Nach dem Tod von Steve Jobs

Wie Steve Jobs in Apple weiterlebt

10.10.2011 von Peter Müller
Apple ist Steve Jobs, Steve Jobs ist Apple. Ist mit dem Hinscheiden des Mitgründers das Unternehmen nun auch dem Tod geweiht? Nein - denn Jobs hat sein Haus bestellt und seine Vision weiter gegeben.
Am vergangenen Freitag (7. Oktober) ist Steve Jobs im engsten Kreis seiner Familie beigesetzt worden.
Foto: cio.com

Apple ohne Steve Jobs ist kaum denkbar, vor allen Dingen, wenn man die Zeit zurückdenkt, in der Jobs nicht für die Firma tätig war. John Sculley, von Jobs eigentlich als Entlastung für sich als CEO eingestellt, hatte den Mitbegründer des Unternehmens nach langen Streitigkeiten und Kompetenzrangeleien 1985 aus der Firma gedrängt. Einige Fehlentscheidungen und Flops später holte Sculley Nach-Nachfolger Gil Amelio den "verlorenen Sohn" samt seiner Zweitgründung Next Computer in das Unternehmen zurück.

Next versprach Apple ein zukunftsfähiges Betriebssystem liefern, und konnte mit OS X liefern, das nicht nur die Macs von heute treibt, sondern in seiner Variante iOS auch eine Viertelmilliarde Tablets, Smartphones und iPods. Innerhalb von zwölf Jahren war es Jobs gelungen, aus dem maroden Pleite- und Übernahmekandidaten Apple das wertvollste Unternehmen der Welt zu machen.

Dabei agierte Jobs zwar stets mit voller Leidenschaft für das Detail und das Produkt, doch nie allein. Denn mit Jobs kamen auch Leute wie Avie Tevanian oder Jon Rubinstein zu Apple, die jahrelang die Entwicklung von Software und Hardware vorantrieben. Den begabten Gestalter Jonathan Ive, der schon vor Jobs’ Rückkehr Ende 1996 bei Apple arbeitete, förderte der CEO und ließ ihn zu einem der größten Industriegestalter aller Zeiten wachsen. Jobs zeichnete also nicht nur die eigene Vision und Unternehmerschaft aus, sonder auch die Fähigkeit, die größten Talente an Apple zu binden und sie dort ihr Bestes geben zu lassen.

Jobs hat bereits mit seinem Rücktritt als CEO im August eine Lücke gerissen, die sich schwerlich schließen lässt. Das zeigen die teils gehässigen Kommentare der Medien und ihrer Nutzer über die Vorstellung des iPhone 4S, bei der erstmals der vermeintlich dröge Nachfolger als Apple-CEO Tim Cook als Gastgeber wirkte. Sicher, der einzigartige Zauber, den Steve Jobs mit seinen Auftritten verbreiten konnte, ist verblasst.

Doch Apple besteht aus weit mehr als nur aus seiner legendären Gründerfigur. Das Führungsteam um Steve Jobs hat längst das "Sieger-Gen" Apples aufgesogen, kommende Generationen von Managern sollen auf einer von Apple eingerichteten Universität erfahren. Das Lehr- und Forschungsobjekt ist allein Steve Jobs, seine Vision und seine Entscheidungen. Aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen, heißt die Devise. Wir versuchen anhand dieses Ansatzes das Unerklärliche zu erklären: Was macht die Apple-DNA aus und wie gelingt es dem Unternehmen, seine gewinnbringenden Eigenschaften zu vererben? Dazu blicken wir erst einmal gut zehn Jahre zurück.

Der zunächst als Interims-CEO in das Unternehmen zurückgekehrte Apple-Mitgründer zog nicht nur einen Schlussstrich, sondern deren zwei. "Das ist unsere Produktmatrix", erklärte Steve Jobs während seiner Keynote zur Macworld Expo im Januar 2001 in San Francisco: "Wir haben einerseits Desktops und andererseits Mobilrechner. Wir haben jeweils Rechner für Profis und für Einsteiger." Das komplette Rechnerangebot Apples ließ sich also in eine 2x2-Matrix fassen, die kaum noch Fragen offen ließ. Der iMac als Einsteiger-Desktop stand dem Power Mac gegenüber, in der Zeile mit den mobilen Macs waren iBook und Powerbook platziert.

Zwar gab es noch unterschiedliche Ausstattungsvarianten, doch steht seither kein an Macs Interessierter vor einer unüberblickbaren Auswahl, die mehr Fragen stellt, als dass sie Antworten gäbe. Mittlerweile sind im Apple-Kosmos diverse Produkte hinzugekommen, die Übersichtlichkeit ist jedoch geblieben. Macbook Pro und Macbook Air befriedigen genau so klar voneinander abgegrenzte Bedürfnisse wie die iPod-Modelle Shuffle, Nano, Touch und Classic dies tun, das iPad gibt es mit oder ohne 3G-Funk, mit mehr oder weniger Speicher, das iPhone deckt ab dem 14. Oktober mit iPhone 3GS, iPhone 4 und iPhone 4S den Smartphonemarkt im Einsteiger-, Mittelklasse- und High-End-Segment ab, mit jeweils überschaubaren Ausstattungs- oder Farbvarianten. Apple besticht durch ein klares und aufgeräumtes Produktportfolio. Das war nicht immer so und das ist die erste Antwort auf die Frage nach Apples Erfolgsgeheimnis und dem Einfluss von Steve Jobs darauf.

Apple verzettelte sich

Denn bevor er als "iCEO" jene Schlussstriche ziehen konnte, hatte Apple jahrelang an einer undurchsichtigen und verwirrenden Produktstrategie festgehalten. Unter all den Performas, Quadras und Power Macs wurde selten klar, worin genau sich die Rechner unterscheiden und für welche Zwecke welcher am besten geeignet ist. Apple verzettelte sich zudem mit der Entwicklung von Produkten, die an der Kernkompetenz des Unternehmens vorbei gingen. Digitalkameras, Spielkonsolen, Monitore, Drucker und ein unglücklicher Handheld namens Newton verwischten zusehends Apples Markenbotschaft.

Steve Jobs hatte im Jahr 1985 Apple nach Zwistigkeiten mit dem Vorstand und insbesondere mit dem von ihm selbst installierten CEO John Sculley das Unternehmen verlassen. Erst Ende 1996 holte Apple seinen verlorenen Sohn zurück: Mit seiner zweiten Gründung Next hatte Jobs sich zwar in Sachen Rechnerbau überhoben, doch war mit Next Step ein Betriebssystem entstanden, das Apple als die beste Option für seine Zukunft ansah. Mittlerweile heißt das System OS X und lief nicht nur auf jedem vierten im August 2011 in den USA verkauften Rechner, sondern auch in einer mobilen Variante auch 250 Millionen Geräte der Produktreihen iPod Touch, iPhone und iPad.

Einfacher geht’s nicht

Den zweiten wichtigen Grund für Apples Erfolge nennt das Unternehmen stets stolz in seinen Pressemitteilungen, den "legendary ease of use" betont der Mac-Hersteller bei beinahe jedem Produkt. Die Botschaft, mit dem Mac sei "alles einfacher" ist angekommen, kaum noch jemand kanzelt den Mac als "Spielzeug" ab. Der Unterschied zwischen Windows und OS X bei der Bedienbarkeit ist zwar sichtbar geschrumpft, das Betriebssystem aus Redmond präsentiert sich bei Weitem nicht mehr als so sperrig und unübersichtlich wie es noch vor wenigen Jahren war - und mit Windows 8 will auch Microsoft die Welten von Desktop- und Mobilgeräten zusammenführen.

Aber bei Apple denkt man intensiver über die Schnittstelle Mensch-Computer nach als das bei anderen Firmen der Fall ist. Und hier ist nicht zuletzt Steve Jobs die treibende Kraft, die auf jedes Detail achtet. Die beschrieb etwa der ehemalige Apple-Manager Jay Elliot in seinem Buch "iLeadership - Mit Charisma und Coolness an die Spitze". In einer Anekdote erzählt Elliot darin von der Begeisterung, die das von Xerox’ Palo Alto Research Centers (PARC) entwickelte Betriebssystem mit grafischer Oberfläche und Mausbedienung in dem jungen Jobs auslöste. Schon damals habe er aber an die Hand als wesentliches Teil zur Interaktion mit dem Computer gedacht und von einer Bedienung per Berührung der virtuellen Dinge auf dem realen Computerbildschirm geträumt. Das iPad sei also schon im ersten Mac angelegt gewesen, ein Vierteljahrhundert vor dessen tatsächlicher Premiere.

Das Tablet als der Computer der Zukunft hat Microsoft-Gründer Bill Gates schon zur Jahrtausendwende gesehen, Microsoft brachte erste Geräte auf den Markt, die alsbald scheiterten. Der Grund war weniger eine unausgereifte Hardware als ein Mangel an Visionen von Software und der Interaktion von Mensch und Maschine. Microsofts erste Tablets waren nicht viel mehr als andersherum zusammengeklappte Notebooks, der Bildschirm war zwar berührungsempfindlich, eine Tastatur konnte der Nutzer aus dem Gerät hervorholen. Nur liefen die Geräte mit Windows, das massiv auf Menüs und Kontextmenüs setzte, die am Besten mit der Maus aufrufbar sind.

Eine echte Touch-Bedienung war so nicht möglich, nur mit einem Eingabestift als Zeigestock war das Gerät zu bedienen. Und somit von der Haptik genau so unmittelbar wie ein herkömmliches Notebook. Gates Vision, Mitte des ersten Jahrzehnts im 21sten Jahrhundert würden alle Computer so aussehen, erwies sich als Trugbild.

Gott weiß alles, Jobs weiß mehr

Es war wohl aber um 2005, als Apples Ingenieure eine Lösung für den Tablet-Computer präsentierten. Ein Prototyp, der auf ein modifiziertes OS X setzte, das man mit einem oder mehreren Fingern bedienen konnte, habe bei ihm um diese Zeit auf dem Schreibtisch gelegen, verriet Steve Jobs Anfang 2010. Was dann folgte, klingt glaubhaft, aber zumindest gut erfunden und in das Bild passend, das Apple gerne von sich gemalt sieht. Anstatt den Entwicklern den Auftrag zu geben, den Prototypen zur Serienreife zu entwickeln, soll Steve Jobs angeordnet haben, aus dem Konzept ein Telefon zu entwickeln.

Die Lehre für Apple und seine DNA: Wie kein anderer vermochte der Apple-CEO zu erkennen, wie sich Märkte entwickeln und den Kunden das zu geben, was sie wirklich wollen. Das ist der wesentliche Grund, warum alle Welt Jobs als Visionär bezeichnete und dessen Verlust betrauert. In der Computerindustrie genoss Jobs einen mit dem vom Henry Ford als Autobauer vergleichbaren Ruf. Diesem wird bekanntlich das Zitat zugeschrieben "Wenn ich die Leute gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt ‚schnellere Pferde’". Jobs verließ sich nicht auf das, was die Leute sagen oder Berater einflüstern - er kannte die Bedürfnisse der Kunden längst vor diesen. "Wir engagieren keine Berater - wir wollen einfach nur gute Produkte machen", erklärte Steve Jobs dem Magazin Fortune im Jahr 2008.

Nur ein einziges Mal habe Apple unter seiner Führung auf Marktforschung gesetzt, verriet er im gleichen Interview. Analysten hätten für Apple die Retail-Strategie des Konkurrenten Gateway untersucht, um darin Fehler zu erkennen, die Apple mit seinen Stores nicht machen wollte. Zehn Jahre später betreibt Apple in elf Ländern weltweit über 350 Stores.

Allwissend und allmächtig erschien Steve Jobs so Anfang 2010 der IT-Szene, als nach wochenlangen Spekulationen um einen Tablet-Computer das iPad auf den Markt kam. "Das letzte Mal, als es so ein großes Geschrei um eine Tafel gab, standen zehn Gebote darauf," kommentierte die New York Times. Ob Jobs sich davon geschmeichelt fühlte, ob er zur Selbstironie neigte oder ob er darin nur eine Betätigung seiner Unfehlbarkeit sah, kann man ihn nun leider nicht mehr fragen, jedenfalls ließ er es sich nicht nehmen, die Schlagzeile in seiner iPad-Präsentation zu zitieren. iGod. Überlebensgroß. Unfehlbar. Und dennoch sterblich. Götterdämmerung in Cupertino?

Der Weg zum iGod

Eine frühe Entscheidung Jobs’ nach seiner Rückkehr war es, im Februar 1998 den Taschencomputer Newton einzustellen. Der Apple für die Tasche hatte zwar eine kleine Gemeinde fest eingeschworener Fans, welche die Macken des Newton stillschweigend akzeptierten und den mangelnden kommerziellen Erfolg des Gerätes damit erklärten, der Newton wäre "einfach nur seiner Zeit voraus". Der Newton war im Gegenteil vollkommen aus seiner Zeit heraus gefallen, muss man rückblickend urteilen.

Die Handschriftenerkennung führte zu abenteuerlichen Ergebnissen, die Verbindung zum Rest des Apple-Universums war umständlich bis mangelhaft, Software hat es kaum gegeben und die Installation der wenigen verfügbaren Programme eigentlich nur Fortgeschrittenen möglich. Apple sah sich dennoch als PDA-Pionier und schaute neidisch auf die Erfolge von Palm, Ende der Neunziger eine der heißesten Technologiefirmen. Nur einer nicht: Der Interims-CEO Steve Jobs. Apple hatte mit dem Newton Geld ohne Ende verschwendet, dass der Handheld das erklärte Lieblingsprojekt seines Lieblingsfeindes John Sculley war - der eben wegen des fehlenden Markterfolges de Newton einen Hut nehmen musste - war bei Jobs’ Entscheidung allenfalls ein angenehmer Nebeneffekt.

Apple plante ein anderes elektronisches Gerät jenseits des Mac, das so ganz anders werden sollte als die Freunde eines Apple-PDA erwarteten: Den iPod. Und dieses Mal sollte Apple alles richtig machen, weil Jobs und Apple das große Ganze im Blick hatten.

Erneut zeigte sich mit dem Musikabspielgerät die Vision des Apple-Gründers von der Einfachheit der Benutzung. Ein Scrollrad, vier Tasten, mehr brauchte es nicht. Musik würde immer gehen, davon war Jobs überzeugt, zeitgleich sah er immer mehr Manager in Meetings wieder zum guten alten Notizblock zurückkehren - denn das Geschmiere auf dem PDA konnte man nachher beim besten Willen nicht mehr erkennen, selbst wenn die Übertragung der Notizen auf den Desktop-Rechner gelungen war.

Die Erfolgsgeschichte des PDA war bereits im Oktober 2001 zu Ende erzählt, wusste Steve Jobs lange vor dem damals prosperienden Unternehmen Palm - das 2010 sich an Hewlett Packard verkaufen musste und in den Wirren um die Ablösung Leo Apotherks als HP-CEO wohl gänzlich in der Versenkung verschwindet.

Der iPod war keineswegs der erste MP3-Player, Apple hatte jedoch bestehende Technologieperfekt kombiniert. Auf die 5GB-Festplatte passte die gesamte Musikbibliothek eines durchschnittlichen Haushalts, über die schnelle Firewire-Schnittstelle war das Gerät flott gefüllt. Die Verwaltung von Musik über das im Januar 2001 von Apple präsentierte iTunes war ebenso übersichtlich wie die hierarchische Ordnung auf dem iPod mit seinen wenigen Bedienelementen. Die Software hatte Apple gekauft respektive lizenziert, für erste ikonische Design des neuen Jahrtausends zeichnete der britische Gestalter Jonathan Ive verantwortlich.

Mehr noch als Design, Hardwareleistung und Software half aber die Infrastruktur dem iPod auf die Sprünge. Wer einen iPod nutzen will, muss iTunes installieren - Apple hatte zum Glück bald eingesehen, dass der Kauf eines Mac dafür zwar sinnvoll sei aber keine zwingende Voraussetzung sein sollte. iTunes war zunächst als Einbahnstraße angelegt: Musik vom iPod spielte die Software nicht zurück auf den Rechner. Dass einige Tools dazu sehr wohl in der Lage sind, wollen wir an dieser Stelle nicht verschweigen, aber Apple fördert den Rückweg nicht und gab iPod-Nutzern den Slogan "Don’t steal Music!" mit auf den Weg.

Die Grundlage für den Erfolg des iPhone

Mit dem Erfolg des iPod und des iTunes Store im Rücken entwickelte Apple ab 2005 die Vision vom Telefon der Zukunft, das 2007 als iPhone erstmals öffentlich auf einer Bühne im Moscone Center in San Francisco telefonierte.

War Apple in der Vergangenheit Stolz darauf gewesen, für die Bedienung seines Betriebssystems nur eine Maustaste zu benötigen, stellte das iPhone das Konzept Telefon auf die Spitze: Eine einzige Taste sollte genügen, den Rest würde Software übernehmen. Und wozu benötige man denn einen Eingabestift, wenn man zehn Finger zur Verfügung habe? Das Konzept des berührungsempfindlichen Bildschirms war bei weitem nicht neu, doch mit dem iPhone brachte es Apple auf ein völlig neues Niveau. Denn wenn man schon mehrere Finger hat, sollte man sie auch einsetzen. Der Computer wurde mit dem iPhone endlich greifbar.

Die Computermaus als Mittler zwischen Benutzer und Computer hat über kurz oder lang ebenfalls ausgedient. Das Multitouch-Konzept weitet Apple mit OS X Lion auf den Computer aus, das Trackpad der Macbooks lässt den Rechner unmittelbarer erleben, wenngleich der Weg zur vollständigen Touchbedienung von Notebooks und sogar Desktops noch weit ist. Es kommt vor allen Dingen darauf an, was die Software für Optionen bietet. Mit dem Magic Trackpad als zusätzliches Eingabegerät für Desktops gibt Apple aber die Richtung vor.

Apple als Software-Company

Apple, das sind doch diese eleganten, von einem britischen Ritter gestalteten Kisten, die mal flach wie eine Flunder daherkommen und mal stylish wie Mode-Accessoires? Apple, das ist doch die Firma von Steve Jobs, der es mit seinem unverwechselbaren Charisma schaffte, Presse, Kunden und Konkurrenten derart zu beeindrucken, dass er jedes der eleganten Geräte als etwas magisches und revolutionäres anpreisen konnte, selbst wenn diese nicht derart spektakulär sind, betrachtet man sie nüchtern?

Die Erklärungen sind nicht falsch, doch greifen sie zu kurz. Ja, Apple hat Zeit seiner Unternehmensgeschichte viel Wert auf Design gelegt und dafür die besten Köpfe angeheuert - Jonathan Ive, zeichnet aber erst seit 15 Jahren maßgeblich für das Design verantwortlich. Die von Ive so perfektionierte Kunst des Weglassens beherrschte Apple schon in seinen frühen Jahren, als Ive noch in Großbritannien zur Schule und Universität ging.

Maßgeblich am heutigen Erscheinungsbild Apples wirken immer noch die Arbeiten des deutschen Designers Helmut Esslinger und seiner Firma Frog Design nach, die Apple bereits für die Gestaltung des Apple IIc engagierte. "Schneeweiß" ist das Markenzeichen von Frog Design - eine Farben- und Formensprache, die auf das wesentliche reduziert ist und sich auch prima als "kohlrabenschwarz" interpretieren lässt, wie iPhone und iPad zeigen.

Ja, Apples CEO Steve Jobs strahlte ein Charisma aus, das in der Industrie noch seinesgleichen suchen muss. Wir wollen hier nicht weiter auf all die Anekdoten zurückkommen, welche die Kehrseite der Medaille ansprechen, denn seinen Mitarbeitern gegenüber soll Jobs nicht nur dankbar und fördernd sondern auch stur und fordernd gegenüber auftreten. Zumindest empfanden ihn solche, die seine Vision nicht sofort teilten, Jobs konnte wohl sehr ungeduldig sein mit jenen, denen er für sich klare Bilder erst mühsam erklären musste.

Jobs zeigte eine Detailbesessenheit, die über das Sichtbare weit hinausgeht und die Elliot in seinem oben erwähnten Buch ausführlich beschreibt. Mit der Gestaltung der Platinen des Ur-Mac soll Jobs erst zufrieden gewesen sein, als die Komponenten darauf "aufgeräumt" angeordnet waren, die kreisrunde Platine des iMac G4 ("Schreibtischlampe") war statt im üblichen grün in einem hübschen blau gestaltet, das die meisten Käufer des Rechners nie zu Gesicht bekamen. Jobs kann sich auch vor die versammelte Presse stellen und Elektronik unwidersprochen als "revolutionär" und "magisch" zu bezeichnen - und dabei behält er in den meisten Fällen recht. Denn mit dem iPhone hat Apple einen Multimilliarden-Dollar-Markt, in dem einst Nokia derart dominierte, dass es den Kartellhütern hätte schwindlig werden können, von Grund auf verändert. "Revolution" ist nicht das falsche Wort, will man die Wirkung des iPhone beschreiben.

Und doch ist es nicht die Hardware, die den Unterschied ausmacht. Das haben zwar diejenigen noch nicht begriffen, die bei der Vorstellung des iPhone 4S jammerten, es sei ja kein iPhone 5 und komme immer noch im selben, uralten (also 15 Monate alten) Gehäuse daher. Um es mit einem Bonmot zu sagen, das Jobs von Bill Clinton adaptierte: "It’s the Software, stupid". Die Maschine kann noch so elegant und fortschrittlich sein, wenn die Software an der Schnittstelle zum Menschen zickt, ist alle Liebsmüh’ vergeblich. Mit der Spracherkennung Siri, die Apple in das neue iPhone einbaut - man darf davon ausgehen, dass Jobs auch hier bis zuletzt treibende Kraft war - wagt das Unternehmen den nächsten Schritt, Mensch und Maschine näher zusammen zu bringen. Schlechter als die Handschriftenerkennung des Newton wird Siri kaum werden, Apple kann die Zukunft der Interaktion damit neu geschrieben haben.

Die Wiederholung eines Fehlers, den Apple in den Achtzigern und Neunzigern schon einmal begangen hatte, verhinderten das überwältigende Feedback auf das iPhone und schlussendlich die Vernunft Apples und seines CEOs. Das iPhone war zunächst ein geschlossenes System, wer Software dafür entwickeln wollte, sollte das im Web mit speziell angepassten Seiten erledigen.

Ein Jahr nach dem Start des iPhone öffnete Apple die Architektur mit einem SDK und dem App Store. War früher gegen den Mac noch das Totschlagargument vorzubringen "Da gibt es doch keine Software für, und wenn ja, nur teure!" gilt nun das Gegenteil. Kein Softwareangebot ist so groß wie das für iPhone und iPad. Sicher legt auch die absolute Anzahl von Android-Apps zu, doch ist es pro Gerät doch wieder eingeschränkt. Und die in vielen Fällen zurecht kritisierte Kontrollwut der Wächter des App Store hat ihre positive Kehrseite: Apps aus dem iTunes-Angebot sind meist sauber programmiert und frei von Gefahr für die Sicherheit des Anwenders. Das iPhone ist mit iTunes und dem App Store zwar ein geschlossenes System, doch der überwiegenden Anzahl der Kunden reicht dieses Universum so weit, dass sie kein anderes mehr brauchen. Weder in Form von Android noch in Form eines Jailbreaks.

Apple nach Jobs

Die Nachfolge ist geregt, mit Tim Cook übernimmt ein effizienter und nüchterner Manager die Führung das Unternehmens. Der Innovation und Fantasie werden weiterhin Phil Schiller, Jonathan Ive, Scott Forstall und Bob Mansfield ihre Gesichter leihen. Die Apple-Universität wird künftigen Apple-Managern dabei helfen, die Gene des Unternehmens aufzusaugen, der angebissene Apfel wird noch lange strahlen, das Haus ist bestellt, sein Hüter gegangen.

Mach’s gut Steve, ruhe in Frieden und Danke für den Mac. Den iPod. Das iPhone. Das iPad. Und den ganzen Rest. (Macwelt)