. Der Konzern stellt ihn nun mit sofortiger Wirkung frei. Wolfgang Bernhard scheide auf eigenen Wunsch und aus persönlichen Gründen aus, teilte das Unternehmen am Freitag mit. Zuvor hatte "Spiegel Online" darüber berichtet. Im Umfeld des Konzerns sorgt die Entscheidung für Überraschung. Selbst Aufsichtsräte wussten nichts von Bernhards Plänen.

Bernhard war einst der Überflieger im Daimler-Konzern. Mit 42 Jahren wurde er Vorstandsmitglied des US-Autobauers Chrysler, mit dem Daimler Ende der 90er Jahre zusammengegangen war. Nach einem Streit mit dem damaligen Vorstandschef Jürgen Schrempp übernahm er einen Vorstandsposten bei Volkswagen, um 2009 zu Daimler zurückzukehren. 2013 musste er nach Zwist mit dem Betriebsrat in die Lastwagen-Sparte wechseln - gegen seinen Willen. Obwohl Bernhard mit Verve über die Modernisierung des Lkw-Wesens referieren konnte, heißt es im Umfeld des Konzerns, der Bereich sei nie seine "heiße Liebe" gewesen.

2015 kam ihm auch noch die Rolle als Kronprinz abhanden. Inzwischen wird der jüngere Entwicklungsvorstand Ola Källenius (47) als potenzieller künftiger Daimler-Chef gehandelt. Ob diese Gemengelage oder persönliche Gründe bei Bernhard den Ausschlag gaben, blieb am Freitag zunächst offen. Laut "Spiegel Online" denkt Bernhard darüber nach, sich als Investor selbstständig zu machen.

Hinschmeißen im Trend

Vorstände, die hinschmeißen, um sich ganz anderen Aufgaben zu widmen oder einfach nur Zeit zu gewinnen, gab es zuletzt einige. Ende 2013 gab Telekom-Chef René Obermann seinen Posten in dem Dax-Konzern auf, um zum niederländischen Kabelnetzbetreiber Ziggo zu gehen. SAP-Co-Chef Jim Hagemann Snabe wollte 2014 nicht weitermachen, um mehr Zeit mit der Familie zu haben. Der frühere EZB-Direktor Jörg Asmussen sagte nach seinem Rückzug nach Berlin vor drei Jahren: "Vorneweg ging es um die beiden Töchter".

"Das Gen der Generation Y schwappt schon rüber", sagt Andreas Knodel, Karrierecoach für Manager bei der Personalberatung Kienbaum. Soziale Absicherung spiele auf dem Niveau keine Rolle. Stattdessen andere Faktoren - nicht immer steht nur das Privatleben dahinter. "Der Druck erhöht sich in den Management-Etagen, die Zyklen werden schneller", so Knodel. "Das kann sehr zermürbend sein." Hinzu komme das enge Korsett in großen Konzernen. Häufig sei dann auch ein besonderes Ereignis ein Auslöser.

Generation YOLO - You only live once
Weg in die Zukunft
YOLO nennt sich die Generation der heute ungefähr 15-Jährigen. Die jungen Menschen haben ganz eigene Vorstellungen von ihrem künftigen Berufs- und Karriereweg. Einige Stichworte dazu finden Sie auf den kommenden Seiten.
Die begehrte Generation
Aufgrund des demografischen Wandels in Deutschland und auch wegen ihrer guten Ausbildung werden sich die YOLOs ihren Arbeitgeber aussuchen können. Gefällt es ihnen im Unternehmen nicht mehr, wechseln sie den Job.
Zum Gelde drängt nicht alles
Die Generation YOLO ist in gesicherten materiellen Verhältnissen aufgewachsen. Geld ist für sie daher kein Anreiz mehr. Vielmehr wollen sie in dem, was sie tun, einen Sinn sehen - und Spaß an der Arbeit haben.
Auto in der Sackgasse
Was sie denn mit einem Geschenk in Höhe von 10.000 Euro machen würden, lautete die Frage an Schüler in Nürnberg. Ergebnis: Die meisten würden das Geld für ein Jahr im Ausland ausgeben. Die Schülervertreterin sagte gegenüber cio.de, dass das Auto als Statussymbol ausgedient habe.
Internationale Erfahrungen
Laut Matthias Busold, Principal beim Personalberater Kienbaum, verbringen viele der heutigen Jugendlichen Zeit im Ausland.
Die ganze Welt als Arbeitsplatz
Als Konsequenz kann sich diese Generation grundsätzlich die ganze Welt als Arbeitsplatz vorstellen.
Hohe Leistungsbereitschaft - aber mit Ausgleich
Als Arbeitnehmer werden die YOLOs bereit sein, für ein spannendes Projekt richtig anzupacken, und das auch durchgängig anderthalb Jahre lang. Danach verabschieden sie sich aber sechs Monate lang ins Sabbatical. Schlechte Karten für Personaler, die ausschließlich Menschen mit geradlinigem Lebenslauf einstellen wollen.

Ex-BayernLB-Chef Gerd Häusler beispielsweise wurde es schlicht zu viel: "Die zeitliche Belastung für einen Chef bei einer Bank, die wegen staatlicher Milliardenhilfen mit den Brüsseler Wettbewerbsbehörden um ihre Zukunft kämpft und noch Altlasten hat, geht weit über das normale Maß hinaus", sagte er nach der Ankündigung seines Rücktritts im Interview mit "Der Welt".

Auch der Führungsanspruch ist ein anderer geworden. Die Kultur in Großkonzernen wandele sich im Zuge der Digitalisierung, es gehe mehr um kollektive Führungsansichten, glaubt ein Branchenkenner. Das sei aber nicht unbedingt der Fall von altgedienten Managern - und auch nicht unbedingt Bernhards Fall.

Mehr und mehr steigen aus

Personalberater Knodel sieht inzwischen mehr und mehr Manager zu Aussteigern werden, auch wenn er bislang von Vorreitern spricht. "Geschäftsführer von kleinen und mittelständischen Unternehmen kommen zu mir und sagen: "Das kann es ja wohl nicht gewesen sein"", sagt er. "Man traut sich heute zu, zu sagen: "Ich lass mal los und nehme eine Auszeit."" Meist kämen Manager im Alter zwischen 48 und 55 Jahren mit dieser Frage zu ihm in die Beratung.

Manchmal steckt hinter einem Weggang auch die Suche nach besseren Karrierechancen. Ein bewusster Rückzug zugunsten der Familie bildet jedenfalls nach wie vor die große Ausnahme. Jim Hagemann Snabe, der 2014 aus diesem Grund von der SAP-Spitze zurücktrat, hat inzwischen wieder eine Aufgabe vor Augen, die ihn mehr fordern dürfte. Die des Aufsichtsratschefs bei Siemens. Jörg Asmussen hingegen nahm als Staatssekretär in einem Bundesministerium finanzielle Einbußen in Kauf. "Ja, ich verzichte auf viel Geld", sagte Asmussen damals. Aber: "Geld allein macht echt nicht glücklich." (dpa/rs)