#TwiceAsFast

Wie die Daimler-IT das Tempo verdoppelt

01.10.2019 von Wolfgang Herrmann
Der Automobilkonzern Daimler stellt sich organisatorisch neu auf. Die IT soll bis 2020 doppelt so schnell sein wie bisher. Das hat CIO Jan Brecht dem Vorstand versprochen.

Der 22. Mai 2019 dürfte in die Annalen der Daimler AG eingehen. Nach gut 13 Jahren im Amt verabschiedete sich Vorstandschef Dieter Zetsche und übergab die Führung an den Schweden Ola Källenius. Auf der Hauptversammlung in Berlin stimmten die Aktionäre zugleich für einen Konzernumbau: Das "Projekt Zukunft", so die offizielle Verlautbarung, sei die "umfangreichste Neuaufstellung in der mehr als 130-jährigen Unternehmensgeschichte".

Bis zum 1. November 2019 soll der Konzern in drei rechtlich selbständige Einheiten unter dem Dach der Daimler AG aufgeteilt werden. In einer wird das Geschäft mit Autos und Vans gebündelt, eine kümmert sich um Lastwagen und Busse und eine um Finanz- und Mobilitätsdienstleistungen.

Daimler-CIO Jan Brecht: „Die vier Grundpfeiler unserer Industrie ändern sich alle auf einmal. Software ist dabei der rote Faden, der sich durch alle Bereiche zieht.“
Foto: Daimler AG

Im Grunde gehe es dabei um eine "Agilisierung des Konzerns", erläutert Jan Brecht, seit November 2015 CIO der Daimler AG. Im Zuge dessen schaffe der Konzern neue Legaleinheiten. Direkte Auswirkungen auf die IT-Organisation gebe es nicht. Die IT bleibe weiterhin divisional aufgestellt, die Berichtswege unverändert: "Aber natürlich nehmen wir so ein Projekt auch zum Anlass, um über IT-Liefermodelle und unser Operating nachzudenken."

Wichtiger als Konzernstrukturen sind dem IT-Chef die Zukunftsfelder, die Daimler mit dem Kürzel CASE beschreibt: Connected, Autonomous, Sharing & Services und Electric Drive. "Die vier Grundpfeiler unserer Industrie ändern sich alle auf einmal", sagt Brecht. Das habe signifikante Auswirkungen auf den Konzern und die IT: "Software ist dabei der rote Faden, der sich durch alle Bereiche zieht."

Augenfällig ist die Entwicklung beim autonomen Fahren. Automobilbauer bekommen es mit gigantischen Datenmengen zu tun, für deren Verarbeitung sie eine mächtige Backend-Infrastruktur aufbauen müssen. Auch im Wachstumsmarkt Sharing, in dem sich alles um App-getriebene Modelle dreht, spielt Software eine zentrale Rolle. Weniger offensichtlich ist der IT-Beitrag beim Thema Electric. Hier gehe es vor allem um die notwendige Ladeinfrastruktur, erläutert Brecht. Mehrere Dutzend Anbieter positionierten sich in diesem Markt. Ohne ein leistungsstarkes Software-Ökosystem werde dieser kaum funktionieren.

Das "CASE-Business" stelle enorme Anforderungen an die IT, so der studierte Elektrotechniker. Aus strategischer Sicht sei damit das "Warum" beschrieben, also: "Warum tun wir in der IT das, was wir tun?" Das "Was" stehe unter dem Motto: "Daten sind das neue Öl". Daimler verfolge dabei eine Strategie mit den vier Säulen Kundeninteraktion, datengetriebenes Unternehmen, Engineering and Production und Empowered Employee.

Produktionsstart des Modells CLA Shooting Brake im ungarischen Mercedes-Benz Werk Kecskeme´t.
Foto: Daimler AG

Last, but not least, geht es für den CIO um das "Wie"? Hier kommt die Initiative "#TwiceAsFast" ins Spiel, die 2017 gestartet wurde. Bis Weihnachten 2020 will die Daimler-IT doppelt so schnell sein wie bisher. Das hat Brecht dem Vorstand versprochen. Auf seiner Agenda stehen fünf Prioritäten: DevOps und Cloud Computing, freie und Open-Source-Software, Services und APIs, Identity and Access Management und Security sowie "People in IT". Um den Erfolg am Ende auch messen zu können, habe man für jedes Handlungsfeld KPIs definiert (Key Performance Indicators). Zu diesen Kennzahlen gehört beispielsweise die Anzahl der API-Consumer, also wie häufig APIs in Projekten wiederverwendet werden, oder auch die Anzahl der API-Aufrufe (Calls).

Fortschritte mit APIs

Gerade im Bereich APIs habe es in den vergangenen Jahren große Fortschritte gegeben, so der CIO. Das Thema sei nicht neu, aber viele technische Ansätze wie etwa SOAP (Simple Object Access Protocol) aus den 90er Jahren hätten sich in der Praxis als schwierig erwiesen. Noch immer verursachten Schnittstellenprobleme, also die Verknüpfung unterschiedlicher Systeme, in großen Softwareprojekten etwa die Hälfte des Aufwands. Daimler unterhalte eine eigene API-Entwicklungsplattform, die sich in einen Teil für interne und einen für externe Anbindungen untergliedere. Allein im April 2019 habe man rund eine Milliarde API-Calls registriert.

Die Top-CIOs der Automobil-Branche
Falko Morlock
Seit 1. September 2023 ist Falko Morlock CIO des schwäbischen Maschinen- und Anlagenbauers Dürr AG.
Alexander Buresch
Alexander Buresch ist seit Januar 2020 CIO des bayerischen Automobilkonzerns. Ein Foto des Managers hat BMW bislang noch nicht veröffentlicht. Der Wirtschaftswissenschaftler ist seit mehr als 20 Jahren für BMW tätig und war zuletzt Vice President Corporate Strategy and Planning.
Mattias Ulbrich
Mattias Ulbrich ist seit 1. September 2018 CIO beim Automobilbauer Porsche. Ulbrich übernahm die Verantwortung für die IT in der Produktion des VW-Konzerns. Zum 1. Februar 2012 hatte Ulbrich die IT-Verantwortung (CIO) bei der Audi AG übernommen.
Hauke Stars
Seit Februar 2022 ist Hauke Stars IT-Vorständin und Chief Information Officer bei Volkswagen.
Katrin Lehmann
Als CIO der Mercedes-Benz Group AG und der Mercedes-Benz AG verantwortet Katrin Lehmann die globale IT für alle Geschäftsbereiche, Marken und Märkte und berichtet direkt an den CEO.
Jürgen Sturm
Jürgen Sturm ist seit Januar 2015 Informatikleiter beim Automobilzulieferer ZF Friedrichshafen. Sturm ist promovierter Ingenieur und kommt von der BSH Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH. Sturm war vor seiner BSH-Zeit zwischen 1999 und 2003 Bereichsleiter Organisation, Prozesse und Informationssysteme bei der Grundig AG.
Volker Schwarz
Der langjährige Rheinmetall-CIO Volker Schwarz ist seit Januar 2024 CIO beim Automobilzulieferer GKN Automotive.
Frank Loydl
CIO der Audi AG und damit Nachfolger des bisherigen CIO Mattias Ulbrich ist seit Februar 2018 Frank Loydl. Seit 2016 verantwortete er im Konzern die Software-Entwicklung. Ab 2009 war er bei T-Systems das Delivery Management für den Kunden Volkswagen AG zuständig. Diese Aufgabe übernahm Loydl 2013 schließlich direkt für den Automobilkonzern.
Sven Lorenz
Der langjährige Porsche-CIO Sven Lorenz ist Konzern-CPO bei Volkswagen. Bei der Kür zum CIO des Jahres 2006 schaffte es Sven Lorenz auf den zweiten Platz.
Martin Hofmann
Martin Hofmann tritt zum 1. Mai 2023 seinen neuen Posten als CTO und CIO bei Volta Trucks an. Zuvor war er drei Jahre als Senior Vice President bei Salesforce und über 19 Jahre bei Volkswagen, dort zuletzt als Group CIO.
Alexander Eisl
Der ehemalige MAN-Manager Alexander Eisl hat am 1. Oktober 2022 die Nachfolge von Skoda-CIO Klaus Blüm angetreten, der zu VW gewechselt ist.
Christian Eigler
Seit Januar 2016 ist Christian Eigler Continental Corporate CIO und trägt die Verantwortung für die IT bei Continental. Von Januar 2012 bis Dezember 2015 war Eigler Continental Automotive CIO. Elisabeth Hoeflich ging nach fast 30 Jahren im Unternehmen in den Ruhestand.
Michael Hilzinger
Michael Hilzinger ist seit Juli 2019 CIO beim Bremsen-Spezialisten Knorr-Bremse in München. Er war zuvor Group CIO beim Stahlhändler Klöckner in Duisburg.
Markus Bentele
Markus Bentele ist seit Januar 2017 Vice President Information Technology (VP)/Group CIO beim Automobilzulieferer Mahle International GmbH in Stuttgart. Zuvor war Bentele Corporate CIO der Rheinmetall AG.
Christian Ley
Christian Ley leitet seit 2006 den Bereich Informationssysteme Brose Gruppe. In dieser Funktion verantwortet er den Ausbau der IT-Lösungen im Kontext der Unternehmensstrategie. Ley begann 1995 als Diplom Betriebswirt (FH) als Trainee in der Brose Gruppe und wechselte anschließend als DV-Koordinator in die zentrale Anwendungsentwicklung. Dort übernahm er 1999 die Teamleitung für PPS- und QM-Systeme und anschließend die Leitung der Zentralabteilung „logistische Anwendungssysteme“. In dieser Funktion war er bis 2006 weltweit für zahlreiche SAP-Implementierungsprojekte verantwortlich.
André Wehner
Am 1. Juni 2021 hat André Wehner den CIO-Posten bei MAN Truck & Bus übernommen. Als IT-Chef verantwortet Wehner die weltweite IT des Nutzfahrzeugherstellers. Dazu zählen auch Produktionswerke, Logistikzentren und die eigenen Landesvertriebsgesellschaften. Sein Vorgänger Stephan Fingerling geht als Geschäftsführer zur Group IT Services GmbH, der IT-Tochter der Volkswagen Gruppe. Vor seinem Wechsel zum Münchner Nutzfahrzeughersteller war Wehner CDO bei Skoda Auto. In der neu geschaffenen Stelle kümmerte er sich dort seit 2016 um Unternehmensentwicklung und Digitalisierung.
Maik Krüger
Am 1. April trat Maik Krüger die Position des CIO bei Dräxlmaier an. Der studierte Wirtschaftsinformatiker war jahrelang in führenden IT-Positionen bei BMW tätig.
Sebastian Stoll
Seit 1. Juni 2021 ist Sebastian Stoll CIO und Group Vice President IT der FEV Gruppe. Er hat den Posten von Andreas Engels übernommen, der beim Kölner Compliance-Startup Kerberos eingestiegen ist. Stoll berichtet an CFO Jürgen Koopsingraven. Neben der Einführung von SAP S/4 Hana will Stoll die IT in die Cloud verlagern und die Security verbessern.
Saskia Kohlhaas
Saskia Kohlhaas ist seit November 2021 Senior Vice President Information Technology beim Engineering-Dienstleister der Automobilindustrie IAV.
Thomas Külpp
Seit August 2017 ist Thomas Külpp neuer CIO beim Autobauer Opel Automobile GmbH in Rüsselsheim. Zuvor war er bei Opel Director Sales & Marketing. Külpp hat Maschinenbau an der University of Applied Sciences in Wiesbaden studiert und als Diplom-Ingenieur abgeschlossen. Er arbeitet bereits seit 27 Jahren in verschiedenen Positionen bei Opel.
Marcus Claesson
Marcus Claesson ist CIO bei Daimler Truck. Er berichtet an den Vorstand für Finanzen und Controlling, Jochen Goetz. Darüber hinaus verantwortet Marcus Claesson die Connectivity Services innerhalb der Daimler Truck AG. Er ist seit 2017 im Unternehmen. Zuvor war Claesson CIO bei Electrolux AB.
Uwe Kühne
Uwe Kühne ist seit 2017 CIO bei GF Casting Solutions, einer Division des Georg Fischer Konzerns. Er fing 2004 bei der Georg Fischer Automobilguss GmbH als Systemanalytiker an und war zuletzt bis Ende 2016 als Head IT Operational Services bei GF Automotive für die Erbringung zentraler IT Infrastrukturleistungen verantwortlich. Auf seiner Agenda stehen die strategische Neuausrichtung der zentralen IT-Organisation, die Vorbereitung auf SAP S4/HANA, die Verlagerung zentraler IT Dienste in die Cloud sowie die Verbindung zwischen klassischer IT und Automations-Bereichen („i4.0“). GF Casting Solutions ist eine von drei Divisionen der Georg Fischer AG, ein börsennotiertes Unternehmen mit Hauptsitz in Schaffhausen, Schweiz. Das 1802 gegründete Industrieunternehmen betreibt in 33 Ländern 131 Gesellschaften, davon 51 Produktionsstätten.
Felix Willing
Felix Willing ist seit Januar 2018 Leiter des Bereichs Information Management beim Automobilzulieferer Hella GmbH & Co. KGaA im nordrhein-westfälischen Lippstadt. In dieser Position fungiert er zugleich als CIO für den globalen Hella Konzern. Zuletzt war er CIO beim Windturbinenbauer Nordex Acciona Windpower AG in Hamburg.
Bernd Süßmann
Bernd Süßmann ist seit September 2018 Head of Corporate IT bei der SAS Automotive in Karlsruhe, einem Joint Venture zwischen Continental and Faurecia. Er trägt dort die Gesamtverantwortung für die IT, führt dabei 80 Mitarbeiter und berichtet an den CFO des Unternehmens, Ekkehard Klautke.
Bernhard Pluhatsch
Bernhard Pluhatsch ist seit Oktober 2018 neuer Head of IT, Transmission Systems bei Magna Powertrain Transmission Systems (MPT TS) in Untergruppenbach bei Heilbronn. Er kommt von der Nürnberger Leoni AG, wo er von 2002 bis 2018 Vice President IT Infrastruktur war.
Michael Simon
Michael Simon (56) ist seit 1. Juli 2019 der Leiter Zentral IT und CIO der Volkswagen Retail Group. Er berichtet an die Geschäftsführung. Zuvor war der studierte Informatiker seit 2015 Leiter IT bei der Weiss Umwelttechnik GmbH. Insgesamt bringt er Erfahrung aus drei Jahrzehnten als Fach- und Führungskraft in der IT mit, unter anderem bei der Salzgitter AG Group.
Simon Blankenstein
Seit Oktober 2022 verantwortet Blankenstein als CIO die IT der Huf Group. Er berichtet an CFO Rainer Heupel. Zu seinen wichtigsten Aufgaben gehört der weltweite Rollout von SAP S/4 HANA.
Tommy Andreasen
Nach der Fusion von MAN Diesel und MAN Turbo wurde Tommy Andreasen, vorher CIO von MAN Diesel, Anfang 2010 CIO der neu geschaffenen MAN Diesel & Turbo Gruppe. In den vergangenen 20 Jahren übernahm Tommy Andreasen innerhalb der MAN Diesel Gruppe verschiedene Management Positionen, schwerpunktmäßig im Bereich Finanzen und Controlling. Im Jahr 2000 wurde er Head of Information Technology bei MAN Diesel in Dänemark und entwickelte und führte eine neue IT-Strategie ein. 2006 wurde er dann CIO des gesamten MAN Diesel Konzerns.

Vorteile verspricht sich Brecht auch von OpenSource-Software. Insbesondere die hohe Innovationsgeschwindigkeit in der Community spreche für Open Source, aber auch die eingesparten Lizenzkosten im Vergleich zu kommerziellen Systemen. Für viele IT-Mitarbeiter und potenzielle Bewerber sei es zudem attraktiv, sich in Open-Source-Projekten zu engagieren. Auch im Rechenzentrumsumfeld setzt die Daimler AG weltweit Open-Source-Software ein - von Linux-Betriebssystemen über Datenbanken und Middleware-Lösungen bis hin zu modernen Cloud-Umgebungen wie Kubernetes.

DevOps und Cloud

Das Thema DevOps ist für den CIO ein weiterer Faktor, um den IT-Betrieb zu beschleunigen: "Ein Drittel unserer Aktivitäten wickeln wir bereits über DevOps-Strukturen ab, Tendenz steigend." In diesem Kontext spielt auch Cloud Computing eine wichtige Rolle. Brecht: "Wir nutzen die Skalierungs- und Elastizitätsvorteile der großen Hyperscaler."

Allerdings gebe es auch gute Gründe für eine On-Premises-IT, insbesondere wenn es um schützenswerte Daten und um Kostenvermeidung gehe. Besonders rechenintensive Simulationsaufgaben in der Entwicklung etwa ließen sich mit internen Ressourcen kostengünstiger erledigen. Ob Daimler eines Tages auch den SAP-Betrieb in die Cloud verlagert, ist noch nicht entschieden. Entscheidend sei, ob ein Cloud-Betrieb der Applikationen Kostenvorteile bringe.

Zeitenwende bei Daimler: Im Mai 2019 loste der Schwede Ola Källenius den langjährigen Vorstandschef Dieter Zetsche ab.
Foto: Daimler AG

In allen Überlegungen steht auch das Thema Security im Mittelpunkt. Grundsätzlich geht es Brecht darum, Sicherheitsaspekte von Anfang an in den Softwareentwick­lungsprozess zu integrieren, statt nachträglich Anpassungen vorzunehmen. Das erfordere vor allem von den Entwicklern ein Umdenken. Die Security-Bedrohungen und daraus erwachsene Anforderungen an die IT hätten massiv zugenommen: "Es geht längst nicht mehr nur darum, geistiges Eigentum zu schützen, sondern auch um Kunden-, Produkt- und Produktionsdaten." Das mache IT-Projekte komplexer und anspruchsvoller.

Die Unternehmens- und IT-Fakten der Daimler AG.
Foto: Daimler AG

Die Mitarbeiter ("People in IT") sind für Daimler der entscheidende Erfolgsfaktor, wenn es gilt, das Tempo zu erhöhen. Brecht verfolgt einerseits nach innen gerichtete Maßnahmen wie die Initiative "#TwiceAsFast certified", die unter anderem Schulungen für das Senior Management im Hinblick auf die fünf Prioritäten der Daimler-IT umfasst. Andererseits hat Daimler diverse Maßnahmen angestoßen, um sich als attraktiver Arbeitgeber für IT-Experten zu positionieren. Dazu gehören etwa Kampagnen auf YouTube und LinkedIn. "Wir suchen insbesondere Data Scientists und AI-Experten", beschreibt Brecht die Anforderungen, "aber auch Cloud-Spezialisten, IT-Architekten und natürlich Security-Fachleute."

Künstliche Intelligenz (KI) ist für den IT-Chef ein Querschnittsthema, das in viele Prozesse eingewoben sei. Das Paradebeispiel liefert das autonome Fahren. Der schwäbische Autobauer nutzt KI und Machine Learning aber auch im Backend, für Finanzprognosen und Bot-gestützte Interaktionen im IT-Bereich. Schon seit Längerem gibt es KI-basierte Prozesse in der Entwicklung und der Produktion.

Daten sind die Basis für solche Einsatzszenarien, und wie viele andere Großunternehmen kämpft auch Daimler mit einer Vielzahl gewachsener Silos. Brecht steuert zum Beispiel mit der Cloud-basierten Analytics-Plattform eXtollo dagegen, die weltweit im Konzern verfügbar ist.

Blockchain für die Lieferkette

In Sachen Blockchain war Daimler früh aktiv. Schon 2017 platzierte der Konzern eine Unternehmensanleihe mit Hilfe von Blockchain-Technik auf dem Markt. Im Februar 2019 starteten die Schwaben gemeinsam mit dem Softwarehersteller Icertis einen Blockchain-Pilotversuch für transparentere Lieferketten.

Brecht kann sich als weiteres Einsatzgebiet auch die sicherere Dokumentation von Fahrzeugdaten vorstellen. Im Zeitalter der vernetzten Automobile, die permanent auch Bewegungsdaten und Informationen zum Fahrverhalten senden, gewinne das Thema an Bedeutung. Den aktuellen Hype um Blockchain- und Distributed-Ledger-Konzepte sieht er dennoch kritisch: "Blockchain-Technologien werden eher in der Nische produktiv zum Einsatz kommen, weniger in der Breite."

Technische Fragen bilden für den CIO aber nur eine von drei Dimensionen der digitalen Transformation. Um als Unternehmen langfristig erfolgreich zu sein, müssten methodische und kulturelle Aspekte hinzukommen. Konzernweit hat Daimler beispielsweise das Programm "Leadership 2020" gestartet, in dem es um kulturelle Themen, Agilität und cross-funktionale Teams geht. Agile Methoden, so Brecht, sollten nicht nur in der IT, sondern auch in den Fachabteilungen eingesetzt werden. Der typische Product Owner in Scrum-Teams etwa komme meistens aus einem Fachbereich.

Innovationen entständen im Konzern grundsätzlich dort, wo auch das Fachwissen sei. Daimler habe dafür eine "Lab-Struktur" etabliert, deren Einheiten größtenteils in den Domänen angesiedelt sind, zum Beispiel in der Produktion. Eine Ausnahme bildet das Lab 1886, in dem Kollegen bereichsübergreifend an neuen Geschäftsmodellen arbeiten. Hier entstanden beispielsweise die Ideen für den Car-Sharing-Dienst car2go und die Mobilitäts-App moovel. An Input mangele es nicht, beteuert der CIO. Die Schwierigkeit bestehe eher darin, die erfolgversprechendsten Projekte auszuwählen: "Wir müssen vor allem die Frage beantworten: Was machen wir nicht?"

Lessons Learned

Mit den bisher erzielten Ergebnissen in Sachen IT-Beschleunigung zeigt sich Brecht zufrieden. Die Strategie, #TwiceAsFast quasi als "Leitplanke" zu definieren und den Teams zugleich viele Freiheiten in der Umsetzung zu lassen, habe sich ausgezahlt. Dazu gehört für den CIO auch, in den eigenen Reihen die Kompetenz für Hardware und Software auszubauen.

Angesichts der massiven Umbrüche in der Automobilbranche hat sich Brechts Verständnis des Begriffs Geschwindigkeit verändert. Er sieht darin nicht nur einen Erfolgsfaktor, sondern "eine Strategie an sich". An das Konzept der Bimodal IT glaubt er dagegen nicht mehr. Als global tätiger Konzern brauche Daimler auch im Backend eine Agilisierung, die sich beispielsweise über APIs erreichen lasse: "Ich glaube an EINE Geschwindigkeit. Und die ist schnell."