IP-Storage, Tiering, Virtualisierung

Wie Unternehmen Storage-Probleme lösen

09.11.2011 von Ariane Rüdiger
Bei Datenwachstum setzen IT-Verantwortliche auf Konzepte wie Tiering, Virtualisierung oder IP-Storage. Wir zeigen Ihnen umgesetzte Lösungsszenarien.

Die Herausforderungen für Storage-Verantwortliche in Unternehmen sind nach der jüngsten Krise nicht kleiner geworden. Multimediale Inhalte, steigende E-Mail-Mengen mit immer größeren Anhängen und rigorose Aufbewahrungsbestimmungen sorgen dafür, dass die Datenberge weiter wachsen. Für das IT-Management geht es dabei längst nicht nur um Compliance-Zwänge oder Kosten, sondern vor allem auch um einen wirksamen Schutz vor dem Verlust geschäftskritischer Informationen. Was also tun?

Weg mit der E-Mail!

Nur wenige Unternehmen gehen beim Eindämmen der Datenflut so radikal vor wie Atos (vormals Atos Origin). Der IT-Dienstleister kündigte jüngst an, man wolle sich zumindest hinsichtlich der internen Korrespondenz spätestens in drei Jahren komplett vom E-Mail-Verkehr verabschieden. Bis dahin sollen die Mitarbeiter fit gemacht werden im Umgang mit Social-Media-Tools, mit denen sich Dokumente viel einfacher teilen und Kontakte ohne Mail-Versand pflegen lassen. Auch neue Ideen sollen künftig vorrangig auf den sozialen Plattformen diskutiert werden. Der Speicherbedarf steht hier zunächst nicht im Mittelpunkt der Überlegungen. Dennoch dürfte er in den Hinterköpfen der Entscheider eine Rolle gespielt haben: Atos Origin rechnet damit, dass der Mail-Berg durch den Social-Media-Einsatz um zehn bis 20 Prozent schrumpft.

Die meisten Firmen suchen derzeit noch nach konventionelleren Lösungen für ihre Speicherprobleme. Die Ergänzung der bestehenden Storage-Infrastruktur um "noch ein Array", das dann genauso schnell vollläuft wie das alte, ist dabei eher aus der Mode. Vielmehr erproben Anwender neue Konzepte, die mehr leisten als nur Daten zu speichern. Oft stehen dabei Themen wie Hochverfügbarkeit bei gleichzeitigem Flexibilitätsgewinn und eine Senkung des Datenvolumens im Vordergrund. Solche Projekte finden sich längst nicht mehr nur in Großunternehmen, sondern auch im Mittelstand.

Tiered Storage bei Hadra

Holger Littwitz, Vertriebsleiter beim Dienstleister Netzplan GmbH: "Die wichtigsten Storage-Themen bei Hanseatische Drahthandel waren Ausfallsicherheit, Hochverfügbarkeit und leichte Erweiterbarkeit."
Foto: netzplan

Ein Beispiel liefert die Hanseatische Drahthandel GmbH, kurz Hadra. Das Hamburger Unternehmen, ein Großhändler für Drahtwaren mit 70 Mitarbeitern, war lange mit direkt an die Server angebundenen Speichersystemen ausgekommen. An fünf Servern hingen insgesamt 1,2 TByte Speicherkapazität; jedes Jahr wuchs die Datenmenge um rund 20 Prozent. Die größten Datenquellen waren das ERP-Programm, E-Mail-Systeme und Bilddateien. Holger Littwitz, Vertriebsleiter beim Dienstleister Netzplan GmbH, der das Unternehmen seit etlichen Jahren betreut, erinnert sich: "Die wichtigsten Themen für Hadra waren Ausfallsicherheit, Hochverfügbarkeit und leichte Erweiterbarkeit."

Die Verantwortlichen entschieden sich, hoch skalierbare Storage-Systeme des Anbieters Nexsan einzusetzen, mit denen sich auch eine geschichtete (Tiered) Storage-Architektur realisieren lässt. In der Folge baute das IT-Team Hochverfügbarkeits-Cluster auf, die aus jeweils zwei Nexsan SASBoys und Nexsan iSeries 200i bestehen, wobei die Geräte auf unterschiedliche Brandabschnitte verteilt werden können. Jedes Gerät bietet eine Kapazität von 2,7 TByte. Redundant vernetzt wurden die Komponenten über HP-Procurve-Switches und gebündelte Ethernet-Leitungen.

Unterm Strich ließen sich mit der Installation mehrere Server einsparen. Die noch vorhandenen Server sind jetzt flexibler einsetzbar, zum Beispiel lassen sich rasch Testsysteme aufbauen. Die Speicherlandschaft besteht heute aus zwei Schichten: Die wichtigen Daten liegen auf SAS-Festplatten, von wo aus sie mittels eines Backup-Servers auf ein externes LTO-Band ausgelagert werden.

Load Balancing bei Rheinzink

Bei der Rheinzink GmbH & Co. KG aus Datteln, einem Unternehmen der Grillo-Gruppe, war die permanente Überlastung der Speichersysteme der Grund dafür, andere Lösungen zu suchen. "Die Auslastung der I/O-Schnittstellen lag permanent über 65 Prozent. Die Antwortzeiten waren untragbar", berichtet Ingo Berg, Geschäftsführer des ASB Informationstechnik GmbH, die als IT-Systemhaus unter anderem Rheinzink betreut. Bei dem Spezialisten für Bauzink mit rund 800 Mitarbeitern war 2007 das erste Storage-System mit 5 TByte installiert worden. Darauf greifen 550 Mitarbeiter zu, es ist die Basis für das weltweite CRM-System in 28 Landesgesellschaften.

Ein Storage Area Network (SAN) nutzt dabei 2-GBit/s-FC-Verbindungen. Das Speichernetz wurde mit drei Blade-Servern kombiniert, die 50 normale Intel-Server ablösten. Allerdings stellte sich später heraus, dass eine echte Hochverfügbarkeit mit den vorhandenen Storage-Systemen nicht realisierbar war. Erschwerend hinzu kam das pro Jahr um rund 15 Prozent anschwellende Datenvolumen.

Latenz: Der Bauzinkhersteller Rheinzink kämpfte mit zu langen Antwortzeiten der Speichersysteme.
Foto: Rheinzink

Vor diesem Hintergrund entschieden die IT-Verantwortlichen, neue Speichersysteme zu beschaffen und ein Backup-Rechenzentrum in 1000 Metern Entfernung zu errichten, das direkt über Glasfaserleitungen mit dem ersten RZ verbunden ist. "Wegen der Loadbalancing-Features der beiden Fujitsu DX 410, die wir nun verwenden, sind beide Seiten mit insgesamt rund 12 TByte Kapazität produktiv. Auf jeder liegen rund 50 Prozent Produktiv- und 50 Prozent Backup-Daten", erklärt Berg.

Das reduziere auch die Antwortzeiten. "Wir haben zwar keine Zahlen, aber wir bekommen deutlich die Zufriedenheit der Anwender zu spüren", so der Storage-Experte. Er plant als Nächstes die Migration der Infrastruktur auf Windows Server 2008 und Exchange 2010. Auch hier erweist sich die neue Umgebung als nützlich: "Wir können sehr einfach eine Testumgebung einrichten, um auszuprobieren, ob alles klappt."

Storage-Virtualisierung bei LV 1871

Bei der Münchner Lebensversicherung von 1871 auf Gegenseitigkeit (kurz: LV 1871) waren die explodierenden Speichermengen der Grund, eine andere Lösung zu suchen. "Wir brauchten immer schneller größere Kapazitäten, doch in unserem damaligen Fibre-Channel-SAN war der Speicher sozusagen grundsätzlich der falschen Maschine zugeordnet, was großen Aufwand verursachte", beklagt Alexander Triebs im Rückblick die Situation. "Und ein Load Balancing gab es auch nicht." Triebs ist derzeit für ein Speichervolumen von etwa 70 TByte zuständig, das Jahr für Jahr um 10 TByte wächst. Dazu gehören auch umfangreiche E-Mail-Archive mit strengen gesetzlichen Vorgaben. 2 TByte müssen täglich gesichert werden.

Load Balancing: Bei der Münchner Lebensversicherung von 1871 auf Gegenseitigkeit mussten die Speichersysteme flexibler werden.
Foto: LV1871

Mittlerweile hat der Storage-Verantwortliche die Infrastruktur auf IBM-Systeme migriert und setzt neben Maschinen aus der DS-Serie auf die Virtualisierungslösung SAN Volume Controller (SVC). Die Speichersysteme sind in drei Schichten unterteilt. "Der Speicher lässt sich jetzt völlig flexibel verteilen", so Triebs. Die Auslastung sei von knapp der Hälfte der Ressourcen auf rund 90 Prozent gestiegen. Es dauere nur noch Minuten, um für die 500 internen Mitarbeiter und 8000 externen Makler, die auf die Infrastruktur zugreifen, Speicher bereitzustellen. Triebs: "Früher waren es sechs bis acht Wochen."

Die Administrationsaufgaben schafft jetzt eine Teilzeitkraft in wenigen Stunden - bisher war dafür eine halbe Stelle nötig. Außerdem freut sich der IT-Manager über die "geschenkte" Spiegelungslösung, die im SVC steckt. Sie erlaube es, Datenbestände auch auf Systeme von anderen Herstellern als IBM zu spiegeln. Ebenso positiv fällt Triebs Kostenbilanz aus: "Unsere Infrastrukturkosten sind trotz ständigen Datenwachstums nicht mitgewachsen."

Tiering und Deduplizierung bei Kremsmüller

Bei der österreichischen Kremsmüller Industrieanlagenbau KG lagen viele unstrukturierte Daten verteilt auf verschiedenen Windows-File-Servern. Damit waren weder Backups noch Snapshots in einem angemessenen Zeitraum zu organisieren. Zudem gab es 20 bis 30 Prozent Doubletten, die Speicherraum verschlangen. Die 1961 gegründete Firma nutzt hardwareseitig Storage-Produkte von Hitachi.

"Eine Speziallösung für Deduplizierung hätte sich nicht gerechnet." Gregor Kremsmüller, Co-Chef der österreichischen Kremsmüller Industrieanlagenbau KG
Foto: Kremsmüller

"Als unsere Systeme am Ende der Kapazität waren, suchten wir nach neuen Lösungen und Möglichkeiten, das Datenwachstum in den Griff zu bekommen", sagt Gregor Kremsmüller, Juniorchef der Unternehmensgruppe, die 2200 Mitarbeiter beschäftigt, davon 17 in der IT. Die neue Lösung sollte auf jeden Fall auch eine Deduplizierung während der Datensicherung erlauben. Außerdem galt es, einen besseren Lagerort für die unstrukturierten Daten zu finden.

Kremsmüller entschied sich hardwareseitig für eine geschichtete Architektur, wobei Primary und Secondary Storage auf einer Hitachi AMS 2300 liegen. Das System ist für Tier 1 mit 30-TByte-SAS- und für Tier 2 mit 14-TByte-SATA-Platten ausgerüstet. In puncto Software setzt das Unternehmen auf Simpana 9 von CommVault, eine kombinierte Lösung für Backup, Archivierung und Deduplizierung. Sie reduziert die Datenmenge im Schnitt um 20 Prozent, wobei die Kompressionsrate beim Server-Backup wegen der großen Redundanz auf 80 Prozent ansteigt. "In eine Speziallösung nur für Deduplizierung zu investieren hätte sich bei unserer Datenmenge nicht gerechnet", erklärt der Manager. Die Backups laufen auf die Hitachi-Systeme (AMS 2300), von wo sie auf Tapes in eine Sun "SL500" Library weggeschrieben werden.

Mit dem Virtual Server Agent von CommVault werden Snapshots von 100 virtuellen Servern erstellt, damit ist kein Eingriff in die Produktivsysteme erforderlich. Gegen die Flut der unstrukturierten Daten implementierte Kremsmüller zusätzlich eine auf File-Services spezialisierte Hitachi "NAS 3080" inklusive Snapshot- und Datenmigration. Inzwischen werden E-Mails, die älter als ein Jahr sind, mit einer separaten Archivierungssoftware auf billigere SATA-Disks ausgelagert. Das entlastet die Exchange-Datenbanken, beseitigt Dubletten und spart so Speicherplatz. Zusätzlich lassen sich geschäftsrelevante Daten damit rechtssicher aufbewahren.

IP-Storage beim Märkischen Verlags- und Druckhaus

Als die Speichersysteme beim Märkischen Verlags- und Druckhaus in Frankfurt/Oder vor zwei Jahren aus der Wartung liefen, beschloss der stellvertretende IT-Leiter des mittelständischen Verlagshauses, nach neuen Lösungen zu suchen. "Für die alten Systeme brauchte man viel teures Spezialwissen, ständig musste umkonfiguriert werden", erklärt Karsten Claas. Im Unternehmen waren zu diesem Zeitpunkt 10 TByte zu verwalten - heute sind es bereits 30 TByte. In Zukunft rechnet der Manager mit zusätzlich 1 TByte pro Jahr. "Für die getrennte Speicherung von Texten und Bildern sowie für die kompletten PDFs brauchen wir viel Platz", erklärt er das schnelle Wachstum.

Die wichtigsten Auswahlkriterien waren für Claas eine einfache Administrier- und Erweiterbarkeit: "Für Spezialaufgaben wie Zoning haben wir nicht genug Personal." Zugriffe sollten außerdem sehr schnell gehen und das Backup mit einem engen Zeitfenster vorliebnehmen. Jede Woche werden 3 bis 4 TByte Daten auf Band gesichert. "Weil dabei gleichzeitig Schreib- und Lesezugriffe stattfanden, dauerte das vor unserem Architekturwechsel mehr als 24 Stunden", berichtet der IT-Verantwortliche.

Karsten Claas, stellvertretender IT-Leiter beim Märkischen Verlags- und Druckhaus in Frankfurt/Oder: "Für Spezialaufgaben wie Zoning haben wir nicht genug Personal."
Foto: ad

Nach einem Anbietervergleich wählte er die IP-Storage-Lösung HP Lefthand. Zehn Systeme der Modellreihe "P4300" mit jeweils 6 TB für Backup- und Testsysteme und acht Modelle "P4500" mit jeweils 5,4 TB Kapazität als Primär-Storage stehen heute in einer eigenständigen Gigabit-Ethernet-Installation. "Wir müssen nur einen Rahmen mit Festplatten in den 19-Zoll-Schrank stecken und können die neue Kapazität sofort nutzen", freut sich Claas.

Die Konfiguration erfordere höchstens ein bis zwei Minuten: "Heute kann jeder IT-Mitarbeiter ohne Probleme ein Storage-Volume anlegen." Weil die Systeme billiger waren als erwartet, konnte Claas mehr Kapazität kaufen als vorgesehen und sie im Backup-Rechenzentrum implementieren. Das Backup-Zeitproblem ist seither gelöst. "Unsere Sicherungen erledigen wir mit Snapshots, deren Daten wir ins Ausweichrechenzentrum überspielen, wo dieselben Systeme stehen", erklärt der IT-Manager. "Von da aus wandern sie auf Bänder, ohne den laufenden Betrieb zu stören." (Computerwoche)