Tengelmann Gruppe

Wer zahlt, schafft an

04.04.2006 von Riem Sarsam
Mit dem vor 138 Jahren gegründeten kleinen Einzelhändler hat der heute international tätige Konzern Tengelmann nicht mehr viel gemeinsam. Als Holding spannt sich Tengelmann über das Geschäft verschiedenster Tochterunternehmen. Eine zentrale IT-Strategie lässt sich nicht erkennen.
Die große Tochter: Filiale der Supermarktkette Kaiser's Tengelmann.
Foto: Tengelmann Warenhaus

Auf Konzernebene fühlt sich niemand zuständig, über die IT-Strategie von Tengelmann Auskunft zu geben. Stattdessen verweist man auf die Verantwortlichen der einzelnen Geschäftsfelder, die das Familienunternehmen kontrolliert. Diese sind allerdings zu unterschiedlich, um auf eine gemeinsame Planung zu schließen.

Mit jeweils rund 8,5 Milliarden Euro erzielen die Marken-Discounter Plus (Europa) und A&P (Nordamerika) den Löwenanteil der Einnahmen. Weniger mit niedrigen Preisen, sondern mehr über Qualität, Frische und ein breites Sortiment arbeitet die Supermarktkette Kaiser’s Tengelmann ("Hier schlägt das Herz"). Sie steuert jedoch mit rund 2,5 Milliarden Euro nur einen Bruchteil zum Gesamt-Geschäft der Tengelmann Gruppe bei. Rund das doppelte, nämlich gut fünf Milliarden Euro erzielt OBI als Franchise-Unternehmen. Etwas ganz anderes ist schließlich das vor elf Jahren begonnen Geschäft mit dem Textildiscounter KiK. Dieser nimmt mittlerweile knapp eine Milliarde Euro ein.

Für die Organisation der IT lässt sich keine Einheitlichkeit erkennen. So verantworten Teile der Holding, etwa der Lebensmittelhandel, ihre IT selbst. Die Baumarkt-Tochter Obi hingegen hat die Aufgaben in eine hundertprozentige Tochter ausgelagert, die Gesellschaft für Datenverarbeitung (GfD).

Die Zeiten, als in der Konzernzentrale ein CIO die IT verantwortete sind vorbei. Dieser Versuch ist ebenso gescheitert, wie die ursprünglich ausgegebene Losung auf SAP zu setzen. Zwar wurde der Pilot noch bei Kaiser’s Drugstore gestartet, doch die Drogeriekette ist mittlerweile verkauft, die SAP-Strategie in irgendwelchen Schubladen begraben. "Wer das Geld verdient, darf bestimmen“, sagt ein Insider. Und dieses Motto gilt auch für die IT. So kam es, dass die Plus-IT als erste aus einer gemeinsamen Strategie ausscherte und auf die Lösung des Heidelberger Systemhauses Compex setzte.

Das Herzstück der IT im Handel ist das Warenwirtschaftsystem. Hier hat sich laut Europäischem Handelsinstitut (EHI) in den vergangenen Jahren einiges getan. Erwies sich die Branche lange als resistent gegenüber Standard-Systemen, so breiten sich diese in den vergangenen Jahren immer mehr aus. Nicht zuletzt aber auch, weil die großen Software-Anbieter SAP und Oracle reagieren (man denke an die Übernahmeschlacht um den Branchespezialisten Retek) und an der Verbesserung ihrer branchenspezifischen Lösungen arbeiten.

Dass die Walldorfer jedoch nicht als gesetzt gelten, lässt sich exemplarisch an der Tengelmann-Gruppe beobachten. Verschiedene Tochtergesellschaften haben ihre Warenwirtschaft auf den Prüfstand gestellt und sich an Neuerungen herangewagt, doch SAP ist nicht vertreten. Das Ziel ist für alle dasselbe: Mit Hilfe der IT die Prozesse effizient zu gestalten sowie durch bessere Informationsflüsse schneller entscheiden zu können. Der Weg dahin wird allerdings unterschiedlich beschritten.

Die Baumarktkette OBI, deren IT-Aufgaben an eine hundertprozentige Tochter, die Gesellschaft für Datenverarbeitung (GfD), ausgelagert wurde, setzt auf ein komplett eigenentwickeltes System. Die mangelnde Abdeckung der Obi-spezifischen Prozesse hätte bei einem Standard-Produkt zu hohe Anpassungen erfordert, begründete Jens Siebenhaar, Sprecher der Geschäftsführung der GfD. Im November 2005 waren sieben Märkte auf das neue System umgestellt, sie sollen die Lösung im Pilotbetrieb prüfen.

Anders dagegen Kaiser’s Tengelmann. Die Supermarktkette hat sich entschieden, dem Discounter Plus zu folgen und als Pilot die jüngste Software von Compex einzusetzen. Aus dem Rennen waren Informationen zufolge nicht nur SAP Retail sondern auch die Lösung der CSB AG oder von Retek.

In einem Großprojekt, das die Viersener Zentrale sowie 750 Filialen und die Lager umfasst, wurden zunächst sämtliche Abläufe analysiert. Darauf aufbauend folgt nun die Installation des Systems. Der Clou der Compex-Lösung: Das Data Warehouse wird integriert. "Data Warehouse als eigenständiges System hat sich überlebt“, sagt Compex-Geschäftsführer Christophe Loetz. Technisch funktioniert das durch die Anbindung der Software an die Java-Bean-Technologie von Oracle.

Am 1. Juli 2006 soll das Roll-Out beginnen. Dann geht es Schlag auf Schlag. In jedem Bezirk wird ein Filialleiter zum "Roll-out-Manager“ ausgebildet. Er soll helfen, pro Woche eine Filiale in diesem Bezirk umzustellen. Da man von Plus nichts darüber hört, wie die Software funktioniert geschweige denn, ob sie genutzt wird, darf man nun bei Kaiser’s Tengelmann gespannt sein.

Bereits im Vorfeld, so ist aus Unternehmenskreisen zu hören, konnten immerhin redundante Abläufe abgeschafft und so ein Teil der Kosten reduziert werden. Diese bewegten sich allein für den Einkauf und den Vertrieb im dreistelligen Millionenbereich. Eines immerhin scheint beim Supermarkt anders gelaufen zu sein als beim Discounter. "Wir haben den IT-Leitern das Projekt weggenommen,“ sagt Lutz Endrikat, Geschäftsführer von Kaiser’s Tengelmann.