Suchmaschinen in China und Russland

Yandex - das unkontrollierte Russland

07.11.2014 von Mathias von Hofen
Während russische TV-Sender weitgehend gleichgeschaltet sind, bietet das Internet weiterhin Raum für kritische Kommentare - nur wie lange noch? Mathias von Hofen berichtet.

Russland ist für Google ein ähnlich schwieriges Land wie China. Im Jahr 2013 betrug der Marktanteil von Google in Russland lediglich 20 Prozent. Dabei ist in Russland die staatliche Einmischung und Zensur im Internet insgesamt weniger direkt und strikt als in China.

Zwar ist in den letzten Jahren und insbesondere seit dem Beginn der Krise in der Ukraine die Kontrolle des Internets schärfer geworden. Zum Teil wurden auch der Regierung unliebsame Webseiten gesperrt. Doch bisher wurde die Arbeit der in- und ausländischen Suchmaschinenbetreiber in Russland nicht direkt behindert.

Doch wie ist der im europäischen Vergleich geringere Marktanteil von Google in Russland zu erklären? Zum einen liegt es sicherlich an der komplexen russischen Sprache. Russische Mitbewerber haben hier gegenüber Google einen natürlichen Vorteil. Diesen Wettbewerbsvorteil hat sich besonders die Suchmaschine Yandex zunutze gemacht, die einen Marktanteil von 60 Prozent in Russland hat. Zum anderen war Yandex bereits im Jahr 1997, und damit vor Google, auf dem russischen Markt.

Diesen zeitlichen Vorsprung hat Yandex genutzt und liefert nun Suchergebnisse, die sich mit Google durchaus messen lassen können. Auf regionaler Ebene soll Yandex zum Teil sogar präzisere Ergebnisse als Google liefern, zum Beispiel bei der Suche nach Restaurants oder Einkaufsmöglichkeiten in einigen russischen Städten. Schon aufgrund der Größe des Landes kommt der regionalen Suche in Russland eine besondere Bedeutung zu.

Yandex bemüht sich um eine kontinuierliche Verbesserung der Ergebnisse bei den Suchabfragen. Seit dem Frühjahr 2013 gibt es bei Yandex eine personalisierte Suche, die bisherige Suchabfragen der Nutzer auswertet und ihnen Ergebnisse liefert, die speziell auf ihre Interessen und ihren Informationsbedarf zugeschnitten sind.

Yandex expandiert vor allem in andere Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Aber auch auf dem türkischen Markt ist Yandex präsent, wo es mittlerweile einen Marktanteil von gut 2 Prozent hält. In Deutschland plant Yandex offensichtlich einen baldigen Markteintritt. Bereits jetzt gibt es eine Kooperation mit MetaGer.de, in die Yandex integriert ist.

Zu den russischen Mitbewerbern von Yandex gehört die Suchmaschine Rambler, die von einem Marktanteil von ehemals 10 auf nur noch knapp 2 Prozent zurückgegangen ist. Die weiter bestehende Konkurrenzsituation hält Yandex aber keineswegs vor einer Zusammenarbeit mit Rambler ab: Yandex liefert Rambler aufgrund einer Kooperation zwischen beiden Unternehmen die Ergebnisse bei Suchmaschinenanfragen.

An Facebook und Twitter beteiligt

Durch sein starkes Wachstum in den letzten Jahren ist Yandex zur viertgrößten Suchmaschine weltweit geworden. Das Unternehmen ist ein Jahr älter als Google. Mittlerweile zählt Yandex über 4000 Mitarbeiter. Im Mobilbereich plant Yandex mit dem sogenannten Yandex.Kit eine eigene Version für Android, um sich damit von Google unabhängig zu machen. Im Jahr 2012 führte Yandex auch einen eigenen kostenlosen Browser auf dem russischen Markt ein, der in Versionen für Android, Windows und Mac OS X erhältlich ist und mittlerweile einen Marktanteil von 7 Prozent in Russland hat (vgl. liveinternet.ru).

Neben Google und Yandex können sich andere Suchmaschinen in Russland nur mit verhältnismäßig kleinen Anteilen am russischen Markt behaupten: Dazu gehört, neben Rambler, vor allem die Suchfunktion des Mailportals Mail.ru mit einem Marktanteil von knapp 10 Prozent. Mail.ru ist eines der größten und bekanntesten Portale im russischen Internet. Dahinter steht die Mail.ru-Gruppe, die weltweit in Online-Firmen investiert und auch Anteile an Facebook Inc. (circa 500 Millionen US-Dollar), Twitter (400 Millionen US-Dollar) und dem Rabattportal Groupon hält.

Politische Einflussnahme

Allerdings ist der russische Online- und Suchmaschinenmarkt auch durch ein gewisses Moment der Unsicherheit geprägt. Bisher war die Kontrolle des russischen Internets weit weniger strikt als in China. Die russische Regierung hatte sich vor allem auf die Kontrolle der Radio- und Fernsehsender des Landes konzentriert und dabei dem Internet nur begrenzt Aufmerksamkeit geschenkt. So entstand die bemerkenswerte Situation, dass das russische TV-Programm weitgehend gleichgeschaltet ist, während das Internet bisher stets viele Plattformen für kritische Kommentare und Stellungnahmen bot.

Seit wenigen Jahren schenkt die russische Regierung jedoch dem Internet mehr Aufmerksamkeit. So erließ die Regierung im Jahr 2012 ein neues Gesetz, dass es Behörden ermöglicht, Websites ohne Gerichtsbeschluss zu blockieren. Das Gesetz wurde mit dem Vorgehen gegen Kinderpornografie begründet, doch es hat auch eine politische Stoßrichtung. Außerdem setzt der Kreml seit einiger Zeit IT-Unternehmen unter Druck, die sich bis dahin erfolgreich seiner Kontrolle entziehen konnten. So hat der Gründer des sehr erfolgreichen Netzwerks VK.com sein Unternehmen, wohl vor allem aufgrund politischen Drucks, verlassen und seine Anteile verkauft. Das Unternehmen soll jetzt indirekt vom Putin Vertrauten Igor Setschin und dem Oligarchen Alischer Usmanow, der Mitbesitzer von Mail.ru ist, kontrolliert werden.

Der Konflikt in der Ukraine hat Bestrebungen zur politischen Kontrolle des Internets in Russland weiter verstärkt. Es erscheint möglich, dass auch Yandex stärker in den Fokus der auf Kontrolle zielenden Politik gerät. Äußerungen Putins zu Yandex aus dem Jahr 2013 zu einem dort angeblich vorhandenen "ausländischen Einfluss" lassen dies möglich erscheinen - siehe Spiegel Online.

Auch die beabsichtigte Gründung einer staatlichen kontrollierten Suchmaschine durch die russische Regierung steht offensichtlich im Zusammenhang mit Versuchen mehr Kontrolle über das Internet zu gewinnen. Allerdings scheint das Projekt sputnik.ru unterfinanziert zu sein, insbesondere im Vergleich zum Etat, der Yandex zur Verfügung steht. Nach eigener Darstellung orientiert sich Sputnik auf "offizielle und amtliche Quellen", "erleichtert das Leben im Staat und der Gesellschaft" und schließt Links zu Quellen mit Bezug zu Drogen und Pornografie aus (vgl. corp.sputnik.ru). Es erscheint jedoch fraglich, ob das Projekt wirklich eine Alternative zu Yandex und Google werden kann.

Strategie für deutsche Unternehmen

Am Ende dieses Artikels stellt sich selbstverständlich die Frage, welche Konzepte ein deutsches Unternehmen auf einem von Wachstum, aber auch politischer Einflussnahme geprägten Online-Markt wie Russland entwickeln muss. Dabei machen deutsche Unternehmen mitunter auch nicht unerhebliche Fehler. Der Trend zu einer immer stärkeren Gewichtung der Inhalte bei Suchmaschinen findet sich bei Yandex ebenso wie bei Google. Falsche Keywords oder unglückliche Übersetzungen können sich daher auf das Ranking bei den Suchmaschinen negativ auswirken und zudem auch dem Image des Unternehmens insgesamt schaden.

Besonders problematisch ist die direkte Übersetzung von deutschen Begriffen ins Russische, die beim russischen Leser im besten Fall Heiterkeit und im schlechtesten Fall Verärgerung auslösen. Die Unterstützung durch Mitarbeiter mit guten Sprachkenntnissen ist daher besonders wichtig, falls man nicht ohnehin externe Experten mit dem Online-Marketing beauftragen will.

Wenn russische Kunden geworben werden sollen, empfiehlt sich auf jeden Fall die Einrichtung einer Domain, die mit ru endet. Denn Yandex legt, ebenso wie Google, Wert auf regionale Relevanz. Deswegen könnte sich auch ein Server mit Standort in Russland empfehlen, da Yandex über die IP-Adresse den Serverstandort erkennen kann. Der Kauf von Links ist in Russland nicht sinnvoll, da Yandex gegen Ende des Jahres 2013 ankündigte, sogenannte Backlinks als Faktor für das Ranking nicht mehr zu bewerten.

Doch bereits zuvor wurde der massenhafte Einsatz von Backlinks von Yandex als Spam eingeschätzt und entsprechend negativ gewertet. Der Gebrauch der russischen Sprache kann gewisse Probleme für die Werbung mit sich bringen, da nicht alle Browser Kyrillisch korrekt anzeigen können. Daher sollte ein deutsches Unternehmen bei seinem russischen Webauftritt am besten mit einem Transliterationssystem arbeiten. So können die Seiten auch von "westlichen" Suchmaschinen wie Google problemlos erfasst werden - siehe marcel-schrepel.biz.

Grundsätzlich sollte von deutscher Seite auch stets berücksichtigt werden, dass Yandex immer noch langsamer arbeitet als Google. Damit werden Änderungen und Verbesserungen am Internetauftritt von Yandex auch später erfasst. Prozesse der Suchmaschinenoptimierung erfordern daher Geduld und einen vergleichsweise "langen Atem", bis sich Erfolge zeigen.

Schwierige Märkte für Online-Marketing

Grundsätzlich sollten Werbekampagnen in Russland langfristig geplant werden. Über Yandex.Direct kann jedes Unternehmen bei Yandex Suchanzeigen selbst schalten. Diese werden neben den organischen Suchergebnissen veröffentlicht (ganz ähnlich wie bei Google). Neben Yandex ist eventuell auch eine Anzeige in weiteren Suchmaschinen wie Mail.ru und Rambler zu erwägen. Zumal beide Webseiten zu den populärsten in Russland gehören, da sie neben der Suchmaschinenfunktion noch weitere Leistungen bieten wie zum Beispiel Service-Portale in den Bereichen Reisen, Immobilien und Finanzen, E-Mail-Accounts und aktuelle Nachrichten.

Es gibt, sowohl in Deutschland wie in Russland, viele Firmen, die sich auf Online- und Suchmaschinenmarketing speziell für den russischen Markt spezialisiert haben. Es kann sich durchaus lohnen, ein solches Unternehmen heranzuziehen, insbesondere wenn sich im eigenen Unternehmen keine Mitarbeiter mit ausreichenden Sprachkenntnissen und grundlegendem Wissen im Online-Marketing befinden. Dies ist jedenfalls eine Möglichkeit auf dem perspektivreichen und nicht unbedingt leicht zu erschließenden russischen Markt, und dies gilt natürlich auch für den mindestens ebenso schwierigen chinesischen Markt, zu bestehen.