Projekt-Management

Wie Mediatoren IT-Projekte retten

01.09.2009 von Nicolas Zeitler
Gerät ein IT-Vorhaben in Schieflage, hilft oft nur noch ein unabhängiger Vermittler. Solch ein Mediator sollte die Besonderheiten des Projekt-Managements in der Informationstechnik verstehen. Nächstes Jahr soll es einen neuen Ausbildungsgang für die Streitschlichter geben.

Wenn es bei einem Projekt wieder einmal zum Konflikt zwischen IT und Fachabteilungen kommt, ist auf die Schnelle oft niemand greifbar, der zwischen den Streithähnen vermitteln kann. In Firmen jedenfalls gibt es nur selten Mitarbeiter, die als Mediatoren geschult sind, wie Berater mit Erfahrung im Projektgeschäft sagen.

Stephan Wawrzinek vom itSMF hält noch mehr Aufklärungsarbeit über Mediation für nötig.

Künftig könnte es bei solchen Streitfällen leichter werden, einen geeigneten Vermittler zu finden. Der deutsche Ableger des 1991 in England gegründeten IT Service Management Forums (itSMF) will ab nächstem Frühjahr über seine Tochterfirma itSMS GmbH Kurse anbieten, die auf eine Tätigkeit als Schlichter speziell bei IT-Projekten vorbereiten. Die Ausbildung zum sogenannten "Mediator itSMF" soll 80 bis 100 Stunden umfassen und berufsbegleitend möglich sein.

"Zurzeit arbeiten wir das genaue Ausbildungskonzept aus", sagt Stephan Wawrzinek. Er setzt sich in einem eigenen Arbeitskreis des itSMF seit gut eineinhalb Jahren für das Thema "Mediation und Veränderungs-Management" ein. Wawrzinek ist Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Tema GmbH und Aufsichtsratsvorsitzender der Numara Software AG. Außerdem arbeitet er selbst als Mediator.

Wer sich bei itSMS in der Konfliktschlichtung schulen lassen möchte, soll nach Wawrzineks Vorstellung zuvor ein Assessment Center durchlaufen. "Darin wollen wir herausfinden, ob jemand überhaupt für die Ausbildung geeignet ist", erklärt er.

Mediation läuft streng nach Schema ab

Soziale Kompetenz sollten die Bewerber beispielsweise mitbringen. Vermittelt werden ihnen dann das richtige Vorgehen bei einer Mediation und spezielle Kenntnisse für das spätere Einsatzfeld rund um Wirtschaft und IT.

Margarete Nuber nennt ihr Vorgehen nicht Mediation, sondern De-Eskalation. Wer Streit schlichten wolle, müsse auch IT-Fachmann sein, sagt sie.
Foto: Margarete Nuber, Mitigo GmbH

Der Ablauf einer Mediation ist in Phasen eingeteilt - "ein hoch standardisiertes Verfahren", wie Wawrzinek betont. Zum Einstieg müssen sich die Beteiligten Informationen beschaffen, bevor sie zu einer Analyse der Konfliktlage übergehen. Wenn im Anschluss klar geworden ist, welche unterschiedlichen Interessen es gibt, soll eine gemeinsame Lösung erarbeitet werden. Haben sich alle darauf geeinigt, unterschreiben sie zum Abschluss eine Vereinbarung.

In die jeweils nächste Phase geht das Verfahren nur über, wenn alle am Tisch zustimmen. Was dabei inhaltlich herauskommt, ist offen. Der Mediator soll allparteilich auftreten - also versuchen, die Interessen aller Beteiligten zu berücksichtigen.

Fachwissen und Mediationstechniken kombinieren

Nach einem ähnlichen Modell arbeitet die Mediations-Expertin Margarete Nuber. Sie hat das klassische Mediations-Schema erweitert. "Ich bringe mein Informatik-Fachwissen mit ein, und meine Arbeit endet nicht mit der Vereinbarung", sagt die Geschäftsführerin der Mitigo GmbH mit Sitz in Zürich. Wenn Nuber Konflikte schlichten hilft, begleitet sie auch die Umsetzung der Abschlussvereinbarung. "Daraus könnten sich ja wieder neue Konflikt-Konstellationen ergeben", sagt sie. Margarete Nuber nennt ihr Vorgehen daher nicht Mediation, sondern De-Eskalation.

Nuber legt großen Wert darauf, dass ein Vermittler nicht nur Mediationstechniken beherrscht, sondern sich auch in der Branche auskennt, in der er tätig wird. Sie selbst hat sich nach einem geisteswissenschaftlichen Studium zunächst in Informatik-Themen weitergebildet und später für die professionelle Konfliktlösung qualifiziert. Nach elf Jahren bei SAP in der Schweiz hat sie sich unlängst selbstständig gemacht.

Streits bei SAP-Einführungen schlichten

Während ihrer Arbeit bei SAP wurde sie immer dann in Firmen geschickt, wenn es bei einem SAP-Projekt Schwierigkeiten gab. Damals trat sie nicht offiziell als Mediatorin auf, tat aber etwas ganz Ähnliches: Sie holte die richtigen Leute an einen Tisch, um ein Projekt "wieder gerade zu biegen", wie Nuber erzählt. Allerdings merkte sie zunehmend, dass ihr dieses Vorgehen "zu technisch" war: "Die Informatik-Dinge sind alle wichtig, aber Projekte scheitern eben auch am Zwischenmenschlichen, und dafür fehlte das professionelle Vorgehen."

Bei ihrer Ausbildung zum Mediator an der Universität St. Gallen wurde Margarete Nuber klar, dass ein Vermittler für IT-Projekte sowohl etwas von Informatik verstehen sollte, als auch Grundsätzliches zur Konfliktlösung beherrschen muss. "Bei der Arbeit an einem Mediationsfall in der Informatik sind die Leute immer in Fachdiskussionen geflüchtet, wenn man sehr nah an die persönlichen Konflikte herankam", erinnert sie sich.

Nubers Schlussfolgerung: Eine reine Mediation in IT-Vorhaben ist kaum möglich. Dann bräuchte es zusätzlich einen Projekt-Coach für die technischen Belange. Aber: "Diese Trennung funktioniert nicht, weil die Beteiligten nicht ständig auf der Meta-Ebene denken und beides auseinanderhalten können", sagt sie.

Die IT-Welt der Kunden kennen

Auch Stephan Wawrzinek legt Wert darauf, dass ein Mediator Fachwissen mitbringt. Er verweist auf Scheidungen, die nicht selten mittels Mediation abgewickelt werden. "Wer so etwas als Mediator begleitet, muss ja auch wissen, was rechtlich überhaupt möglich ist", sagt Wawrzinek. Wer Konflikte im IT-Umfeld schlichten wolle, der sollte sich nach seiner Vorstellung unter anderem mit den Unterschieden zwischen der IT-Welt eines öffentlichen und eines privatwirtschaftlichen Unternehmens auskennen.

Ob ein Mediator immer von außen kommen muss oder auch Teil des betroffenen Unternehmens sein kann, darüber gehen die Meinungen auseinander. Stephan Wawrzinek hält es zumindest in größeren Unternehmen für möglich, eigene geschulte Mitarbeiter zur Mediation heranzuziehen. Voraussetzung: Der Schlichter müsse genug Abstand zum Streitfall haben. Margarete Nuber hält interne Mediatoren dagegen nur bedingt zur Schichtung geeignet. Ein Beobachter von außen bringe einen völlig neuen Blick auf ein Projekt mit. "Wenn ein Konflikt die Einführung eines Systems verzögert hat, habe ich schon manchmal die Frage gestellt, ob denn Betrieb und Wartung des Altsystems noch sichergestellt sind", sagt sie. Dieser weite Blickwinkel - über das betroffene Projekt hinaus - falle einem Betriebsfremden leichter.

Experten-Pool im Aufbau

Um Firmen die Suche nach einem Mediator zu erleichtern, will das itSMF nun einen Pool von Fachleuten aufbauen. "Bisher haben wir Experten-Pools zu allen möglichen Themen und Branchen, aber einen für Mediatoren gibt es noch nicht", sagt Stephan Wawrzinek. Nachfrage gebe es reichlich, wenn auch noch viel Aufklärungsarbeit nötig sei. "Viele kennen den Begriff, aber was Mediation wirklich ausmacht, ist noch weithin unbekannt", sagt er. Auch Margarete Nuber beobachtet, dass das Thema im Bewusstsein vieler noch nicht verankert sei.

Dass sie deshalb häufig zu spät gerufen werde, wenn es brennt, glaubt sie trotzdem nicht. Ein gewisser Leidensdruck sei notwendig, bevor die Konfliktparteien offen für die Vermittlung durch einen Dritten seien, sagt sie.

Mediation meistens erfolgreich

Wie lange ein De-Eskalations-Projekt dauert, hängt ganz von den Rahmenbedingungen ab und ist auch Teil der Vereinbarung zwischen den Streithähnen und Margarete Nuber. Viele Probleme seien schnell zu lösen, wenn der Vermittler nur einmal beiden Seiten die richtigen Fragen stelle und dabei als Übersetzer zwischen der Informatik- und der Business-Sprache agiere, sagt sie. Begleitet Margarete Nuber dagegen auch nach Abschluss einer Vereinbarung ein Projekt weiter, kann das schon einmal länger als ein Jahr dauern. In solchen Fällen kommt sie in festgelegten Abständen im Unternehmen vorbei und kann im Notfall auch kurzfristig zu Rate gezogen werden.

Stephan Wawrzinek indes versichert, dass sich der Einsatz eines Mediators meistens lohne. Nach seiner Erfahrung sind 80 Prozent der Schlichtungen zunächst erfolgreich. Und die Quote für nachhaltigen Erfolg - wenn also bis zum Abschluss des Projekts kein neuer Konflikt aufflammt - liege immer noch zwischen 60 und 70 Prozent.