CIO-Strategie

Wie Generative AI das Business transformiert

06.07.2023 von Alexei  Zhukov
CIOs können dazu beitragen, das Potenzial der generativen KI auszuschöpfen. Der Weg führt über ein gründliches Assessment zur KI-Strategie mit konkreten Use Cases.
Wie gelingt der Einstieg in die generative KI? Unternehmen müssen viel experimentieren, sollten nach einem gründlichen Assessment aber auch eine KI-Strategie entwickeln.
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Seit den Anfängen der künstlichen Intelligenz (KI) im Jahr 1956 wurden die Fähigkeiten der Technologie stetig weiterentwickelt und zu groß angelegten Sprachmodellen (Large Language Models, LLMs) ausgebaut. 2021 kam damit eine neue Art von KI auf den Markt, die in der Lage ist, eigenständig schriftliche, visuelle und auditive Inhalte zu erstellen. Jenseits der ersten Anwendungen, über die schon viel berichtet wurde, wird generative KI das gesamte Unternehmen beeinflussen.

Mit zunehmender Akzeptanz verschieben sich Geschäftsmodelle und Wettbewerbsvorteile, da Unternehmen horizontale, vertikale und funktionale LLMs nutzen, um ihre eigenen Tools zusätzlich zu den bestehenden Fähigkeiten auf dem Markt zu entwickeln. Generative KI-Technologie gestaltet die Zukunft nicht nur mit - sie erschafft sie geradezu. Von der Biopharmazie bis zum Gebäudedesign - die Auswirkungen der generativen KI sind unübersehbar. Sie steigert die Effizienz, fördert Innovationen und definiert die Grenzen des Machbaren neu.

Inzwischen haben einige Studien untersucht, welche Auswirkungen die KI auf die verschiedenen Bereiche der Wirtschaft haben wird. Bei 80 Prozent der Arbeitskräfte dürften mindestens zehn Prozent der Aufgaben betroffen sein, bei 19 Prozent der Beschäftigten sogar mehr als 50 Prozent. Insgesamt 300 Millionen Vollzeitarbeitsplätze könnten potenziell weltweit automatisiert werden.

Zugleich könnte generative KI das jährliche globale Bruttoinlandsprodukt (BIP) um sieben Prozent steigern. Die Produktivitätssteigerung für eine Reihe von Aufgaben und Prozessen kann mehr als 50 Prozent erreichen. Die kombinierten Auswirkungen von Produktivitätssteigerungen und Umsatzwachstum können den Unternehmenswert erfolgreicher Frühanwender laut den Erhebungen um bis zu 20 Prozent steigern.

Vom Experiment zum Regelbetrieb

Der Einstieg in die generative KI erfolgt vielerorts aus dem Impuls, mit einzelnen Funktionen zu experimentieren und anschließend immer mehr Aufgaben im Regelbetrieb an die KI zu übergeben. Wer diesen Weg beschreitet, muss besonders die Risiken und rechtlichen Implikationen des KI-Einsatzes beachten. In dem Maße, in dem neue Geschäftsmodelle entstehen und Unternehmen beginnen, ihre eigenen generativen KI-Tools zu entwickeln, müssen Einschränkungen in Bezug auf Datengenauigkeit, Vertrauenswürdigkeit, Datenschutz und Sicherheit angegangen werden.

Bei vielen Anwendungen muss auch die Prüfung der Korrektheit der Ergebnisse großen Raum einnehmen - die Qualitätsbedenken gegenüber den Inhalten, die ein LLM ausgibt, sind berechtigt. Auch die Trainingsbedingungen der KI sind immer wieder Thema der öffentlichen Diskussion - sehr häufig enthalten sie ein Bias, der bei der Ausgabe wieder aufscheint. Hier besteht die Gefahr der Diskriminierung.

Während Privatanwender meist direkt mit der praktischen Anwendung beginnen, muss ein Unternehmen zwingend erst die genannten rechtlichen Bedenken aus dem Weg räumen. Das Potenzial der KI wird nur mit einem umfassenden Assessment und einer darauf aufbauenden Strategie auszuschöpfen sein. Der IT-Dienstleister EPAM etwa hat ein praktikables Verfahren entwickelt und erprobt, das aus diesen zwei Elementen einen Fahrplan zur KI-basierten Transformation des Unternehmens erstellt.

Fahrplan zur KI-basierten Transformation

Im Zentrum stehen dabei die Unternehmensdaten. Branchen- und firmeneigene Datenquellen werden auf einer Transformationsplattform analysiert, um die potenziellen Auswirkungen generativer KI auf das Unternehmen zu bewerten und strategische Anwendungsfälle zu priorisieren. So entsteht eine Roadmap, die Wettbewerbsvorteile schafft.

Angesichts des zu erwartenden breiten Einsatzes generativer KI müssen Unternehmen zunächst die potenziellen Auswirkungen auf ihr Betriebsmodell und ihre Kostenstruktur bei Produkten, Dienstleistungen, Prozessen und Arbeitsplätzen bewerten. Das Assessment beginnt also mit einer Analyse der zu erwartenden Kosten und stellt sie dem erwartbaren Zuwachs beim Umsatz gegenüber. Für die Verbesserung der Produktivität und die Senkung der Kosten gilt: Ein integrierter, möglichst breiter Einsatz generativer KI wird helfen, auch die Ergebnisse zu maximieren.

Jedes Unternehmen hat eigene Assets, von denen abhängig ist, ob die Menge und Qualität der Daten zum Bau eines eigenen LLM ausreicht. Für die Neukonfiguration der Prozesse wird Zeit und Personal nötig sein. Die Anwendung von GPT-Technologien (Generative Pre-trained Transformer) erfordert zudem die Beteiligung von Menschen, die kurzfristige Unzulänglichkeiten beheben. Die notwendige Verfeinerung der Rollen einzelner Arbeitsplätze umfasst die Aufgabenzerlegung, -erweiterung, -automatisierung und -rekombination.

Am anderen Ende geht es um Umsatzwachstum, die Ausweitung der Marktanteile, Rentabilität und die Verbesserung des Unternehmenswerts. So werden Führungskräfte mithilfe der KI in die Lage versetzt, auf einer besseren Datengrundlage Entscheidungen zu fällen. Personalisiertes Marketing, Produktempfehlungen und positive Benutzererfahrungen erhöhen die Kundenbindung und die Konversionsraten. Neue KI-gesteuerte Produkte und Dienstleistungen könnten Kundenbedürfnisse passgenauer bedienen und so neue Einnahmequellen erschließen. Unternehmen können beispielsweise Preisregeln mithilfe von KI automatisieren, Kundensegmente und Rabatte sowie auch das Pricing optimieren. Im Kundenservice dürften schnellere und präzisere Antworten sowie eine proaktive Unterstützung zu einer höheren Kundenzufriedenheit und Loyalität führen.

Ein Workshop zur Identifikation der Chancen

Um die Innovations-Pipeline generativer KI in Gang zu bringen, folgt auf das "Rapid Enterprise Assessment" ein Workshop. Er hilft dem Team, diejenigen Möglichkeiten zu identifizieren, die auf dem Markt etwas bewirken werden. Dies aber hängt davon ab, welche Daten wo in welcher Form vorliegen. Am Ende steht die Empfehlung eines Portfolio an generativen KI-Fähigkeiten, die es erlauben, die Nutzung in Prozessen, Produkten und Jobs zu beschleunigen.

Der Workshop berücksichtigt drei Ebenen: Beim Business geht es um einen Überblick über die möglichen Auswirkungen der KI aufs Geschäft. Im Ergebnis werden AI Use Cases identifiziert und genauer bestimmt. Bei den Data Assets werden die Datengrundlagen, deren Governance und die Analysekapazitäten untersucht - Datenlücken können so geschlossen werden. Auf der Ebene der Organisation wird ein "GenAI Center of Excellence" eingerichtet, das Experten aus allen Bereichen zusammenbringt und eine stetige Weiterentwicklung sicherstellt. So entstehen eine KI-Strategie sowie eine konkrete Roadmap für die weitere Entwicklungsarbeit.

Auf dem Weg zur "Generative AI Strategy"

Aufbauend auf dem Rapid Enterprise Assessment ermöglicht die generative KI-Strategie strategische und taktische Entscheidungen, die frühzeitig "No-Regret"-Maßnahmen identifizieren, mit denen man am Anfang nichts falsch machen kann. Die Investitionen werden auf differenzierende Vermögenswerte und Fähigkeiten konzentriert. Die wichtigsten Bestandteile der KI-Strategie umfassen:

Industrie: Von der Befähigung bis zur Disruption. Machine Learning und generative KI werden weitreichende Auswirkungen auf alle Branchen haben.

Menschen: Der effektive Auf- und Ausbau generativer KI-Fähigkeiten erfordert Investitionen in die Entwicklung von Mitarbeiterfähigkeiten.

Die effektive Nutzung und Integration von generativen KI-Funktionen wird Plattformen, Produkte und Dienstleistungen erheblich verbessern.

Generative KI ermöglicht eine radikale Umgestaltung von funktionalen und funktionsübergreifenden Prozessen durch Umstrukturierung, Neuordnung, Eliminierung und Kombination zusammengehöriger Schritte und verleiht den Kerngeschäftsprozessen mehr Agilität.

Kosten und Effizienz: Es gibt zahlreiche Anwendungsfälle generativer KI, die Effizienz- und Produktivitätssteigerungen ermöglichen und sich auf den Gesamtbetrieb und die Infrastruktur auswirken.

Sicherheit: Unternehmen müssen sich mit einer Reihe von Aspekten auseinandersetzen, darunter der Schutz der Privatsphäre, die Behebung von Schwachstellen, die Entwicklung von Offensiv- und Defensivstrategien sowie das Einhalten gesetzlicher Vorschriften.

Es geht um Wachstum und Innovation: Innovative Use-Cases und Assets, die durch generative KI ermöglicht werden, erweitern die Fähigkeiten des Unternehmens. Das führt zu Wachstum und zur Transformation des Betriebsmodells.

Weil generative KI die Märkte verändert, müssen Unternehmen wichtige KI-Partnerschaften weiterentwickeln und in sie investieren. Das kann sich auf das Partner-Ökosystem insgesamt positiv auswirken.

Ausblick: Die Phasen der KI-Transformation

Eine Vorstellung vom potenziellen künftigen Betriebsmodell und von den finanziellen Auswirkungen ist entscheidend für die Entwicklung der Argumente, die für die Veränderungen sprechen. EPAM etwa verwendet einen "Leuchtturm-Ansatz", um zu projizieren, wie sich diese Auswirkungen entwickeln könnten. Anschließend folgt der "Backcasting"-Ansatz, um den besten Ausgangspunkt für kurzfristige Gewinne des Unternehmens zu ermitteln. Das Backcasting-Framework erstellt eine umfassende Roadmap für die Technologie-, Personal- und Prozessentwicklung, die erforderlich ist, um den Idealzustand, den so genannten Leuchtturm, zu erreichen. Dieser Ansatz konzentriert sich auf die richtigen KI-Initiativen, auf die Priorisierung der Investitionen und auf das Erreichen kurz- und langfristiger Effekte.

Die potenzielle "Gen AI Transformation Journey" führt durch drei Phasen: Die Entscheidungsfindung wird auf Basis erster Use-Cases erleichtert. Dann wird die Produktivität mithilfe von Use-Cases angereichert, die bereits auf verfeinerten LLM-Modellen beruhen. In Phase drei entstehen echte Innovationen aus differenzierten Use-Cases mit speziellen KI-Assets.

Um einen echten Nutzen zu erzielen, brauchen Unternehmen über angemessenes Datenmanagement, eine Datenkuratierung und ein Wissensmanagement. Nur so lassen sich die neuen Technologien effektiv in Prozesse und Produkte einbauen und optimal einsetzen. Mit verbesserten Daten- und KI-Fähigkeiten können sich Unternehmen vom Wettbewerb abheben und echte Fortschritte erzielen. (wh)