Neues Berufsbild?

Wer braucht einen Chief Artificial Intelligence Officer (CAIO)?

12.02.2024 von Hans Königes
Headhunter wie Kaan Bludau stellen eine verstärkte Nachfrage nach Führungskräften mit KI-Know-how fest. Er skizziert auch gleich das Berufsbild eines CAIO und was er mitbringen sollte.
Kaan, Bludau, Personalberater: KI-Expertise wird künftig verstärkter Bestandteil der Profile von CTOs und CIOs.
Foto: BludauPartners

In welchen Branchen und Bereichen kommen CAIOs bereits zum Einsatz?

Kaan Bludau: Noch gibt es in C-Suites selten einen dezidierten CAIO, immer häufiger aber eine vergleichbare Position, wie Head of AI, CIO/CTO mit KI-Expertise oder auch CAIDO (= Chief Artificial Intelligence and Data Officer). Allgemein kommt ein CAIO dort zum Einsatz, wo ein starkes Bedürfnis nach oder ein Potenzial für einen intensiven Einsatz von KI besteht. Momentan sind dies vor allem die Felder User Experience, Kundenanalytik (des Klick- und Kaufverhaltens), Content-Produktion und Produktinnovation, also insbesondere in Bereiche mit einem starken Kunden- oder Endkonsumentenbezug.

KI-Verantwortung muss auf die oberste Etage

Die Big-Tech Unternehmen (Alphabet, Amazon, Meta, Apple, Microsoft) sind hier absolute Vorreiter. Aber auch von einfacher Automatisierung über datengesteuerte Entscheidungsfindung bis hin zur Effizienzsteigerung bietet KI vielfältige Vorteile. Auch die Automobil- und Pharmaindustrie sowie der Maschinenbau und Dienstleistungssektor greifen immer mehr auf KI-Anwendungen zurück und suchen entsprechend nach Köpfen, um dem Thema in den Führungsetagen die richtige Bedeutung zukommen zu lassen. Nur mit KI-Verantwortung auf oberster Ebene kann man fundierte Entscheidungen zu KI-Initiativen treffen.

Was sind die genauen Aufgaben eines CAIO?

Bludau: Die CAIO sind verantwortlich für eine Performance-steigernde Implementierung und Skalierung von KI im Unternehmen. Das bedeutet nicht einfach nur die Effizienz zu steigern, die Möglichkeiten von KI gehen weit darüber hinaus. Der erste Schritt ist im Normalfall eine Analyse des Entwicklungsstandes der Digitalisierung, der KI-Applikationen und der Kultur des Unternehmens unter Rücksichtnahme auf Aspekte wie Zielgruppe etc. Ziel ist es, eine angemessene KI-Strategie zu entwickeln und sie - in enger Kooperation mit den anderen Mitgliedern des C-Levels - mit der Gesamtstrategie des Unternehmens in Einklang zu bringen.

CAIO muss zuerst KI-Voraussetzungen schaffen

Falls noch nicht vorhanden, muss der CAIO die dafür notwendigen Voraussetzungen in Bezug auf Daten, Personal und Infrastruktur schaffen, bevor er die verfügbaren Ressourcen auf unterschiedliche KI-Initiativen verteilt, KPIs definiert, eine Roadmap erstellt und die Einhaltung der festgelegten Parameter anschließend im Monitoring überwacht. Zudem ist der CAIO dafür verantwortlich, sicherzustellen, dass KI-Anwendungen ethisch vertretbar und konform mit gesetzlichen Richtlinien genutzt werden.

Welche Herausforderungen und Hürden müssen CAIOs dabei am häufigsten meistern?

Bludau: Verkompliziert wird die Implementierung von KI durch die Tatsache, dass KI in (fast) jeder Abteilung Mehrwerte bringen könnte. Dies eröffnet zwar immense Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung und Innovation, stellt jedoch gleichzeitig Unternehmen vor die Herausforderung, die richtige Balance zu finden: Zwischen KI-Initiativen, die neu integriert und gestaltet werden können, und Bewährtem, das Orientierung stiftet.

Widerstände bei Chefs und Mitarbeitern nicht unterschätzen

Häufig müssen dabei Widerstände überwunden werden, sowohl innerhalb der Belegschaft als auch auf C-Level. Für eine gezielte, ganzheitliche Implementierung von KI muss der CAIO sowohl in der Führungsetage als auch in den einzelnen Abteilungen geduldig ein grundlegendes Verständnis für KI-Systeme und deren Einsatzmöglichkeiten schaffen und den Wandel als Vorbild vorantreiben. Je intensiver und strukturierter verschiedene Teilbereiche und Abteilungen dabei zusammenarbeiten, umso höher ist die Chance auf eine erfolgreiche Etablierung und einen gewinnbringenden Einsatz von KI.

Welches Know-how brauchen Unternehmen in Sachen KI am dringendsten?

Bludau: Das kommt zu 100 Prozent auf das spezifische Unternehmen und Geschäftsmodell an. Ganz allgemein braucht man für den effektiven Einsatz von KI ausgeprägte Fähigkeiten in der Daten-Analyse, um bestimmen zu können, welche KI-Anwendungen tatsächlich einen spezifischen Mehrwert für den Kunden liefern. In der ersten Phase wäre also tatsächlich der Überblick für die Einsatzgebiete und eine erste Strategie für die Umsetzung am wichtigsten, wenn man in Sachen KI noch nicht viel Expertise hat. Später braucht es dann andere, tiefer gehende KI-Fähigkeiten.

Wie wichtig wird KI auf der obersten Führungsebene und in welchen Branchen am ehesten?

Bludau: Die Optimierung und/oder Automatisierung von Lieferketten, Produktionsteilen, Qualitätskontrollen etc. führt in nahezu allen Branchen zu erhöhter Effizienz und damit reduzierten Kosten. Für jede Führungsebene wird KI also wichtig werden, für die umsatzstärksten deutschen Branchen allerdings besonders. In der Automobilindustrie, der mit großem Abstand umsatzstärksten deutschen Branche, wird das KI-gesteuerte autonome Fahren seit einigen Jahren heiß diskutiert.

KI wird ein Muß für Zukunftsfähigkeit von Unternehmen

Welche Unternehmen sich hier als Vorreiter etablieren können, werden den Weltmarkt aller Voraussicht nach kurz- bis mittelfristig dominieren. Aber auch für den Maschinenbau, gerade im Hinblick auf Optimierung und Automatisierung von Wartungsprozessen, und in der chemisch-pharmazeutischen Industrie, bei der Analyse von Daten-Bergen in Echtzeit zur Beschleunigung der Forschung, birgt KI erhebliches Geschäftspotential. Hier braucht es jemanden, der diesen Bereich verantwortet.

Welches Skillset benötigt ein CAIO und wie findet man einen?

Bludau: Ein CAIO muss sowohl über ausgeprägte technologische Qualifikationen verfügen, inklusive tiefgehender Expertise in den Bereichen KI, Dateninfrastruktur und -Analyse, als auch ein unternehmerisches Mindset und ein tiefes Verständnis von Kunden und Endkonsumenten mitbringen. Wer diese Talente und Veranlagungen besitzt und sich intensiv mit Kultur, Zielgruppe und Belegschaft eines Unternehmens vertraut macht, wird in relativ kurzer Zeit innovative KI-Lösungen entwickeln können.

Vom CTO zum CAIO

Aufgrund der fachlichen Nähe und geringen Verfügbarkeit von vergleichbarer Expertise findet man momentan häufig ehemalige CTOs und CIOs in leitenden KI-Positionen, aber auch ein Hintergrund als Data Scientist oder in Computerlinguistik (= Schnittstelle zwischen Computertechnologie und menschlicher Sprache) werden immer begehrter. Außerdem sind Change-Kompetenzen unerlässlich, da KI an vielen Stellen völlig neu etabliert werden muss. Frustrationstoleranz, Fingerspitzengefühl, Charisma, Leidenschaft und nicht zuletzt: Proaktivität! Denn Veränderung fällt häufig schwer, es hilft ungemein, wenn man dabei aktiv auf die Belegschaft zugeht.

Welche Rolle bleibt hier noch für den CIO/CDO/CTO und gibt es Konflikte beim Thema Zuständigkeit?

Bludau: Ganz allgemein ist der CTO in erster Linie für die technologische Gesamtvision und -strategie des Unternehmens verantwortlich, der CIO für die Informationsmanagement- und IT-Strategie, während der CDO die digitale Transformation vorantreibt. Es ist wichtig zu bemerken, dass die genaue Aufgabenverteilung und -bezeichnung zwischen verschiedenen Rollen von Unternehmen zu Unternehmen leicht variiert. In einigen Unternehmen überschneiden sich gewisse Verantwortlichkeiten der CTO, CIO, CDO und CAIOs, wohingegen anderswo klare Trennlinien gezogen werden.

Kein Patentrezept für die CAIO-Position

Auch kommt es ganz auf das individuelle Unternehmen und Geschäftsmodell an, welche Position oder Kombination an Positionen Sinn ergeben. Da die Einsatzgebiete von KI unglaublich vielseitig sind, gilt das in besonderem Maße für den CAIO. Auch eine temporäre CAIO-Besetzung kann sinnvoll sein, wenn man beispielsweise KI-Boden aufholen möchte und der hauseigene CIO oder CTO nicht über genügend entsprechende Kenntnisse verfügt.

Welche Unternehmen brauchen derzeit und künftig einen CAIO und wie stellt sich die Lage in Deutschland dar?

Bludau: Im Grunde alle Unternehmen, die verstärkt auf KI zurückgreifen oder dadurch einen großen Mehrwert schaffen würden. Noch gibt es in C-Suites selten einen dezidierten CAIO, immer häufiger aber eine vergleichbare Position, wie Head of AI, CIO/CTO mit KI-Expertise oder auch CAIDO (= Chief Artificial Intelligence and Data Officer). Die genaue Bezeichnung der Rollen und die Verteilung von Verantwortlichkeiten untereinander kann je nach Unternehmensstruktur und -bedarf variieren.

Der schleppende Digitalisierungsfortschritt behindert Deutschland auch in Sachen KI. Allerdings wagt Baden-Württemberg gerade einen Vorstoß, KI-weltmarktführende Region zu werden. Dafür wurden gleich zwei milliardenschwere Projekte ins Leben gerufen (IPAI Heilbronn und Cybervalley Tübingen).

US-Konzerne investieren in ganz anderen Dimensionen

Dass aktuell die Big-Tech Unternehmen (Alphabet, Amazon, Meta, Apple, Microsoft) Vorreiter in KI sind, dürfte niemanden überraschen. Das Ausmaß des Vorsprungs ist mittlerweile allerdings bedenklich und wird am Investitionsvolumen deutlich: 2022 investierten die fünf Big-Tech Firmen mehr als drei Mal so viel in KI, wie die 29 forschungsintensivsten deutschen Unternehmen zusammen! Zur adäquaten Verwaltung solch gigantischer Investitionen braucht es natürlich eine verantwortliche Position im C-Level, wie auch immer man sie betiteln möchte. Und zum Aufholen dieses schier absurden Vorsprungs werden größere Investitionen notwendig sein.

Wie erleben Sie die Nachfrage?

Bludau: Nach einer Studie des ifo-Institutes nutzen derzeit gerade einmal 13 Prozent deutscher Unternehmen KI-Applikationen. Zwar steigt die Nachfrage, allerdings planen gerade auch nur weitere neun Prozent die Einführung von KI. Für 41 Prozent ist das tatsächlich noch überhaupt kein Thema, im Baugewerbe sogar 60 Prozent. Dementsprechend wird bisher relativ selten explizit nach CAIOs gesucht. Wir registrieren eine erhöhte Nachfrage nach Führungskräften mit dezidierter KI-Expertise, teilweise angetrieben vom Hype rund um moderne KI-Tools, allen voran ChatGPT. Häufig wird auch ein klassischer CTO, CIO oder sogar ein CDO gesucht, der aber unbedingt KI-Kenntnisse, quasi als Zusatzqualifikation, mitbringen muss.

KI-Kenntnisse und unternehmerische Fähigkeiten - große Mangelware

Im Zusammenhang mit KI riechen viele Top-Manager schon förmlich einen "Blue Ocean", also ein unerschlossenes Geschäftsfeld. Auf der anderen Seite will man keinem kostspieligen Hype auf den Leim gehen. Denn tiefgehende KI-Expertise in Kombination mit unternehmerischen Fähigkeiten ist noch recht selten zu finden, daher kann ein CAIO recht schnell sehr teuer werden. In diesen Momenten kann externe Hilfe sehr viel Wert sein, um entsprechende Vor- und Nachteile im Hinblick auf das eigene Unternehmen objektiv herauszuarbeiten und so eine passgenaue Lösung zu finden.

Haben bald die meisten Unternehmen einen CAIO oder droht ihm das gleiche Schicksal wie dem CDO?

Bludau: Wie gesagt sind momentan qualifizierte CAIOs in aller Regel noch sehr kostspielig, es braucht einen hohen potenziellen Mehrwert, um eine Position in der Führungsetage zu rechtfertigen. Kurzfristig wird das vielen Unternehmen zu teuer sein. Dazu kommt in Deutschland das Bottleneck der schleppenden Digitalisierung, das an vielen Stellen eine intensive Nutzung von KI sowieso verhindert. Es gilt also - nach wie vor - die deutsche Digitalisierung voranzutreiben. Mittel- bis langfristig gehe ich davon aus, dass eine verstärkte KI-Expertise fester Bestandteil der Profile von hochrangigen CTOs und CIOs sein wird. In diesem Fall würde dem CAIO tatsächlich ein ähnliches Schicksal drohen. Davon sind wir aber noch einige Jahre entfernt.

Kaan Bludau ist Gründer und Geschäftsführer von BludauPartners Executive Consultants GmbH. Er verantwortet das Kerngeschäft des Executive Search und betreut nationale und internationale Großunternehmen und Konzerne bei der Besetzung von gehobenen und strategisch bedeutenden Top-Managementpositionen, in der Beurteilung von Führungskräften sowie bei der Neuausrichtung von Unternehmensorganisationen.

Lesen Sie auch

Diese Themen prägen die Strategie für generative KI

Die fünf Typen einer KI-Führungskraft

CIOs üben den Umgang mit Generative AI