Cyborgs ersetzen Finanzberater

Wenn Roboter die Vermögensverwaltung übernehmen

05.09.2017
Die Revolution der Roboter hat inzwischen - wen wundert's - auch die weite Welt der Geldanlagen erfasst.
Die einst als objektive Helfer gestarteten Roboter könnten zu Verkäufern teurer Produkte der Finanzkonzerne verkommen.
Foto: Inozemtsev Konstantin - shutterstock.com

So geben mittlerweile ausgeklügelte Programme konkrete Fonds-Tipps oder verwalten gleich ganze Depots. Doch droht die Revolution ihre Kinder zu fressen: Die klassischen, sogenannten Robo-Advisor könnten von sogenannten Cyborgs verdrängt werden. Dabei unterstützt ein Berater aus Fleisch und Blut die rationale Technik.

Eigentlich ist das eine erfreuliche Nachricht, sollte man meinen. Doch Experten warnen vor Nebenwirkungen - denn die menschlichen Berater arbeiten für traditionelle Banken und Vermögensverwalter. So sieht das spezialisierte Portal Robo-Advisor.de die reale Gefahr, dass die einst als objektive Helfer gestarteten digitalen Geldanlage-Portale letztlich zu Verkäufern teurer Produkte der Finanzkonzerne degradiert werden könnten.

Robo-Advisor

Dabei waren die Robo-Advisor vor einigen Jahren in Deutschland angetreten, die Geldanlage im Sinne der Kunden zu revolutionieren und damit den etablierten Banken das Fürchten zu lehren. Junge Start-ups sprossen in Berlin, Frankfurt und anderswo aus dem Boden und sprachen internetaffine Kunden an, die von der konventionellen Bankberatung enttäuscht waren. An sich ist das eine gute Idee: Privatanleger müssen nur bequem mit ein paar Mausklicks Fragen etwa zu den Anlagezielen oder zur Risikoneigung beantworten und erhalten dann ein individuell zugeschnittenes Portfolio aus zumeist kostengünstigen Indexfonds (ETFs).

Doch im Laufe der Zeit traten auch die Schwächen des Konzeptes zu Tage. Wer etwa denkt, dass der Robo-Advisor tatsächlich - wie der englische Begriff nahelegt - den menschlichen Berater ersetzt, liegt falsch. "Beratung ist eine zweiseitige Kommunikationsform zwischen Ratsuchendem und Berater", sagt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Eine steuernde, vorsortierende, standardisierte Abfrage könne allenfalls der persönlichen Vorbereitung des Ratsuchenden auf eine Beratung dienen, aber per se nicht auf die individuelle Situation eingehen.

Damit liegt die Versuchung nahe, Roboter-Kunden auch einen menschlichen Berater zur Seite zu stellen, falls doch noch Nachfragen aufkommen. Schließlich kann mal als Anleger leicht ins Schwitzen kommen, wenn die Aktienmärkte einbrechen und man auf die Kunst der Maschinen vertrauen muss, die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Cyborgs ersetzen Finanzberater

Aktuell geht der Trend in genau diese Richtung: Die Roboter mutieren quasi zu Cyborgs. Vorreiter sind wie üblich die Vereinigten Staaten, wo mit Betterment ein milliardenschweres Urgestein der Robo-Branche bereits mit zertifizierten Finanzplanern zusammenarbeitet. Viele andere Anbieter sind in den USA auf den Zug aufgesprungen - aus gutem Grund: Der Unternehmensberater Accenture schätzt, dass bis zu 70 Prozent der heute 18 bis 49 Jahre alten US-Anleger Cyborgs gegenüber den rein menschlichen Beratern bevorzugen.

Software Robotic: Wenn der Kollege ein Roboter ist
Einsparungen in der Lieferkette
Die Grafik zeigt, dass in den kommenden Jahren besonders bei Finance & Accounting sowie in der Supply Chain mit Einsparungen durch Automatisierung zu rechnen ist.
Roboter ersetzen Menschen
Bei den horizontalen Prozessen konnten bereits im vergangenen Jahr zum Teil erhebliche Personaleinsparungen realisiert werden. Die Übersicht zeigt, dass dies wiederum besonders in der Lieferkette gelang.
Analytics matters
Cognizant betont in der Studie mehrfach die Bedeutung des Zusammenspiels von Automatisierung und Analyse. Letztere spielt neben der Kostensenkung aus Entscheidersicht vor allem eine wichtige Rolle beim Verstehen von Kundenbedürfnissen und bei der Verbesserung von Prozessen.
Transformatorische Kraft
In wenigen Jahr wird sich die transformatorische und signifikante Wirkung von Prozess-Automatisierung mit Wucht entfalten. Das sieht die Hälfte der Befragten so. Wobei die Bedeutung auch heute bereits hoch ist.
Erhöhte Glaubwürdigkeit
Der Einfluss von digitalen Prozes-Technologien macht sich laut Studie in Sachen Analytics über ganze Prozesse hinweg positiv bemerkbar. Das betrifft insbesondere die Datenqualität und -verlässlichkeit, aber auch die Integration von Daten wird einfacher.
Hürden und Hindernisse
Sechs Klippen benennen die Befragten als besondere Herausforderung bei der Digitalisierung von Prozessen. Die Datensicherheit ist das größte Problem.
Abwartende Banken
Drei Branchen nimmt die Studie ins Visier. Während die HealthCare-Firmen bei der digitalen Reise vorneweg maschieren oder zumindest den Zug nicht verpassen wollen, warten 39 Prozent der Banken erst einmal ab.

Da verwundert es nicht, dass sich auch hierzulande Banken und Vermögensverwalter ihren Teil vom Kuchen sichern wollen. Sie gründen entweder ihre eigenen Cyborg-Advisor, setzen auf Kooperationen oder steigen bei Start-ups ein. So hat sich im Juni der weltweit größte und für die ETF-Marke iShares bekannte Vermögensverwalter Blackrock an dem Anbieter Scalable Capital beteiligt. Im Juli starteten die Basler Versicherung und die Vermögensverwaltung der Deutschen Bank mit einem gemeinsamen Online-Angebot.

Roboter übernehmen die Vermögensverwaltung

Zum Anlage-Universum gehören neben aktiv und passiv verwalteten Fonds der beiden Unternehmen auch Produkte anderer Anbieter, was für ausreichend Objektivität sorgen soll. Dennoch sehen Experten die Entwicklung kritisch: "Problematisch wird es, wenn die Robos plötzlich verstärkt Produkte ihrer Kooperationspartner anbieten", sagte Sebastian Schick vom Finanzportal Biallo. "Das hinterlässt einen faden Beigeschmack und die Unabhängigkeit ist nicht mehr gewährleistet." Professor Thomas Bahlinger vom Kompetenzzentrum Finanzen der Technischen Hochschule Nürnberg befürchtet insbesondere, dass die Häuser künftig statt kostengünstiger ETFs verstärkt eigene und teurere Produkte verkaufen könnten.

Doch letztlich wird sich die Online-Revolution in der Vermögensverwaltung wohl kaum aufhalten lassen. Die Beratungsgesellschaft Oliver Wyman schätzt, schon 2020 hierzulande knapp 20 Milliarden Euro verwaltet werden. Schließlich sei und bleibe die Technologie die Grundessenz der meisten Robo-Advisor, sagt Uwe Zimmer, Geschäftsführer des Vermögensverwalters Z-Invest GmbH.

So könnten sie insbesondere dabei helfen, eine Grundausstattung an Finanzprodukten in einer möglichst transparenten Form anzubieten. Damit können Verbraucher, die noch nicht so viele Erfahrungen bei der Geldanlage gemacht haben, von einem einfachen und direkten Zugang profitieren, welcher Ihnen typischerweise mehr Rendite bietet als ihr Sparbuch. (dpa/rs)