Problemlöser Schatten-IT

Wie Mitarbeiter die IT-Abteilung umgehen

16.03.2011 von Thomas Pelkmann
Mitarbeiter arbeiten im Büro mit privaten Cloud-Diensten von Google, Amazon und Microsoft. Für die IT-Abteilungen ist das kein Anlass zur Freude.

Wer von Schatten-IT spricht, meint bislang Anwendungen, die in den Fachbereichen der Unternehmen an der IT-Abteilung vorbei angeschafft und produktiv genutzt werden. In Zeiten mobiler Geräte und von Cloud Computing bekommt der Begriff eine neue Bedeutung hinzu: Nun umfasst er auch solche Dienste, die jenseits der Grenzen einer wohl überlegten und über Jahre hinweg aufgebauten IT-Infrastruktur stattfinden.

Trotzdem werden sie für geschäftliche Anwendungen eingesetzt, weil sie einfach einzurichten sowie oft - zumindest in Basisfunktionen - kostenlos sind und nahezu ausschließlich im Handumdrehen verfügbar. Besonders in letztem Punkt unterscheiden sie sich von "offiziellen" Anwendungen, die oft erst nach langer Projektarbeit zur Verfügung stehen.

Google Docs, Dropbox und Facebook

Wer als CIO wissen möchte, was das für Dienste sind, könnte einfach seine Mitarbeiter fragen - die kennen das schon längst. Sie nutzen Cloud Services mit Namen wie Google Mail, Google Docs, Slideshare, Dropbox, Facebook oder Delicious - um nur einige zu nennen.

Über diese Dienste lassen sich auch im Büro fast alle IT-Basis-Aufgaben abdecken, und das nicht nur für einzelne Mitarbeiter: Fast alle dieser Tools enthalten kollaborative Elemente für die Zusammenarbeit innerhalb eines Unternehmens oder jenseits von Firmengrenzen.

Cloud in der Praxis: Viele Mitarbeiter nutzen Cloud-Speicher wie Dropbox für den universellen Datenaustausch.
Foto: RIM Dropbox

Viele Information-Worker nutzen Cloud-Speicher, um Daten und Dateien unabhängig vom jeweiligen Standort und Arbeitsplatz vorhalten zu können. Seitdem es Angebote im Kleinen (Dropbox, Box) wie im Großen (Amazon Cloud, Microsoft Azure) gibt, braucht niemand Daten und Dateien per USB-Stick zu transportieren, die im Zweifelsfall doch irgendwo liegen, wo man sie nicht wiederfindet. Da ist es wesentlich einfacher, Daten bei der Arbeit in spezielle Online-Verzeichnisse zu speichern und auf diese Verzeichnisse von überall her zugreifen zu können.

Dropbox kann mehr als Speichern

Angebote wie Dropbox, das im Hintergrund übrigens mit Amazon-Services arbeitet, können aber noch mehr, als einfach nur Online-Speicher bieten. So gibt es von Dropbox für gängige Betriebssysteme und Endgeräte spezielle Frontends, mit denen man gleichermaßen vom Desktop wie vom mobilen Gerät seine Cloud-Daten verwalten kann. Bei der Arbeit speichert man seine Daten wie in jedem beliebigen Ordner in speziellen Dropbox-Verzeichnissen, so dass sie unmittelbar danach von überall her entweder über spezielle Apps oder via Internet-Browser zugreifbar sind. Das geht auch für Anwender, die keinen eigenen Dropbox-Account haben: Hier erlaubt es die Anwendung, Links auf einzelne Dateien öffentlich zu versenden, so dass jedermann diese Daten runterladen kann.

Der Basis-Account von Dropbox mit einer Speicherkapazität von zwei Gigabyte ist kostenlos; die maximale Speicherkapazität beträgt 100 Gigabyte - für die meisten Datenarbeiten reicht das sicher aus.

Dropbox auf dem iPad
iPad App: Dropbox
Beim ersten Start der App muss der Dropbox-Account eingegeben werden.
iPad App: Dropbox
Exitstiert noch kein Account, so lässt er sich hier schnell anlegen
iPad App: Dropbox
Über den Browser eines PCs lassen sich beliebiege Dateien in den Dropbox-Account hochladen.
iPad App: Dropbox
So sieht das iPad-App nach dem Start aus.
iPad App: Dropbox
Auch vom iPad aus lassen sich Fotos oder Videos in die Dropbox hochladen.
iPad App: Dropbox
Ein Fingertipp auf das gewünschte Bild startet den Upload.
iPad App: Dropbox
Dateien wie ZIP-Files kann das Dropbox-App nicht öffnen...
iPad App: Dropbox
... aber sind andere Apps wie GoodReader installiert, so hilft ein Fingertipp auf das Weiterleitensymbol.
iPad App: Dropbox
Excel-Sheets zeigt Dropbox ebenso an wie...
iPad App: Dropbox
... Word-Dokumente, die sich....
iPad App: Dropbox
... alternativ auch in Apps wie Pages öffnen lassen.
iPad App: Dropbox
Powerpoint-Präsentationen zeigt Dropbox ebenfalls an...
iPad App: Dropbox
.. sowie auch PDF-Files.
iPad App: Dropbox
Bei ausführbaren exe-Dateien für Windows hilft natürlich auf dem iPad keine App.
iPad App: Dropbox
Dropbox zeigt an, welche Apps für das "Weiterleiten" zum Öffnen eingebunden werden können.
iPad App: Dropbox
Soll eine Datei oder ein Foto jemanden ohne den eigenen Dropbox-Zugang zur Verfügung gestellt werden, so genügt das Markieren der entsprechenden Datei und ein Fingertipp auf das Kettensymbol rechts oben in der Leiste. Wird „Email Link“ gewählt, so wird automatisch eine neue E-Mail geöffnet, in der ein Download-Link für die Datei enthalten ist.
iPad App: Dropbox
Der Empfänger der E-Mail klickt auf den Link zum Download der Datei.
iPad App: Dropbox
Alternativ lässt sich der Link auch in die Zwischenablage kopieren. Bei Bildern lassen sich diese ebenfalls ins Clipboard kopieren.
iPad App: Dropbox
Mit dem Favoritenknopf lassen sich Dateien markieren, die man auch offline anschauen will. Das App macht von diesen Dateien dann einen lokalen Download auf das iPad.
iPad App: Dropbox
Das Symbol mit den grünen Haken zeigt dann alle Offline-Dateien an.
iPad App: Dropbox
Die Einstellungen von Dropbox zeigen den bereits benutzten Speicherplatz an.
iPad App: Dropbox
Außerdem lässt sich die Qualität der vom iPad hochzuladenden Fotos einstellen.
iPad App: Dropbox
Wer will, vergibt einen Passcode für das Starten der App.
iPad App: Dropbox
Soll eine Datei aus der Dropbox gelöscht werden, muss über den File-Namen nur ein Fingerwisch nach links oder rechts erfolgen.
iPad App: Dropbox
Neue Ordner lassen sich in der App ebenfalls anlegen.

Amazon und Microsoft etwas überdimensioniert

Auch Amazon bietet Online-Speicher. Aufgrund der Funktionen aber eher ein Angebot für ganze Unternehmen.

Wer dennoch mehr benötigt, findet Online-Speicher wie erwähnt zum Beispiel auch bei Amazon oder Microsoft. Dort sind die Speicherangebote allerdings Teil größerer und funktional sehr viel umfangreicherer Pakete, die meist beliebig nach oben und unten skaliert werden können.

Aufgrund der Funktions- und der Vielfalt der Darreichungsformen eignen sich solche Angebote sicher eher für große Unternehmen, für den Fall also zum Beispiel, dass jemand all seinen Mitarbeitern kontrollierten Zugang zu Datenspeichern in der Cloud bieten möchte.

E-Mail-Dienste wie Google Mail, Yahoo Mail oder GMX wurden schon genutzt, bevor der Begriff Cloud Computing geprägt wurde. Aber sie fallen mittlerweile auch unter diese Kategorie und sie werden millionenfach genutzt - privat wie geschäftlich.

E-Mail-Dienste aus der Cloud

Im Zweifelsfall ist es eben doch einfacher, über den Web-Browser auf seine Mails zugreifen zu können, als auf Exchange oder Notes/Domino über sichere Verbindungen ins Firmennetz. Solche Verbindungen gibt es nur, wenn die mobilen Endgeräte entsprechend eingerichtet sind. Auf Webmail zugreifen kann auch, wer irgendwo in der Welt in einem Internet-Café am Terminal sitzt.

In der Funktionalität stehen die kostenlosen Mail-Dienste der Cloud den stationären in den Basisfunktionen nicht spürbar nach. Schwächen haben diese Angebote aber vor alle im Collaboration-Bereich, bei Kalendern und Kontakten beispielsweise, sowie beim regelbasierten Arbeiten. Bemerkenswert gut sind gängige Maildienste aber mittlerweile bei der Abwehr von Phishing und Spam. Zudem bieten die kostenlosen Mail-Provider mittlerweile im Rahmen ihrer Services auch Datenspeicher an.

Office in der Cloud

Noch gehören die umfangreichen Office-Suiten wie Microsoft Office mit Word, Excel und Powerpoint zu den am häufigsten auf dem Desktop anzutreffenden Anwendungen. Die einzelnen Office-Programme bieten nicht nur umfangreiche Funktionen für das Erstellen und Bearbeiten unterschiedlichster Dokumente. Über Sharepoint-Server sind die Office-Anwendungen mit vielen Arbeitsgruppenfunktionen auch in der Kollaboration stark. Dennoch greifen immer mehr Anwender auf Office-Angebote aus der Cloud zurück, wo sich neben Google Docs mittlerweile auch Microsoft mit seinen Web Apps in Office 2010 bewegt, um den Niedergang des Desktop nicht als Verlierer erleben zu müssen.

Grundsätzlich bieten die Cloud-Offices nichts, was die Desktop-Versionen - wenn auch mitunter nur mit Server-Unterstützung - nicht auch zu bieten haben. Im Gegenteil: Die Online-Versionen sind im Funktionsumfang deutlich eingeschränkt und eignen sich weniger zum Erstellen umfangreicher und sorgfältig gestalteter, sondern eher für das Bearbeiten und Präsentieren vorgefertigter Dokumente.

Dass die Cloud-Offices sich dennoch wachsender Beliebtheit erfreuen, liegt sicher an der sehr einfach einzurichtenden Kollaboration: Ohne Server entsprechend konfigurieren, ohne umfangreiche Nutzerrechte definieren zu müssen, lassen sich zum Beispiel Google Docs-Dokumente leicht mit anderen Nutzern teilen. Jeder Berechtigte kann solche Dokumente nicht nur sehen, sondern auch bearbeiten. Trotzdem sind auch solche Dokumente gegen den unberechtigten Zugriff durch Dritte einigermaßen geschützt.

Wer in großen Einheiten schon einmal versucht hat, schnell und unkompliziert unterschiedlichen Personen Zugriff auf einzelne Dokumente zu geben, wird die Einfachheit der Cloud-Office schnell schätzen lernen.

Schatten-IT: Eine Herausforderung für die IT-Abteilung

All diese Cloud-Angebote haben eins gemeinsam: Niemand braucht eine IT-Abteilung dafür, um mit ihnen zu arbeiten. Das hat aus Sicht der einzelnen Mitarbeiter oder ganzer Abteilungen vor allem Vorteile: Es geht im Zweifel schneller, es ist unkomplizierter und man erspart sich umständliche Sicherheitsvorkehrungen. Aus Sicht der Unternehmen und ihrer IT-Abteilungen ist die Schatten-IT alles andere als begrüßenswert. Zu allererst sieht es niemand gerne, wenn irgendjemand anders im ureigenen Terrain wildert. Eine Marketingabteilung ebenso wenig wie ein Vertrieb oder ein Personalverantwortlicher. Warum sollte die IT das dann gut finden?

Aber die Probleme mit Schatten-IT in der Cloud sind keine Frage von Befindlich- und Eitelkeiten. Hier geht es um handfestere Probleme. "IT-Geräte, -Applikationen und -Services stehen in einem Unternehmen selten für sich allein", schreibt Karin Quack in der Computerwoche. "Sie müssen mit anderen Systemen, Infrastrukturen, ganzen IT-Landschaften integriert werden." Es sei solange kein Problem wenn die Sales-Abteilung statt Lotus Notes plötzlich Google Apps nutzen möchte, wie sie nicht erwartet, dass ihre elektronischen Kalender mit denen der Marketing-Mitarbeiter oder gar mit dem unternehmensweiten CRM-System synchronisiert sind, so Quack. Oder wenn das Controlling auf Dauer lieber eigene Daten auswertet als unternehmensweit einheitliche und verbindliche. Das aber entspricht nicht den Ansprüchen an Zusammenarbeit, Datenqualität und Sicherheit, die moderne Unternehmen haben.

Wenn eine Schatten-IT im Unternehmen wächst und gedeiht, dann ist das nicht die Schuld der Fachbereiche oder der Mitarbeiter. Sie machen nichts anderes, als akute Probleme schnell und unbürokratisch zu lösen. Wenn sie dafür auf tendenziell unsichere und unkontrollierbare Lösungen zurückgreifen müssen, dann liegt das Problem in einer starren, unflexiblen und zu schnellen Lösungen unfähigen IT-Infrastruktur.

Und genau hier liegt auch der Lösungsansatz: Es mag in dem ein oder anderen Fall durchaus angeraten zu sein, Nischen mit Schatten-IT zuzulassen, weil eine unternehmensweite Infrastruktur nicht alle möglichen Konstellationen von vorneherein abdecken kann. Grundsätzlich aber kann die IT nur durch flexible Lösungen eine überbordende Schatten-IT vermeiden.

IT muss Vorteile der Cloud in eigener Infrastruktur bieten

Solche Lösungen müssen - warum nicht auch in der Cloud - dieselben Vorteile bieten, wie die von den Mitarbeitern genutzten. Erst dann sind alle zufrieden: die Mitarbeiter, weil sie schnelle und unbürokratische Lösungen in Anspruch nehmen können, die IT und die Unternehmensleitung, weil die Schatten-IT marginalisiert wird und nur dort vorkommt, wo sie keinen Schaden anrichtet.