Onlinezugangsgesetz

Wie CIOs der Bundesländer die Digitalisierung angehen

27.09.2019 von Julia Lamml
Seit zwei Jahren setzen die Bundesländer das Onlinezugangsgesetz (OZG) um. Die verantwortlichen CIOs ziehen eine erste Bilanz.
Das Hamburger Rathaus ist eins der vielen Verwaltungsorte, die durch digitale Angebote entlastet werden sollen.
Foto: S.Borisov - shutterstock.com

Das Onlinezugangsgesetz (OZG) beschert Bund, Ländern und Kommunen seit 2017 große IT-Projekte: Bis 2022 sollen Verwaltungsleistungen, die digitalisiert werden können, bundesweit über einen Portalverbund zur Verfügung stehen.

"Die große Aufbruchsstimmung und der Optimismus aller an den Digitalisierungslaboren Beteiligten dürfte für die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes ein fast unbezahlbarer Wert sein", erklärt Hans-Henning Lühr, Bremer Finanzstaatsrat und Vorsitzender des sogenannten IT-Planungsrats, in der kommunalen Fachzeitschrift Vitako aktuell. Im IT-Planungsrat sitzen neben Lühr unter anderem mit der IT betraute Vertreter der Bundesländer. Im Rahmen des OZG versuchen sie, digitale Einzelbemühungen der Kommunen in eine gemeinsame Architektur und Strategie einzubinden.

Das OZG - Hintergründe

Bisher wurde die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung von den Kommunen selbst vorangetrieben. Dies liegt an deren Selbstständigkeit, die im Grundgesetz verankert ist. Deshalb tätigten die Kommunen bisher viele einzelne Investitionen, es entstand eine sehr heterogene IT-Landschaft. Vor diesen Voraussetzungen koordinieren die CIOs der Länder nun eine einheitliche Digitalisierung von Dienstleistungen, die in einem arbeitsteiligen Prozess entwickelt werden.

Das Vorgehen ist in einem Digitalisierungsleitfaden und in architektonischen Grundprinzipien für den Portalverbund geregelt. Seit September 2018 gibt es einen Prototyp, der in Anwendungsbeispielen zeigt, wie digitale Leistungen im Portalverbund angeboten werden können.

Die IT-Chefs der Bundesländer
Markus Richter, Bundes-CIO
BAMF-Vizepräsident Markus Richter ist Bundes-CIO. Er löste Klaus Vitt ab, der Ende April 2020 in den Ruhestand ging.
Christian Pfromm, CDO von Hamburg
Christian Pfromm ist seit Januar 2018 neuer CDO der Stadt Hamburg Sein genauer Titel lautet: "Chief Digital Officer / Leiter des Amtes für IT und Digitalisierung". Der CDO berichtet an den 1. Bürgermeister der Stadt Hamburg und an den Chef der Senatskanzlei. Zuvor war Pfromm von Juni 2011 bis Dezember 2017 Group CIO der BHF-Bank AG. CIO Jörn Riedel berichtet an ihn.
Andreas Meyer-Falcke, Beauftragter der Landesregierung NRW für Informationstechnik (CIO)
Der langjährige nordrhein-westfälische Landes-CIO Hartmut Beuß verabschiedet sich zum 31. August 2020 in den Ruhestand. Seine Nachfolge im Wirtschafts- und Digitalministerium als Beauftragter für Informationstechnik tritt Andreas Meyer-Falcke an. Meyer-Falcke kommt von der Landeshauptstadt Düsseldorf, wo er seit August 2012 als Beigeordneter für die Bereiche Personal, Organisation, IT, Gesundheit und Bürgerservice tätig ist. In der Rolle trägt er unter anderem die Verantwortung für die Digitalisierung der Kommunalverwaltung.
Bernd Schlömer, Landes-CIO von Sachsen-Anhalt
Bernd Schlömer ist seit Oktober 2021 CIO des Landes Sachsen-Anhalt. Er folgte auf Rüdiger Malter, der das Amt seit April 2020 innehatte.
Fedor Ruhose, Landes-CIO von Rheinland-Pfalz
Staatssekretär Fedor Ruhose (SPD) verantwortet als CIO und CDO die IT und digitale Transformation des Landes Rheinland-Pfalz.
Hartmut Schubert, CIO in Thüringen
Hartmut Schubert ist seit Dezember 2014 Staatssekretär im Thüringer Finanzministerium. Der Titel CIO kommt in der „Richtlinie für die Organisation des E-Government und des IT-Einsatzes in der Landesverwaltung des Freistaats Thüringen“ nicht vor. Dennoch erfüllt Schubert, der Beauftragte des Freistaats Thüringen für E-Government und IT, genau die Aufgaben und die Funktion des CIO. Mit dem Kabinettbeschluss der Richtlinie vom 7. Juli 2015 erhält Thüringen deshalb als letztes Bundesland einen Landes-CIO.
Thomas Popp, Staatssekretär für Digitale Verwaltung und Verwaltungsmodernisierung als Mitglied der Sächsischen Staatsregierung (CIO)
Im Januar 2020 ernannte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) CIO Thomas Popp zum Staatssekretär für Digitale Verwaltung und Verwaltungsmodernisierung als Mitglied der Staatsregierung (CIO). Popp war bisher Landes-CIO in Sachsen.
Ina-Maria Ulbrich, Staatsekretärin, Mecklenburg-Vorpommern
Ina-Maria Ulbrich ist seit November 2016 Staatsekretärin im neu geschaffenen Ministerium für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung Mecklenburg-Vorpommern. Aus "Landesentwicklung" wurde nun "Digitalisierung". Die Juristin wurde 2002 Regierungsrätin und Referentin im Umweltministerium, beim Landkreis Ostvorpommern und im Wirtschaftsministerium. Von 2006 bis 2008 leitete sie das Büros des Ministers für Verkehr, Bau und Landesentwicklung, von 2008 bis 2011 war Ulbrich Leiterin des Büros des Ministerpräsidenten. Ulbrich vertritt das Land auch im IT-Planungsrat.
Ralf Stettner, CIO in Hessen
Ralf Stettner ist Chief Information Officer und Bevollmächtigter der Hessischen Landesregierung für E-Government und Informationstechnologie (CIO) und folgt damit Patrick Burghardt, der im Januar 2024 das Amt des Oberbürgermeisters von Rüsselsheim übernahm. Stettner hatte von Ende 2018 bis Anfang 2024 die Position des Chief Information Security Officers (CISO) in der hessischen Landesverwaltung inne und war Leiter der Abteilung Cyber- und IT-Sicherheit und Verwaltungsdigitalisierung im Hessischen Ministerium des Innern und für Sport.
Stefan Krebs, CIO in Baden-Württemberg
Seit dem 1. Juli 2015 leitet Stefan Krebs die IT-Geschicke des Landes Baden-Württemberg als Beauftragter der Landesregierung für Informationstechnologie (CIO/CDO). Der Diplom-Verwaltungswirt kennt sich mit Banken und IT-Sicherheit aus. Zu seinen ersten Aufgaben gehörte die Feinplanung für die schrittweise Bündelung der bisher dezentralen IT-Einheiten der Landesverwaltung.
Sven Thomsen, CIO von Schleswig-Holstein
Seit Mitte Juli 2013 lenkt Sven Thomsen als CIO des Landes Schleswig-Holstein die Geschicke des Zentralen IT-Management Schleswig-Holstein (ZIT-SH). Im ZIT-SH sind die Aufgaben der ressortübergreifenden IT- und Finanzensteuerung für alle Fragen der Informations- und Kommunikationstechnologie zentralisiert. Wie auch in Hamburg ist Sven Thomsen nicht Staatssekretär und gehört nicht dem IT-Planungsrat an. Im IT-Planungsrat wird Schleswig-Holstein durch Knud Büchmann, Beauftragter der Landesregierung Schleswig-Holstein für Zentrale IT-, Organisations- und Personalentwicklung vertreten. Seit Mitte 2017 ist Thomsen an das neue Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung (MELUND) angedockt.
Elena Yorgova-Ramanauskas, CIO im Saarland
Elena Yorgova-Ramanauskas, ist seit Juni 2022 Chief Digital Officer (CIO) im Saarland. Seit 2022 ist sie Staatssekretärin im Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitales und Energie.
Judith Gerlach, Staatsministerin für Digitales in Bayern
Die Landtagsabgeordnete und Rechtsanwältin Judith Gerlach (CSU) ist seit November 2018 Staatsministerin für Digitales in Bayern. Das Ministerium wurde neu geschaffen. Das neue Staatsministerium übernimmt die Grundsatzangelegenheiten und die Koordinierung der Digitalisierung Bayerns, die bisher bei der Staatskanzlei angesiedelt waren. Das Ministerium soll sich außerdem um die strategischen Fragen der digitalen Verwaltung kümmern.
Jörn Riedel, CIO von Hamburg
Seit 2008 hat Hamburg einen CIO. Den Posten hat seitdem Jörn Riedel inne. Angesiedelt ist er bei der Finanzbehörde der Hansestadt. Beim dortigen Amt für Organisation und Zentrale Dienste ist Riedel Abteilungsleiter für E-Government und IT-Steuerung. Anders als in anderen Bundesländern ist CIO Riedel nicht Staatssekretär - und gehört nicht dem IT-Planungsrat an. Hamburg vertritt in dem Bund-Länder-Gremium der Staatsrat der Finanzbehörde, Jens Lattmann. CIO Jörn Riedel verantwortet derzeit gleich mehrere übergreifende IT-Projekte in Hamburg.
Cornelius Everding, CPIO von Brandenburg
In Brandenburg fließen die Fäden in IT-Angelegenheiten nicht bei einem CIO zusammen sondern beim CPIO - dem Chief Process Innovation Officer. Mit dieser Bezeichnung soll die Orientierung an Prozessen betont werden, sagte gegenüber CIO.de Cornelius Everding, der das Amt seit seiner Schaffung im August 2008 innehat. Everding sieht sich nicht als alleine für IT zuständig an, sondern setzt auf einen Dreiklang: Mit dem CPIO kümmern sich um IT-Themen der zentrale IT-Dienstleister von Brandenburg und der sogenannte RIO-Ausschuss, die Runde der Ressort Information Officers. Aktuelles Thema ist das Forschungsprojekt "Stein-Hardenberg 2.0". Der Bund, Hamburg und Berlin, der öffentlich-rechtliche IT-Dienstleister Dataport und das Potsdamer Institut für E-Government bearbeiten die Frage, wie sich das Gemeinwesen mit modernen Werkzeugen organisieren lässt. Den CPIO hat Brandenburg beim Innenministerium angesiedelt. Amtsinhaber Everding ist nicht Staatssekretär, weshalb er - wie Kollegen aus anderen Ländern - nicht im IT-Planungsrat sitzt. Dort spricht Innenstaatssekretär Rudolf Zeeb für das Bundesland.
Hans-Henning Lühr, Staatsrat im Bremer Finanzressort
In Bremen ist die CIO-Funktion beim Staatsrat des Finanzressorts angesiedelt, Hans-Henning Lühr. Ihm direkt zugeordnet ist die Stabsstelle "Zentrales IT-Management und E-Government", die von Martin Hagen geleitet wird. Ein aktuelles Projekt der Bremer IT ist der einheitliche "Verwaltungs-PC": Ziel ist eine Standardisierung und die Professionalisierung des IT-Supports über alle Dienststellen hinweg. Im IT-Planungsrat vertritt Lühr Bremen.
Horst Baier, CIO von Niedersachsen
Das Land Niedersachsen hat am 20. März 2020 Horst Baier zum IT-Bevollmächtigten ernannt. Formal agiert der 57-Jährige als IT-Bevollmächtigter und leitet die Stabsstelle "Informationstechnik der Landesverwaltung".
Stefan Latuski, CIO der Bundesagentur für Arbeit
Stefan Latuski leitet ab 1. August 2023 als CIO die IT-Geschicke der Bundesagentur für Arbeit - zunächst kommissarisch.

Insgesamt müssen 575 Leistungen digitalisiert werden. Diese werden in 14 Themenfeldern bearbeitet, die Federführung der einzelnen Felder übernehmen Arbeitsgruppen, bestehend aus dem entsprechenden Bundesressort und einem oder mehrerer Bundesländer. In sogenannten Digitalisierungslaboren analysieren Fachleute, E-Government-Experten, Designer und Nutzer gleichzeitig Leistungen mit besonderer Priorität und bereiten diese für die Implementierung vor.

Die "Nachnutzung" als größte Herausforderung

Den CIOs der Bundesländer bereitet dabei vor allem die sogenannte Nachnutzung Kopfzerbrechen. Denn die Konzepte, die in den Laboren erarbeitet werden, sollen entweder direkt von anderen Ländern und Kommunen genutzt werden können oder in einer Referenzimplementierung als Vorlage dienen. Ein Konzeptpaket mit Designkriterien, einem Klick-Prototypen, Referenzartefakten (modellierte Soll-Prozesse) und sogenannte Artefakte für föderales Informationsmanagement (FIM) in Form von Prozessen und Datenfeldern sollen bei der Umsetzung helfen.

Stefan Krebs, CIO von Baden-Württemberg
Foto: Land Baden-Württemberg

"Überaus herausfordernd ist die Einrichtung eines nachhaltigen Programmmanagements", erklärt Stefan Krebs, Ministerialdirektor und CIO/CDO in Baden-Württemberg. Man müsse sicherstellen, dass jede der am Ende mehreren Hundert digitalen Leistungen über den gesamten Lebenszyklus stets rechtlich aktuell, technisch stabil sowie intuitiv nutzbar sei.

Ina-Maria Ulbrich, CIO von Mecklenburg-Vorpommern
Foto: Ministerium für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung

Dies lasse sich für die Themen, die man selber bearbeite, gut steuern und umsetzen, sagt Ina-Maria Ulbrich, Staatssekretärin und IT-Beauftragte des Landes Mecklenburg-Vorpommern. In den anderen Themenfeldern sei man auf die Ergebnisse der dortigen Labore angewiesen.

Strategien für die richtige Infrastruktur

Um dieser Herausforderung mit der richtigen Infrastruktur zu begegnen, wählen die Länder-CIOs verschiedene Lösungsansätze. Harmut Beuß, CIO von Nordrhein-Westfalen, konzentriert sich etwa auf die Entwicklung einheitlicher Entwicklungs- und Schnittstellenstandards, sodass die geschaffenen Dienste auf allen gängigen Portalinfrastrukturen in NRW laufen.

Hartmut Beuß, CIO von NRW
Foto: Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen

Diese Standardisierung technischer Bausteine will er bis Ende 2019 vorantreiben. Ähnlich geht Krebs in Baden-Württemberg vor: "Mit service-bw, der gemeinsamen Plattform von Land und Kommunen, haben wir eine funktionierende Infrastruktur, auf der wir die digitalen Verwaltungsleistungen nutzerzentriert anbieten."

Randolf Stich, CIO und Staatssekretär im Ministerium des Innern und für Sport für Rheinland-Pfalz, geht in den meisten Fällen von einer Parametrisierung der Lösungen aus und will für die eigenen Kommunen Schnittstellen als zentrale Infrastrukturkomponente entwickeln.

Synergieeffekte für Dataport-Länder

In sechs anderen Bundesländern übernimmt dagegen der IT-Dienstleister Dataport eine unterstützende Rolle. Das Unternehmen mit Sitz in Altenholz bei Kiel arbeitet für die Landesverwaltungen seiner Trägerländer Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt, für die Steuerverwaltungen von Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen sowie für viele Kommunalverwaltungen in Schleswig-Holstein. Für diese entwickelte die Firma die modulare Plattformlösung "Online Service Infrastruktur" (OSI), auf der die Online-Dienste der digitalisierten Verwaltungsleistungen laufen sollen. "Für die Dataport-Länder ergeben sich viele Synergieeffekte durch die gemeinsame Infrastruktur", erklärt Sven Thomsen, CIO von Schleswig-Holstein.

Sven Thomsen, CIO von Schleswig-Holstein
Foto: Staatskanzlei Schleswig-Holstein

Interne Verbünde, institutionelle Interventionen

Einige Länder-CIOs stützen sich zusätzlich auf länderinterne Verbünde. In Nordrhein-Westfalen zum Beispiel erfolgt bis Ende 2019 der Aufbau eines technischen Portalverbundes NRW. In Schleswig-Holstein soll der neu gegründete IT-Verbund SH (ITVSH) den Gemeinden bei der Umsetzung unter die Arme greifen.

Thomas Popp, CIO Sachsen
Foto: Sächsische Staatskanzlei

Sachsen-CIO Thomas Popp dagegen beschäftigt derzeit eine ganz andere Hürde. Federführend im Themenfeld "Recht und Ordnung" entwickelte sein Digitalisierungslabor "Bußgeldverfahren Geschwindigkeitsübertretung" entsprechende Lösungen. Allerdings wurden diese und einige andere Leistungen mittlerweile nachträglich als Justizleistung identifiziert. Damit fallen sie nicht unter das OZG-Gesetz. Die bisherige Arbeit soll nun allerdings als teilweise Digitalisierung auf freiwilliger Basis genutzt werden. Zudem sollen Anforderungen zur Einführung der E-Akte in der Justiz mit den Ergebnissen des Digitalisierungslabors abgeglichen werden.