Fidor ist Banktech

Wie die Fidor Bank Kunden in den Mittelpunkt stellt

11.09.2015 von Karin Quack
Fidor ist Banktech - eine Mischung aus Bank und Fintech. Mehr als die Hälfte der Angestellten sind Techniker und Softwareentwickler. Die haben ein eigenes Banksystem gebaut - mit Middleware, dem "Fidor Operating System", sowie einem eigenen Scoring-System für die Bonitätsprüfung der Kunden.

Wir verstehen uns eigentlich nicht als Fintech, sondern eher als ein Banktech, sagt Florian Moser, verantwortlich für Business & Product Development der Fidor Bank. Und was ist der Unterschied? "Die Fidor Bank arbeitet bereits seit 2010 als Bank mit echter Banklizenz - mit allen Konsequenzen hinsichtlich Compliance und Bafin-Anforderungen. Das sind die Aspekte, denen Fintech-Unternehmen gern aus dem Weg gehen." Aber genau dadurch nähmen sie sich oft die Flexibilität.

Während die Fintechs oft mit einer oder mehreren Banken im Hintergrund operieren oder ihre Zahlungen darüber abwickeln, kann Fidor selbst die Services anbieten, die Otto Normalkunde von einer Bank erwartet: vom Girokonto über Dispo und Kreditkarte bis zum Sparbrief sowie internationale Zahlungen über das Ripple-Netzwerk. Nur eben schneller, einfacher, innovativer und oft auch günstiger, wie Moser versichert.

Florian Moser, verantwortlich für Business & Product Development der Fidor Bank
Foto: Florian Moser

Wer sich in den Münchner Hinterhof verirrt, wo die Fidor Bank ihre Zentrale hat, glaubt schnell zu wissen, wieso Fidor günstiger sein kann als herkömmliche Banken: Hier wird weniger in Marmor investiert als in Technik. Statt einer zehn Stockwerke hohen Eingangshalle erwartet den Besucher ein schlichter Empfangstresen direkt neben einem Dashboard, das die aktuelle Geschäftsentwicklung anhand von Schlüsselindikatoren in Echtzeit visualisiert.

So arbeitet die Fidor Bank

Viel Werbung macht Fidor nicht. Die mehr als 90.000 Kunden wurden eigenen Angaben zufolge weitgehend durch Mund-zu-Mund-Propaganda und gezieltes Online-Marketing gewonnen. Und sie blieben, weil sie gegenüber anderen Banken nicht nur Geld sparen - das Konto ist kostenlos, der Dispokredit schlägt mit derzeit 6,3 Prozent per annum zu Buche, für ein Guthaben auf dem Gehaltskonto gibt es 0,5 Prozent. Sondern auch, weil sie schnell (sogar sonntags) und unkompliziert (oft auch über eine Mobile App) einen Kredit bekommen, internationale Zahlungen anstoßen, Edelmetalle oder Fremdwährungen kaufen und verkaufen können.

Kreditkartentransaktionen in Echtzeit als Nachricht aufs Handy, sofort verfügbare "Notruf"-Kredite für finanzielle Engpässe oder Deutschlands erste integrierte Master- und Maestrocard inklusive Paypass-Funktion sind weitere Pluspunkte, die vor allem Privatkunden anziehen. Seit 2013 wurden laut Florian Moser, verantwortlich für das Business & Product Development bei Fidor, zudem schon 7000 Inhaber von Geschäftskonten gewonnen.Grundlage dafür ist eine reibungslos funktionierende IT. Geschäftsabschlüsse binnen 60 Sekunden seien mit den handelsüblichen Kernbanksystemen nicht möglich, heißt es von Seiten der Fidor-Verantwortlichen. Ein "Marktplatz" mit Angeboten auch von Drittunternehmen wäre damit ebenfalls nicht darstellbar.

Die Softwarearchitektur der Fidor Bank

Schaltzentrale des Banksystems ist die Middleware FidorOS. Hier werden traditionelle und neue Bankfunktionen sowie Social-Banking-Features miteinander verknüpft

Moser führt den Erfolg des Unternehmens - Fidor war eigenen Angaben zufolge schon nach vier Jahren profitabel - vor allem auf die Fidor-eigene Software zurück. Von den 130 Mitarbeitern der Bank sind 65 in der Tochter Fidor TecS AG beschäftigt, darunter etwa 35 Softwareentwickler. Deren größte Leistung bislang ist die Entwicklung eines eigenen Middle-Layers, Fidor Operating System (FidorOS) genannt. Der ist über eine Schnittstelle (nach Simple Object Access Protocol) mit dem darunterliegenden Kernbanksystem ("Bancos" von G&H) verbunden und besitzt eigens entwickelte Anwendungsschnittstellen ("RESTful APIs"), auf denen die eigenen Frontend-Applikationen oder Drittanbieter aufsetzen können. FidorOS fungiert damit als "Beschleuniger" für das an sich langsame Kernbanksystem. Zudem können auf diese Weise auch Drittangebote im Konto angebunden werden.

Eigenen Angaben zufolge stellt Fidor TecS die APIs auch anderen Unternehmen aus dem Fintech-Umfeld zur Verfügung. So richtet beispielsweise das Kreditvergleichs- und Peer-to-Peer-Lending-Portal Smava über die Fidor-API Kundenkonten ein. Und Bitcoin.de ermöglicht damit den Echtzeithandel mit Bitcoins.

Matthias Kröner, Gründer und Geschäftsführer von Fidor
Foto: Matthias Kröner

Der Gründer und Geschäftsführer des Bankunternehmens, Matthias Kröner, hat bereits eine bewegte Karriere hinter sich: Er kommt ursprünglich aus der Hotellerie, sattelte dann um und wurde Assistent der Geschäftsleitung beim Münchner Bankhaus Maffei. Dort lernte er offenbar einiges, denn 1994 wurde er Mitbegründer der Direkt Anlage Bank (DAB), die er mehr als neun Jahre als CEO leitete. Auf dem Umweg über die Kölsch Kröner & Co. AG rief er 2007 die Fidor Bank ins Leben. Das heißt, er beantragte eine Banklizenz, deren Gewährung sich allerdings etwas länger hinzog als erwartet, weil sie, wie Kröner erläutert, zeitlich mitten in die Finanzkrise fiel.

Social Banking

In der Zwischenzeit rief Kröner eine Community ins Leben, mit deren Hilfe er herausfinden wollte, was die potenziellen Kunden überhaupt von einer Bank erwarten. Mittlerweile können sich dort 290.000 registrierte Teilnehmer mit unterschiedlichen Vorkenntnissen über Finanzthemen austauschen - und für ihre Ratschläge an andere auch noch Boni kassieren. Bislang wurden, so Kröner, insgesamt mehr als 430.000 Euro ausgezahlt,

Diese Community ersetzt die Bankberater, die, wie Kröner aus Erfahrung weiß, bevorzugt Produkte empfehlen, für die sie hohe Provisionen kassieren. Im Durchschnitt wartet ein Community-Mitglied nur sieben Minuten auf die erste Antwort, nachdem es eine Frage platziert hat.

Damit sich hier keine schwarzen Schafe einschleichen, verifiziert Fidor jeden aktiven Teilnehmer mit einem "Community-Karma". Das speist sich aus den Aktivitäten und Spuren, die er oder sie auf der Community-Plattform hinterlässt - ergänzt durch andere Informationen, beispielsweise Social-Media-Daten, sofern er oder sie die freigeben will. Eine datenbasierende Anwendung, deren Algorithmus Fidor zusammen mit der Alexander Thamm GmbH entwickelt hat, analysiert in Echtzeit alle Aktivitäten in der Community und so einen ersten Schritt in Richtung "Social Scoring".

Auf ähnliche Art und Weise bewertet Fidor auch die Bonität seiner Kunden. "Wir verlassen uns nicht auf die intransparenten Auskunftsdateien, sondern haben zudem unser eigenes Kredit-Scoring entwickelt", erläutert Moser. Das ermögliche beispielsweise eine Echtzeitbewertung auf Basis der Kontobewegungen eines Kunden.

Das Community-Karma ist auch für andere Fidor-Kunden sichtbar. Das ist insofern sinnvoll und wichtig, als die Bank auch eigene Funktionalität für ein Peer-to-Peer Lending bereitstellt, also für Kleinkredite, die sich die Kunden untereinander gewähren. Hier sind Informationen über den anderen Teilnehmer ein Faktor, der Transparenz und Vertrauen schafft.

Insgesamt verwaltet die Fidor Bank 280 Millionen Euro an Krediten und 330 Millionen Euro an Einlagen. Gerade erst wurde Fidor UK an das Zahlungssystem angeschlossen; im kommenden Jahr soll Fidor USA folgen. Aber Kröner will nichts überstürzen: "Wir wollen nur so schnell wachsen wie unsere Kredite." Überhaupt sei er nicht angetreten, um die traditionellen Banken zu kopieren: "Wir kümmern uns um das Geld der Kunden, aber in einer für den Kunden effizienten, transparenten und fairen Art und Weise." Deshalb habe Fidor auch keinen Investment-Zweig: "Wir spekulieren nicht mit dem uns anvertrauten Geld."

Die Technik soll diesen "Kultur"-Ansatz bestmöglich unterstützen. Sie ist für die Fidor Bank das Mittel zum Zweck, den Kunden wirklich in den Mittelpunkt des Geschäfts zu stellen. Oder wie der Gründer auf Neudeutsch sagt: "It`s coded attitude."