Künstliche Intelligenz

Wie man Mitarbeitern die Angst vor KI nimmt

13.11.2018 von Christiane Pütter
Wird Künstliche Intelligenz (KI) im Unternehmen eingeführt, bleibt kaum noch Zeit für Kunden und Kollegen – diese Sorge treibt Mitarbeiter am stärksten um. Gartner rät, mit assistierenden KI-Systemen zu argumentieren statt mit Lösungen, die Menschen ersetzen.
  • Die Akzeptanz für KI-Systeme hängt stark von der Branche ab
  • Jeder dritte Bank-Mitarbeiter erwartet durch KI-Systeme Unterstützung bei der Identifizierung von Trends
  • Fast jeder zweite Mitarbeiter eines Energieversorgers sieht durch KI die Arbeitsplatzsicherheit gefährdet

Google wird die Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Militär beenden, meldeten die Medien vor wenigen Monaten. Dahinter stecken die Mitarbeiter des Konzerns: manche von ihnen weigern sich, "in das Geschäft mit dem Krieg" involviert zu sein. Das betrifft zum Beispiel auch autonome, durch KI gesteuerte Waffen. So weit wird es nicht in allen Unternehmen gehen, doch der US-Marktforscher Gartner gibt in der Studie "How AI will impact industries from the workers' perspective" zu bedenken, welche Macht die Belegschaft haben kann.

Mitarbeiter von Google starteten eine Initiative gegen ein KI-Projekt, weil es militärische Zwecke unterstützt - der Konzern lässt das Projekt auslaufen.
Foto: achinthamb - shutterstock.com

Nach vielen Entscheider-Befragungen haben die Marktforscher nun erstmals rund 2.700 britische und US-amerikanische Mitarbeiter ab 18 Jahren befragt. Ungelernte und Geringqualifizierte haben ebenso teilgenommen wie Hochqualifizierte. Die Studie drehte sich weniger im KI an sich. Vielmehr ging es darum, welche Auswirkungen auf den eigenen Arbeitsplatz die Teilnehmer erwarten.

Gartner rät zu "Assistive AI"

Gartner sieht die Haltung mancher Befragter durch reißerische Medienberichte verzerrt. So bestehen einerseits starke Ängste in Sachen KI, andererseits auch große Hoffnungen. Die Befragung ergab drei Erkenntnisse:

Gartner rät Unternehmen daher, mit "Assistive AI" zu starten. Entscheider sollten Tools mit Spracherkennung nutzen und beispielsweise persönliche virtuelle Assistenten einsetzen. Schon vor dem Einsatz sollten sie skizzieren, wie die Tools die Arbeit sicherer und besser machen werden, und warum die Mitarbeiter sogar mehr Zeit für die Kommunikation mit Kunden und Kollegen haben werden.

Künstliche Intelligenz in einzelnen Branchen

Die Marktforscher nehmen einige Branchen genauer unter die Lupe. Die Studienteilnehmer gaben an, wie hoch der Anteil strukturierter, sich wiederholender Tätigkeiten an ihrem Arbeitsplatz ist - das umschreibt den Anteil, den KI-Systeme übernehmen können - und welche Rolle menschliche Fähigkeiten wie etwa Einfühlsamkeit spielen. Skills also, die dem Menschen vorbehalten sind. Außerdem schätzten die Befragten ihre Ersetzbarkeit jetzt und in zehn Jahren ein. Sie benannten Punkte, an denen KI unterstützen kann, und entschieden, in welcher Funktion (vom helfenden On-Demand-Assistenten bis zum Vorgesetzten) sie sich KI-Systeme vorstellen könnten.

Es zeigt sich Folgendes:

Banken: Die befragten Bankangestellten weisen den höchsten formalen Bildungsgrad der gesamten Stichprobe auf. Ihre Antworten gehen am stärksten ins Extreme, sowohl was Ängste als auch Hoffnungen betrifft. Das Gesamtergebnis der Banker umschreibt Gartner so: Sie wollen KI-Tools proaktiv kontrollieren können. Mitarbeiter in Banken befürchten überdurchschnittlich oft, am Arbeitsplatz ersetzt zu werden. Das gilt für den Umfragezeitpunkt ebenso wie für die Prognose in zehn Jahren. Dennoch gewinnen sie KI eine positive Seite ab: von allen Befragten erwarten sie am stärksten (33 Prozent), dass KI-Systeme bei der Identifizierung von Trends helfen können.

Chemische Industrie: Gartner hat Mitarbeiter aus der Verbundwerkstoff-Industrie befragt. Diese erwarten nicht, dass ganze Jobs ersetzt werden können, dafür sei der Anteil strukturierter und repetitiver Tätigkeiten zu niedrig. Sie versprechen sich aber mehr Sicherheit am Arbeitsplatz. Sie wünschen sich KI-Systeme als eine Art Helfer, den sie on Demand einsetzen. Als Manager, Kollegen oder auch nur proaktiven Assistenten sehen sie KI nicht.

Energieversorger: Als jung und zynisch beschreiben die Marktforscher die Umfrageteilnehmer, die bei Energieversorgern tätig sind. Fast jeder Zweite (47 Prozent) sieht die Arbeitsplatz-Sicherheit durch KI gefährdet. Auch denken sie überdurchschnittlich oft, ersetzbar zu sein. Gleichzeitig versprechen sie sich abwechslungsreichere Tätigkeiten durch die Einführung von KI-Systemen. Die unpopuläre Vorstellung eines KI-Systems als Führungskraft ist für 25 Prozent der Befragten denkbar, damit stehen sie an der Spitze. Weitere 22 Prozent können sich ein solches System als Kollegen vorstellen. Insgesamt halten sie ihre Branche für wenig innovativ.

Handel: Handelskonzerne sollten beim KI-Einsatz besonders vorsichtig agieren, rät Gartner. Viele Mitarbeiter sind Teilzeit tätig und halten sich für ersetzbar. Sie werten jedoch als positiv, dass KI-Systeme ihnen körperliche Tätigkeiten abnehmen können. Der Angst vor KI setzen sie ihre menschliche Stärke - der einfühlsame Umgang mit Kunden - entgegen.

Logistik: Mit durchschnittlich 45 Jahren bilden die Befragten aus der Logistik-Branche die älteste Gruppe. Derzeit glaubt nur jeder Fünfte (20 Prozent), durch KI-Systeme ersetzbar zu sein, mit Blick auf 2028 ist es gut jeder Zweite (51 Prozent). Positiv betrachtet, erwarten sie von KI-Systemen weniger Fehler bei der Arbeit und Unterstützung bei Routine-Tätigkeiten.