"Die Vernetzung der Welt"

Wie Google die Welt sieht

15.05.2013 von Uwe Sievers
"Die Vernetzung der Welt" - das Buch der Google-Manager offenbart Ziele und Strategien des Konzerns.
Eric Schmidt, Jared Cohen: Die Vernetzung der Welt. Ein Blick in unsere Zukunft. Erschienen im Rowohlt Verlag, Reinbek 2013
Foto: Rowohlt Verlag

Wenn Google Manager schreiben: "Die Nutzer geben mehr von sich preis, als sie ahnen", dann sollte das nachdenklich stimmen. Dieser Datenstrom sei für Behörden und Unternehmen ein Geschenk, meinen Eric Schmidt und Jared Cohen. Ex-CEO Schmidt und Cohen, Chef von Googles Thinktank, setzen sich in ihrem Buch "Die Vernetzung der Welt" mit der Zukunft des digitalen Zeitalters und den gesellschaftlichen Konsequenzen auseinander. "Die Online-Identität wird in Zukunft das wertvollste Gut der Bürger sein", lautet eine These der beiden Google-Führungskräfte. Sie fordern daher, dass in Zukunft "Eltern ihre Kinder zuerst über Privatsphäre und Datenschutz aufklären, bevor sie mit ihnen über Sex sprechen."

Anders als Cohen und Schmidt nahelegen, war Google bisher allerdings eher Teil des Problems, als der Lösung. Für seine Sammelwut persönlicher Daten erhielt das Unternehmen kürzlich den wenig begehrten Big Brother Award der Datenschutzvereinigung Digitalcourage. Da durch die Verknüpfung der Nutzerdaten umfassende Persönlichkeitsprofile entstehen, bildete die EU sogar eine Task Force um gegen Google zu ermitteln. Nun jedoch mahnen Schmidt und Cohen: "Wenn wir uns nicht für unsere Privatsphäre einsetzen, werden wir sie verlieren". Mit Widersprüchen hat man bei Google scheinbar wenige Probleme.

Mit Aggressivität wachsen

In ihrem Buch geben sich Cohen und Schmidt als Weltverbesserer, die ihr Ziel durch den Einsatz neuer Technologien erreichen wollen. Dabei setzen sie auf die Macht der Internet-Giganten: "Wir sind überzeugt, dass Portale wie Google, Facebook, Amazon oder Apple weitaus mächtiger sind, als die meisten Menschen ahnen". Diese wirtschaftlich konstituierte Macht basiere auf der Fähigkeit, mit einer Geschwindigkeit, Effizienz und Aggressivität zu wachsen, wie es sonst nur biologische Viren vermögen würden. Das verändere nicht nur die gesellschaftlichen Spielregeln, sondern auch Werte und Normen. Neue Formen kollektiven Handelns würden daher ebenso notwendig, wie neue gesellschaftliche Regeln und das "in einem Feld bei dem keine Gesetzgebung mithalten kann". Die diesbezüglichen Vorstellungen der Autoren bleiben allerdings abstrakt.

Die Google Manager fragen nach der zukünftigen Rolle des Staates. Das Internet sehen sie als "größten unregulierten Raum der Welt" und damit als "das größte Anarchismusexperiment aller Zeiten". Sie kommen zu dem Schluss, "dass Staaten und Institutionen einen Teil ihrer Macht verlieren werden". Ob daraus jedoch ein Machtzuwachs für die Bürger erwächst, wie die Autoren meinen, oder eher für die Internet-Giganten, bleibt abzuwarten.

Politischer Einfluss

Die politische Bühne ist für die beiden Autoren nicht neu: Während Schmidt als Berater von US-Präsident Obama fungierte, wirkte Cohen als Berater von US-Außenministerin Hillary Clinton und Condoleeza Rice. Nun vertreten sie Googles Interessen und im Buch wird deutlich, welche politische Rolle dem Giganten inzwischen zukommt. Die Autoren berichten von zahlreichen Gesprächen mit Regierungsvertretern verschiedener Länder. Nach Krisen, Katastrophen und Umstürzen ging es in diesen Gesprächen um die Rolle der Kommunikationsinfrastruktur für den Wiederaufbau. Die Autoren widmen diesem Thema ein eigenes Kapitel. Darin betonen sie die Bedeutung dieser Technologie für die politische Entwicklung der betroffenen Länder. Letztlich geht es dabei aber um Kundengewinnung: Länder erschließen heißt für Google zugleich neue Kunden gewinnen. Die politische Sicht der Google Manager wird von der Unternehmersicht bestimmt.

Google X
Dabei handelte es sich um eine neu gestaltete Google Websuche, die sich am Design von MacOS X anlehnte. Google startete Google X Site im Jahr 2005. Bereits nach einem Tag wurde die Seite ohne Angabe von Gründen wieder offline genommen.
Google Answers
Die Anwender durften Google Answers Fragen stellen. Für die Antwort sollten die Fragesteller aber bezahlen. Das zog nicht, Google beerdigte 2006 das Frage-Antwort-Spiel.
Google Catalogue
Google Catalogue war/ist ein Preiskatalog für Waren, eine Art Online-Warenhaus.
Google Checkout
Dabei handelte es sich um ein Bezahlsystem von Google, das mit Ebay Paypal konkurrieren sollte.
Google Coupons
Das waren eine Art webbasierter Einkaufsgutscheine, die in Google Maps angezeigt werden sollten. Einen solchen Gutschein tatsächlich einmal zu finden, gleicht der Suche nach dem Monster von Loch Ness.
Google Labs
Hier brüten die Google-Entwickler ihre neuesten Ideen aus. Einige schlagen ein, andere gehen unter.
Google Video Player
Google wollte mit seinem eigenen Video Player am Video-Rausch im Internet partizipieren. Doch die Akzeptanz blieb gering, im August 2007 beerdigte Google seinen eigenen Player.
Google Viewer
Eine Art von Websuche, die die Ergebnisse in einer Art Diashow präsentierte.
Google Voice Search
Die Seite von Google Voice Search ansurfen, die dort angegebene Telefonnummer anrufen und den Suchbegriff in den Telefonhörer sprechen. Dann zurück zum Browser und den Link auf der Google Voice Search-Seite anklicken. Danach sollte ein Fenster mit dem Suchergebnis erscheinen. So war der theoretische Ablauf. Viel zu umständlich, deshalb gefloppt.
Google Web Accelerator
Der Web-Beschleuniger sollte dem Surfen Beine machen. Und dabei kräftig Daten sammeln. Doch die Mehrheit der Nutzer surft auch ohne dieses Tool flott genug und vermeidet damit, dass Google noch mehr Daten sammelt.
Orkut
Mit Orkut startete Google seine eigene Social Community. In Brasilien wurde es zum Erfolg, doch hierzulande dominieren MySpace und Konsorten.

Wer von dem Buch sensationelle Enthüllungen erwartet, wird enttäuscht sein. Eine Beleuchtung der inneren Abläufe des Konzerns, wie sie etwa für Apple von Steve Jobs in seiner Biografie gegeben wurde, nehmen die Autoren nicht vor. Dafür kann das Buch mit interessanten Einblicken in die Denkweise der Google-Lenker aufwarten. Obwohl Schmidt und Cohen tief in der Technologiebranche verwurzelt sind, sehen sie Technologie nicht als Allheilmittel: Weder würden zukünftig menschliche Fähigkeiten überflüssig, noch "wird die virtuelle Welt die bestehende Weltordnung überholen oder erneuern".

Die Daten zum Buch

Eric Schmidt, Jared Cohen: Die Vernetzung der Welt. Ein Blick in unsere Zukunft
Rowohlt Verlag, Reinbek 2013
ISBN 9783498064228
Gebunden, 448 Seiten, 24,95 EUR
Aus dem Englischen von Jürgen Neubauer.

(Computerwoche)