Analysten-Kolumne

Wie komplett sind Business Intelligence Suiten wirklich?

20.06.2007 von Barney Finucane
Anbieter und Anwender träumen gleichermaßen von einer allumfassenden, sofort einsetzbaren Business-Intelligence-Lösung. Die Realität ist jedoch leider etwas anders, als sie oft in schicken Broschüren propagiert wird.
"Es ist unmöglich eine allumfassende BI-Suite von einem Anbieter zu finden," sagt BARC-Analyst Barney Finucane.

Tatsächlich sind fast alle Business-Intelligence-Werkzeuge "Authoring-Tools", die vor Ort Anpassung und Support benötigen, bevor die Applikation eingesetzt werden kann. Ein weiteres Problem wird ersichtlich sobald ein Kunde sein neues BI-Produkt installiert hat. Er findet nicht ein Produkt, sondern mehrere Produktkomponenten, die erst einmal verbunden und angeschlossen werden müssen. Spezifischer Inhalt kann nicht eingepflegt werden bevor dies geschehen ist.

Kein einzelnes Produkt kann alle Business-Intelligence-Bedürfnisse des Kunden decken. Nur wenige Anbieter versuchen zumindest ein "End-to-End"-Produkt zu entwickeln. In der Tat hat fast kein Anbieter alle seine Produktkomponenten selbst entwickelt - eine Folge des allgemeinen Konsolidierungswahn im Markt, mit dem Anbieter versuchen, Lücken im Portfolio zu schließen. Der Fokus der Anbieter liegt klar bei individuellen, relativ offenen Produkten, welche zu kompletten Lösungen kombiniert werden können.

Als Beispiel nehme man die drei typischen “Ebenen” einer Business-Intelligence-Lösung: Datenintegration, Daten-Management und das Frontend. Nur einige spezialisierte Anbieter kombinieren diese Ebenen zu einem Einzelprodukt. Man kann ein beliebiges Kundenprojekt nehmen, und man wird fast sicher auf verschiedene Produkte in jeder dieser Ebenen stoßen. Das Produkt in der einzelnen Ebene ist normalerweise in der Lage, mit mehr Produkten zu interagieren, als mit denen des Kundenprojekts. Genauer gesagt:

Die Unterscheidung zwischen diesen Ebenen ist nur eine Weise, in der Business-Intelligence-Produkte ihre Funktionen teilen. Die andere wichtige Unterscheidung ist die horizontale Trennung zwischen den verschiedenen Frontend-Werkzeugen, um dem Anwender andere Funktionen zu bieten. Um die Hauptfunktionen unterscheiden zu können, folgt eine kurze Übersicht:

Best-of-Breed ist nicht immer Best-for-Need

BI-Suiten sollten alle Arbeitsprozesse abdecken können.

Es gibt zwei verschiedene Ansätze, um beim Kauf eines Sets an Software-Werkzeugen Business-Intelligence-Bedürfnisse abzudecken. Beim ersten Ansatz, dem so genannte "Best-of-Breed“ Ansatz, nimmt man die besten am Markt befindlichen Produkte für jede spezifische Funktion und kombiniert sie zur Gesamtlösung.

Der Best-of-Breed-Ansatz ist sowohl für Anbieter als auch für Kunden sehr attraktiv. Aus Kundensicht ist man nicht gezwungen, ein zweitklassiges Frontend zu akzeptieren, um ein erstklassiges Datenbank-Produkt zu bekommen. Aus Anbietersicht kann man sich auch als kleiner, neuer Anbieter mit einem einzelnen spezialisierten Produkt am Markt platzieren, ohne gleich eine ganze Suite auffahren zu müssen. Ein gutes Beispiel dafür sind die Gruppe kleiner Anbieter, die alternative Frontend-Werkzeuge für SAP BW anbieten. Sie versuchen nicht, mit SAP auf breiter Front zu konkurrieren, sondern sie konzentrieren sich auf Schwachstellen im riesigen Portfolio und versuchen dort zu punkten.

Auch große Anbieter verfolgen den Best-of-Breed-Ansatz. Als Beispiel: Microsoft startete mit seinem Analysis Server 2000. Sieben Jahre später hatten sie immer noch kein Frontend- Produkt auf den Markt gebracht, dass wirklich alle Features der Datenbank nutzte. Im April 2006 kaufte Microsoft ProClarity und plant, den PerformancePoint Server bis Ende 2007 auf den Markt zu bringen. Aber eindeutig war Analysis Services für sechs Jahre auf den Best-of-Breed-Ansatz angewiesen.

Der Best-of-Breed-Ansatz hat auch Schwachstellen. Für den Kunden bedeutet er höhere Komplexität und mehr Kosten für Anwenderschulungen. Außerdem ist der Ansatz in den IT-Abteilungen unbeliebt, da diese meist eine Einzellösung bevorzugen. Erhöhte Kosten und Unsicherheiten im Support-Fall auf Grund von mehreren Anbietern - es besteht die Gefahr, dass sich die Anbieter gegenseitig die Schuld für technische Probleme in die Schuhe schieben - sprechen auch gegen den Ansatz.

Externe Implementierer schützen den Kunden vor den bedenklichsten Problemen des Best-of-Breed-Ansatzes. Diese Implementierer sind Unternehmensberatungen mit Erfahrung in Fragen der Poduktüberschneidungen und Langzeitbeziehungen mit Anbietern. So sind sie in der Lage mit Problemen fertig zu werden, die weder Kunde noch Anbieter zufriedenstellend lösen könnte.

Best-of-Breed-Risiken

Aber der Best-of-Breed-Ansatz kann auch risikoreich für Anbieter sein. Als Beispiel nehme man einen Anbieter der ein Frontend und eine Datenbank anbietet, aber kein Datenintegrationswerkzeug. Als Lösung könnte der Anbieter sich mit einem Anderen, der Datenintegration anbietet, zusammentun. Dies wäre eine schnelle, kostengünstige Strategie, um an den Markt zu kommen und beiden Firmen zu helfen. Aber was ist, wenn die Datenintegrationsfirma sich entschließt, selbst ein Frontend auf den Markt zu bringen? Dann sind aus Partnern plötzlich Konkurrenten geworden. Dies ist ein besonders akutes Problem: Die einfachste Weise für eine BI-Firma, mehr zu verkaufen, ist mehr Produkte an bereits existierende Kunden zu verkaufen. Neue Kunden zu finden, ist teuer und zeitaufwendig.

Da BI-Technologie gereift ist, wird es immer schwieriger für Anbieter, ihre individuellen Produkte aufzuwerten. Deshalb erweitern Anbieter ihre Portfolios, in der Hoffnung, schneller zu wachsen als der Markt und spezialisierte Anbieter vom Markt zu drücken.

Desweiteren verlieren die Kunden so langsam das Interesse an Best-of-Breed-Lösungen. Dies gilt insbesondere für große Unternehmen. Diese ändern inzwischen ihren Ansatz einzelne Lösungen für Abteilungen einzuführen und versuchen unternehmensweite BI-Strategien zu formulieren. Diese Unternehmen entdecken, dass die früheren "Laissez-faire"-Strategien ihnen einen bunten Mix von oft statischen, uneffektiven und nicht kompatiblen Werkzeugen beschert haben. Als Resultat sind derzeit Standardisierungsprojekte in großen Unternehmen an der Tagesordnung. Die Anbieter reagieren, indem sie teils überstürzt versuchen, Lücken im Produktportfolio zu schließen, oft durch Akquisition von spezialisierten Anbietern.

Ein weiterer sich herauskristallisierender Trend ist die Standardisierung und Generalisierung von BI-Werkzeugen unabhängig vom fachlichen Inhalt der Applikation. Ein gutes Beispiel hierfür ist Siebel Analytics. Siebel war ein unabhängiger Customer-Relationship-Management (CRM)-Anbieter bis das Unternehmen im September 2005 von Oracle gekauft wurde. Der Großteil von Siebels CRM-Software basierte auf Siebel Analytics, einem End-User orientierten Werkzeug, das Web-basierte Dashboards, ad hoc Reporting und Alerting beinhaltet. Oracle vermarktet CRM-Produkte genauso wie Siebel es tat, aber bietet auch Siebel Analytics als unabhängiges Produkt an - die Oracle Enterprise Edition. Der wichtige Unterschied ist hierbei, dass das Produkt nicht mehr als Plattform für CRM angesehen wird, sondern als Plattform für Corporate Performance Management (CPM). Dies ist technisch sinnvoll, da CRM- und CPM-Kunden ähnliche Funktionen benötigen. Sobald eine Plattform ausgereift ist, macht es wenig Sinn, die Plattformen anhand der Inhalte, die sie verwalten, zu unterscheiden, wenn die grundlegende Funktionalität die Gleiche ist.

Die Anzahl an angebotenen Produkten sinkt mit dem Trend zum Verbinden von Funktionen verschiedener Produkte in ein Einzelprodukt. Dieser Prozess lässt sich, wie oben erwähnt, am besten bei den Frontends beobachten. Dabei lässt sich immer schwerer zwischen Werkzeugen für ad hoc Browsing, Dashboards, Analyse Standard Reporting und Planung unterscheiden. Anbieter geben immer öfter an (mit unterschiedlichem Wahrheitsgehalt), dass sie Einzelprodukte haben, die all diese Funktionen beherrschen. Daraus folgt, dass inzwischen immer häufiger Planungsfunktionen in Reporting-Werkzeugen zu finden sind und Planung und Forecasting immer näher an Mainstream BI heranrücken.

Fazit

Wieviel Fortschritt gibt es also auf dem Weg zu ganzheitlichen BI-Suiten? Die Trends sind klar, die Resultate waren bisher wenig beeindruckend. Jeder der großen Anbieter im Business-Intelligence-Markt hat Defizite in seinem Produkt-Portfolio. In einigen Fällen sieht das Portfolio auf dem Papier gut aus. Aber nicht vorhandende Integration und die Existenz konkurrierender Produkte innerhalb des Portfolios behindern Marketing-Initiativen und verwirren Kunden. Andere Anbieter bieten komplette Produktlinien, aber können die Kundenbedürfnisse in Bezug auf Performance und Flexibilität nicht befriedigen. Andere wiederum haben einfach nicht die benötigten Produkte. Spezialisierte Anbieter bemühen sich, ihr Angebot zu erweitern, bleiben aber in ihren Marktnischen gefangen. Keiner der Big Player scheint in der Lage zu sein, auf innovativer Ebene mit kleinen Spezialisten konkurrieren zu können, die weiterhin auftauchen und wachsen.

Anbieter bemühen sich seit Jahren, ihre Angebote zu erweitern und zu integrieren. Aber diese Aufgabe hat sich als sehr schwierig erwiesen und Fortschritte wurden nur langsam erzielt. Für Kunden, die nach einer optimalen Lösung suchen, heißt das: Es ist immer noch unmöglich eine allumfassende BI-Suite von einem einzigen Anbieter zu finden.

Barney Finucane ist Analyst und Berater beim Business Application Research Center (BARC).