Big Player oder Startups

Wer das Rennen beim Mobile Payment macht

18.09.2014 von Nils  Zeizinger  IDG ExpertenNetzwerk
Ob Internet-Riesen wie Apple, Facebook, Google, Amazon und PayPal, Kreditinstitute wie MasterCard und Visa, Mobilfunker wie T-Mobile, Vodafone und E-Plus oder Startups wie Cashcloud und Yapital – alle eifern um die Technologieführerschaft beim Thema Mobile Payment.
Auch wenn die Einkaufstüten scheinbar nur darauf warten, gefüllt zu werden: Mobile Payment kommt nur langsam in die Gänge.
Foto: rukanoga / Fotolia

Aktuell treten weltweit rund 3.500 Startups im Finanzsektor in Konkurrenz zu den klassischen Banken. Wie das Beratungsunternehmen Bain ermittelte, hat sich das Investitionsvolumen für die "Fin-Techs" in den vergangenen fünf Jahren auf drei Milliarden US-Dollar verdreifacht. Marktforscher schätzen, dass Banken mehr als ein Drittel ihrer Erträge an die neuen Wettbewerber verlieren. Bereits in den nächsten sechs Jahren könnten die Erlöse aus Mobile-Payment-Transaktionen auf insgesamt über eine Milliarde Euro steigen - so prognostiziert es die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) in der Analyse "Mobile Payment in Deutschland 2020 - Marktpotenzial und Erfolgsfaktoren".

Derzeit sind weltweit rund 80 Unternehmen am Mobile Payment-Markt aktiv. Auch in Deutschland nimmt die Vielfalt unterschiedlicher Zahlungssysteme laufend zu, obwohl hierzulande der Handel die Entwicklung weiter bremst. Mehr als zwei Dutzend Payment-Dienstleister versuchen derzeit Lösungen für das kontaktlose Zahlen am Checkout zu etablieren. Einige sind schon auf dem Markt, andere wollen demnächst starten.

Neu ist die Idee, mit dem Mobiltelefon zu zahlen, natürlich nicht: Bereits beim ersten Internet-Hype um die Jahrtausendwende haben sich Startups wie Paybox daran versucht. Doch erst die technischen Weiterentwicklungen des vergangenen Jahrzehnts haben die Voraussetzungen für ein ausgereifteres Mobile Payment geschaffen. Startups wie Cashcloud, Paij, Kesh, PayCash oder Yapital bieten heute sogenannte E-Wallets zum Bezahlen mit dem Smartphone. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Angeboten sind nicht immer auf den ersten Blick erkennbar, denn der Funktionsumfang ist häufig ähnlich.

Nahezu alle derzeit erhältlichen Funktionen vereint die Anwendung des luxemburgischen Startups Cashcloud: Die kostenlose App ermöglicht den Geldtransfer zwischen Nutzern, sowie das Bezahlen in Online-Shops und im stationären Handel. Dank einer Kooperation mit MasterCard kann die Cashcloud-App weltweit an allen PayPass-Akzeptanzstellen genutzt werden. Allein in Deutschland geht man aktuell von rund 50.000 Akzeptanzstellen aus; beteiligt sind Unternehmen wie Aral, Shell, Galeria Kaufhof, Starbucks, Douglas oder Christ. Da MasterCard das PayPass-Netzwerk kontinuierlich ausbaut, wird die Liste der angeschlossenen Händler zukünftig wohl noch deutlich länger.

Ein weiteres Feature der Cashcloud-App: Coupons und Cashback-Aktionen können eingebunden und über die Anwendung genutzt werden. Branchenexperten gehen schon länger davon aus, dass Zusatznutzen wie diese entscheidend sein werden für den Erfolg von Mobile Payment. Cashcloud-Geschäftsführer Olaf Taupitz ist sich sicher: "Die Zukunft gehört einer All-in-One-Lösung, die es erlaubt, auf Münzen, Scheine, Kredit-, Debit- und Kundenkarten zu verzichten, wenn man das Haus verlässt."

Keine All-in-One-Lösung in Sicht

Eine All-in-One-Lösung, die überall und jederzeit funktioniert, ist bisher jedoch noch nicht in Sicht. Besonders beim kontaktlosen Bezahlen im stationären Handel herrscht Konfusion, da die Anbieter verschiedene Ansätze hinsichtlich der technischen Umsetzung verfolgen. Während Cashcloud, Vodafone, T-Mobile und O2/E-Plus auf die NFC-Technologie (Near Field Communication) setzen, basieren Kesh, PayCash und Yapital auf QR-Codes.

Die neueste Technik zum kontaktlosen Bezahlen ist die Funktechnologie BLE (Bluetooth Low Energy), die unter anderem von Apple und PayPal favorisiert wird. Im Vergleich zu NFC besitzt BLE eine höhere Reichweite und benötigt keine gesonderte Sendeeinrichtung, die zusätzlich in mobile Geräte eingebaut werden muss. In den Geschäften müssen jedoch spezielle Sender - sogenannte Beacons (deutsch "Leuchtfeuer") - installiert werden, die mit der App auf dem Handy kommunizieren. In Deutschland sind die statischen Beacons bisher nur selten zu finden und noch ist unklar, ob sie den deutschen Datenschutz-Ansprüchen gerecht werden.

Für viele deutsche Händler ist der Nutzen von Mobile Payment (noch) nicht klar genug. Der Fokus wird hierzulande meist zu stark auf die Kosten der Zahlungstransaktion gerichtet; nicht auf Innovation und Marketingnutzen. Wollen sie ihren Kunden die Möglichkeit geben, mit dem Handy zu zahlen, müssen Händler ihre Kassensysteme umrüsten oder neue Geräte erwerben. Das kostet Geld; kann aber langfristig auch viel Geld einbringen. Denn die Kunden wünschen sich eine zuverlässige Bezahllösung, die möglichst immer einsetzbar ist. Aktuelle Umfrageergebnisse belegen, dass das Interesse an Mobile Payment groß ist; dennoch bezahlen laut KPMG erst rund 15 Prozent der Deutschen mit ihrem Smartphone.

Apple, Google & Co. in Lauerstellung

Das könnte die Chance der Big Player Apple, Facebook, Google, Amazon oder PayPal sein: Diese befinden sich bereits in Lauerstellung, um die Lücke zu schließen und auch im Mobile Payment allgemeingültige technische Standards zu etablieren. Ein Einstieg der Internetriesen würde die Verbreitung des mobilen Bezahlens mit hoher Wahrscheinlichkeit enorm vorantreiben.

Der größte Vorteil gegenüber den Wettbewerbern am Markt wäre dabei die Vielzahl an bereits aktiven Nutzern: Facebook hat mit mehr als 1,2 Milliarden Nutzern ebenso viel Manpower wie Indien - als bevölkerungsstärkstes Land nach China; Apple könnte noch in diesem Jahr die Schallmauer von einer Milliarde iTunes-Nutzern brechen - täglich kommen 500.000 dazu; und das Zahlsystem PayPal wird weltweit ebenfalls von knapp 230 Millionen Menschen genutzt. Marktmacht alleine wird jedoch auch für die Big Player nicht ausreichen, um die Führung im Mobile Payment zu übernehmen. Auch für sie ist ein massentaugliches Produkt, eine All-in-One-Lösung, die über reine Bezahlfunktionen hinausgeht, die Grundvoraussetzung für den Erfolg beim Kunden.

Besonders bei Apple ist die Gerüchteküche wie üblich am Brodeln. In der jüngsten Vergangenheit hat das einflussreiche US-Unternehmen zahlreiche Patente für Mobile Payment-Services angemeldet und Tim Cook selbst hat Erwartungen geschürt, als er öffentlich kundtat, dass mobiles Bezahlen für Apple "ein interessantes Thema" sei. Der Fingerabdrucksensor im iPhone passt da ebenso ins Bild, wie die angekündigte NFC-Implementierung im neuen iPhone 6. Mit BLE, d.h. iBeacons, könnte Apple jedoch auch auf eine andere Technologie bei der Datenübertragung setzen.

Gegen einen Einstieg von Apple ins Mobile Payment-Geschäft spricht vor allem dessen Komplexität. Jedes Land hat seine eigenen Regularien und Gesetzmäßigkeiten, die einheitliche Lösungen nahezu unmöglich machen. Zudem legt Apple den Fokus weiterhin in erster Linie auf das eigene Ökosystem, welches von der miteinander vernetzten Hardware lebt. Steigt Apple ins Mobile Payment ein, stellt sich vor allem die Frage: mit welchem Geschäftsmodell? An Transaktionen würde Apple nichts verdienen, wenn sie diese nicht selbst abwickeln; und derzeit scheint es unwahrscheinlich, dass Apple zum Zahlungsdienstleister wird. Voraussichtlich sammelt das Unternehmen vorerst weiter Erfahrungen mit den eigenen Stores und wird an einer anderen Stelle der Wertschöpfungskette seine Einnahmen erzielen, statt ein klassischer Anbieter für mobiles Bezahlen zu werden.

Facebook bald mit virtueller Währung?

Konkreter sind die Ambitionen bei Facebook: Das milliardenschwere US-Unternehmen will seinen Nutzern angeblich ermöglichen, sich untereinander Geld zu überweisen. Eine entsprechende Lizenz für Europa ist bereits beantragt. Facebook wird damit zwar nicht automatisch zur Bank, aber als e-Geld-Institut kann der Konzern eine eigene Währung an Mitglieder ausgeben. Diese virtuelle Währung kann dann innerhalb der Community überwiesen oder zum Kauf von speziellen Waren und Dienstleistungen verwendet werden.

Ein weiteres Indiz für den Ausbau der E-Commerce-Dienste bei Facebook ist die jüngste Verpflichtung des PayPal-Chefs David Marcus. Es scheint wahrscheinlich, dass gerade durch den Fachmann für Finanzdienstleistungen das Angebot für Mobilgeräte erweitert wird. Weniger wahrscheinlich ist, dass aus dem Hause Facebook die ersehnte All-in-One-Lösung im Mobile Payment zu erwarten ist.

Bevor David Marcus seinen Wechsel zu Facebook vermeldete, hat er beim Online-Bezahlsystem PayPal das Geschäft zuletzt stark auf Angebote für Mobilgeräte ausgedehnt. Die Ebay-Tochter PayPal scheint als Marktführer im E-Commerce prädestiniert für den großen Wurf im Mobile Payment. Ein Viertel aller Internetkäufe in Deutschland werden laut Schätzungen der Unternehmensberatung Bain mittlerweile über die Ebay-Tochter abgerechnet. Und für das Bezahlen an der Kasse hat sich PayPal einen starken Verbündeten gesucht: Samsung. Auf dem Mobile World Congress 2014 hat der größte Smartphone-Hersteller der Welt verkündet, künftig mit PayPal zusammenzuarbeiten. Der neue Fingerabdruck-Sensor im Galaxy 5S ermöglicht es, in jedem angeschlossenen Geschäft biometrisch zu zahlen. Die neue Smartwatch Gear 2 ist ebenfalls mit einer PayPal-App ausgestattet.

Google verfügt bereits über eine Lizenz, die dem Unternehmen Geldgeschäfte gestattet. Mit der Google Wallet wurde auch bereits ein Online-Bezahlsystem für den eigenen Playstore und andere Einkaufsoptionen entwickelt. Nutzer können Kredit-, Debit-, Kunden- oder Geschenkkarten in der elektronischen Geldbörse hinterlegen und auch in angeschlossenen Einzelhandelsketten damit per NFC-Übertragung zahlen - bisher allerdings nur in den USA.

Spannend ist auch, wie Amazon versucht, seinen Einflussbereich im Mobile Payment zu vergrößern: Im vergangenen Jahr wurde der Anbieter Gopago gekauft; zukünftig soll ein neuer Bezahldienst es Startups und anderen Anbietern von Abomodellen ermöglichen, regelmäßige Zahlungen abzurechnen; und der E-Book-Reader Kindle könnte bald zum Bezahlen an der Kasse genutzt werden. Inwieweit der Online-Händler wirklich ernst macht und auch einen Angriff auf den Einzelhandel startet, bleibt abzuwarten. Die zahlreichen Angebote im Online-Handel und deren Erfolg lassen jedoch vermuten, dass Amazon auch als Bezahldienst für den Handel keine schlechten Karten haben würde.

Das letzte Wort haben Handel und Verbraucher

Die Beispiele verdeutlichen: Die Big Player bringen sich in Stellung. Doch unabhängig davon, wie leicht sich eine Bezahllösung in einen Onlineshop integrieren lässt, sieht die Welt im lokalen Einzelhandel anders aus. Es scheint sicher, dass Apple, Facebook, Google und Co. beim Thema Mobile Payment in verschiedenen Bereichen ein Wort mitreden werden. Doch auch sie sind auf den Handel angewiesen, dessen Offenheit eine Grundvoraussetzung dafür sein wird, ob es in absehbarer eine All-in-One-Lösung geben kann. Die Startups haben bereits ihre Erfahrungen gemacht, wie mühsam der Handel gerade in Deutschland zu überzeugen ist.

Der Mobile-Payment-Markt wird erst dann wirklich in Schwung kommen, wenn eine echte Cross-Channel-Payment-Lösung das Bezahlen über alle Kanäle hinweg ermöglicht - auf einfache, schnelle und sichere Weise. Ob am Ende die Startups oder die Big Player die Nase vorne haben werden, bleibt abzuwarten. Die aktuelle PwC-Analyse geht in jedem Fall davon aus, dass sich von den aktuell rund 80 Unternehmen, die im Mobile-Payment-Markt aktiv sind, bis 2020 voraussichtlich nur drei bis fünf Anbieter etablieren können.