Väter zwischen Job und Familie

"Wohnt der Papa im Büro?"

02.10.2014
Mehr Zeit für die Familie - das wünschen sich immer mehr Väter in Deutschland. Doch aus Furcht vor dem Karriereknick haben viele noch Skrupel, länger in Elternzeit zu gehen oder Teilzeitmodelle zu nutzen. Experten fordern deshalb ein Umdenken in den Unternehmen.
Der Spagat zwischen Beruf und Familie stellt viele Väter vor Probleme. Sie wollen mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen und an der Erziehung teilhaben - aber nur wenige gönnen sich mehr als die zwei "Partnermonate" der Elternzeit. Stattdessen sitzen sie lange im Büro.
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Ihre Rolle als Familienernährer haben die meisten Väter noch nicht abstreifen können. Hinzu kommt die Sorge, dass eine längere Aus- oder Teilzeit beim Chef oft nicht gut ankommt. Dabei sollten Führungskräfte ihren Mitarbeitern lieber Mut machen, rät Martin Sonnenschein von der Unternehmensberatung A.T. Kearney: "Elternzeit sollte ein Karriere-Turbo sein."

Die Wirklichkeit sieht aber häufig noch anders aus. So gaben in einer Studie von A.T. Kearney mehr als ein Viertel der befragten Väter an, sie hätten kein Vertrauen, mit ihrem Arbeitgeber über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu sprechen.

Umgekehrt glaubt nur gut ein Drittel der Männer, das Thema sei im eigenen Unternehmen eine Selbstverständlichkeit. Auch wenn es zahlreiche Programme gebe und viel Geld ausgegeben werde - entscheidend sei, dass Familienfreundlichkeit auch wirklich fest in der Unternehmenskultur verankert wird, sagt Sonnenschein.

Als Vorbild sieht er beispielsweise den Technikkonzern Bosch, der seinen Mitarbeitern Familienzeiten als Karrierepunkte anrechnet. Ein ähnliches Modell hat auch der Automobilzulieferer ZF in Friedrichshafen. Beim Elektrokonzern Siemens wird die Elternzeit auch von Vätern rege genutzt: 3277 Mitarbeiter gingen dort im vergangenen Geschäftsjahr in Elternzeit, davon 71 Prozent Männer.

"Wir stehen am Anfang eines guten Weges", sagt deshalb Iris Becker, Ressortleiterin für Frauen- und Gleichstellungspolitik beim Vorstand der IG Metall. Auch mit anderen Bausteinen wie familienfreundlichen Sitzungsterminen oder Arbeitsmöglichkeiten von zu Hause aus könnten Firmen ihren Mitarbeitern entgegenkommen. Es gelte, die lange eingeschliffene "Verfügbarkeitskultur" aufzubrechen, erklärt Becker.

Home Office mit Kindern - so klappt es
Wer von zuhause aus arbeitet, muss lernen, sich zu organisieren. Das gilt insbesondere für mobile Worker mit Kindern.
Tipps von Kristine Kupferschmidt
Kristine Kupferschmidt aus Freiburg i. Br. ist seit sieben Jahren Mutter und arbeitet viel im Home Office. Sie ist Trainerin für Akquise, Kundenkommunikation und Selbstmanagement.
Tipp: Der Arbeitsplatz muss Arbeitsplatz bleiben
Kupferschmidt sagt: "Verteidigen sie ihren Arbeitsplatz mit Hauen und Stechen!" Weder sollte der Home Worker seine Unterlagen in der ganzen Wohnung verteilen, noch dürfen die Kinder Präsentationen "verschönern" oder im elterlichen Arbeitsbereich spielen.
Tipp: Mit Kindern Büro spielen
Kinder ahmen gerne nach, was Mama oder Papa tun. Ein altes Handy, eine Pappschachtel mit aufgemalter Tastatur und Bildschirm geben ein "Kinderbüro" ab, in dem der Nachwuchs spielen kann - allein.
Tipp: Kinder müssen lernen, sich allein zu beschäftigen
Kupferschmidts Erfahrung: "Unsere Kinder haben schon als Kleinkinder gelernt, was ein Zeigefinger vor dem Mund bedeutet, wenn Papa gerade telefoniert, und die Hand Richtung Tür nichts anderes heißt als ,Umdrehen - geht gerade nicht'!" Hat sich das Kind richtig verhalten, sollte es nach dem Telefonat gelobt werden. So versteht es, dass weggeschickt zu werden keine Ablehnung bedeutet.
Tipp: Telefonat unterbrechen, wenn das Baby schreit
Hat sich ein Kind verletzt oder ist es noch im Babyalter und schreit während eines Telefonats, nützt alles nichts: man muss das Gespräch unterbrechen, das Kind versorgen, und dann zurückrufen. Kupferschmidt: "Bedanken sie sich beim Kunden, aber entschuldigen sie sich nicht dafür, dass sie im Home Office sitzen und Kinder haben."
Tipp: nicht die Veränderung der Arbeitswelt unterschätzen
Kupferschmidt verfügt nach sieben Jahren Mutterschaft und Home Office über ein Netzwerk von Menschen in ähnlicher Situation. Dort hat sie sich umgehört. Erfahrung vieler: die Arbeitswelt hat sich verändert, und es gibt für arbeitende Mütter und Väter mehr Verständnis und Wohlwollen, als mancher geglaubt hat.

Schlussendlich ist Eltern- und Teilzeit aber vor allem auch eine Frage des Geldes. Weil Frauen im Schnitt weniger verdienen als Männer, tauscht die große Mehrheit der Väter nur für zwei Monate den Schreib- gegen den Wickeltisch - und erfüllt damit gerade die Mindestdauer, um überhaupt Elterngeld zu beziehen.

Der Großteil der bezahlten Elternzeit von bis zu 14 Monaten entfällt damit auf die Frauen. Trotzdem sieht Stefan Becker, Geschäftsführer der Initiative Beruf und Familie, die Entwicklung positiv. "Lange Zeit hat sich überhaupt nichts bewegt und es wurde nur moralisiert, die Väter müssten sich stärker beteiligen", sagt der Experte.

Inzwischen gebe es aber sinnvolle Anreize wie das neue "Elterngeld Plus". Vater und Mutter können es zusätzlich für vier Monate beziehen, wenn sie sich die Kinderbetreuung teilen und parallel für mindestens vier Monate zwischen 25 und 30 Wochenstunden arbeiten.

Auch beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) ist man zuversichtlich. "Je besser Familie und Karriere zusammenpassen, desto eher werden vor allem auch Männer von diesen betrieblichen Angeboten angesprochen", meint der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks.

Trotzdem gelte es, die Rahmenbedingungen weiter zu verbessern: "Das Kinderbetreuungsangebot muss weiter verbessert werden - nicht nur für die ganz Kleinen." So sollten künftig auch Eltern von Schulkindern bis zur sechsten Klasse von steuerfreien Arbeitgeberleistungen zur Kinderbetreuung profitieren können, fordert Dercks. "Mittelfristig brauchen wir einen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsschulplatz in Deutschland. Nur dann können Eltern die flexiblen Arbeitszeitmodelle auch durchgängig nutzen."

Eltern wissen derweil, dass auch solche Modelle viel Selbstdisziplin verlangen. Der gehetzte Blick aufs Smartphone macht einen Spielplatz-Ausflug schnell unentspannt und wird vom Nachwuchs genau registriert. Immer noch besser allerdings, als die Kinder nach einem langen Arbeitstag erst beim Zubettgehen oder gar nur am Wochenende zu sehen und dann die Frage zu hören: "Wohnt der Papa im Büro?" (dpa/rs)