Creditplus Bank

Zentralisieren auf Schwäbisch

30.11.2007 von Rolf Roewekamp
Die Stuttgarter Bank gehört zur genossenschaftlichen Crédit-Agricole-Gruppe. Wie IT-Vorstand de Lassus und seine internationalen IT-Chefs ihr Know-how zentralisieren und wie die Strategie bisweilen an ihre Grenzen stößt.
Jean-Gaston de Lassus, IT-Vorstand Creditplus Bank.

Vorstand Jean-Gaston de Lassus von der Stuttgarter Creditplus Bank ist auf vielen Ebenen aktiv. Zurzeit arbeitet er zusammen mit Kollegen aus Marokko, Polen und Frankreich an einer neuen IT-Plattform. Das Wissen der drei Länder sammelt wiederum ein Team in Paris, das das Projekt auch steuert und die Kreditplattform operativ programmiert. Im ersten Quartal 2008 soll sie fertig sein und anschließend erstmals implementiert werden - in Tschechien. Und die Komplexität wird noch steigen.

Die auf Konsumentenkredite spezialisierte Creditplus Bank gehört zur französischen Sofinco-Gruppe, die wiederum eine Tochter des Bankenverbands Crédit Agricole ist. Sofinco arbeitete bislang in zehn Ländern Europas und Nordafrikas. Doch Ende 2005 beschlossen die Mitglieder der Sofinco-Gruppe in ihrer Entwicklungsstrategie, jedes Jahr in den Markt eines neuen Landes einzutreten.

Zur Person: Jean-Gaston de Lassus.

Damit fängt die Komplexität erst an: Sofinco ist wie der gesamte Agricole-Konzern geprägt von einer genossenschaftlichen Unternehmenskultur. Streng hierarchische Beschlüsse ließen sich in der lang gelebten dezentralen Kultur nicht durchsetzen. Doch stieß diese Organisation mit der neuen Wachstumsstrategie an ihre Grenzen, weswegen die Genossen dazu übergehen, mehr und mehr Funktionen zu standardisieren. "Wir konsolidieren aber nicht alle Systeme aller Länder. Der Aufwand stünde in keinem Verhältnis", sagt der gebürtige Franzose de Lassus.

Stattdessen schauen die IT-Manager nun bei jedem neuen Kreditprodukt darauf, ob sich dieses wiederverwenden und in anderen Ländern ausrollen lässt. Für einen allgemeinen Austausch treffen sich die IT-Verantwortlichen der internationalen Tochtergesellschaften zwei Mal im Jahr. Hier bilden sie zwar Arbeitsgruppen zu bestimmten Themen, doch die konkrete Arbeit findet anschließend zwischen den einzelnen Ländern und einem zentralen Team in Paris statt.

IT muss in den Vorstand

Der besonderen Bedeutung der IT trug Creditplus Rechnung, indem sie de Lassus im Dezember 2006 in den Vorstand beförderte. Schon seit März 2004 arbeitete der Ingenieur mit Abschlüssen an der École Polytechnique und École Nationale des Ponts et Chaussées sowie einem Master of Science am M.I.T. in Boston als CIO und Generalbevollmächtigter bei den Stuttgartern. Als Vorstand kann de Lassus nun besser absehen, welche Produkte die Bank in den kommenden zwölf Monaten anbieten will und mit welchen potenziellen Neukunden sie spricht. Mit diesem Wissensvorsprung kann er die IT frühzeitig auf kommende Projekte vorbereiten - oder neue Bank-Angebote im Hinblick auf deren Rentabilität vorausschauender planen.

Ein weiterer Vorteil als Vorstand besteht für de Lassus darin, dass er in dieser Position auf internationaler Ebene die IT-Anliegen de Creditplus Bank ebenso vertritt wie die Interessen der französischen Aktionäre. "So kann ich bei gemeinsamen Projekten besser zwischen kurzfristigen Nachteilen für die Landesgesellschaften und langfristigen Vorteilen der Gruppe vermitteln", erläutert er seine Übersetzerrolle.

Fakten zur Creditplus AG.

Beim ersten großen gemeinsamen Projekt entschieden sich die Gruppen-Manager für den Bau einer Standardplattform, um das anvisierte schnelle Wachstum des Verbunds zu unterstützen. Auf dem System könnendie Banken sowohl Ratenkredite als auch Leasing und Revolving (Kredit, der innerhalb eines vereinbarten Zeitraums zurückbezahlt und wieder beansprucht werden kann und per Kreditkarte oder Telefon abrufbar ist) abwickeln. An dem Projekt beteiligten sich Deutschland, Marokko und Polen, weil sie schon mit einzelnen Komponenten der künftigen Plattform arbeiten. Die Zielplattform setzt sic h also aus den besten Funktionen der drei Länder sowie Neuentwicklungen zusammen. Dabei will die Gruppe nicht mehr als zwei Millionen Euro pro Einführung in einem neuen Land ausgeben. Es sei aber nicht der Kostendruck, der die Länder zusammenrücken lässt, betont de Lassus. "Die Gruppe will in jedem neuen Land innerhalb von zwölf Monaten die neue Organisation fertig aufbauen. Für das Tempo brauchen wir eine Standardplattform."

Jedes Land teilt seine Erfahrungen einem zentralen Team in Paris mit, damit dort ein gemeinsamer Ressourcen-Pool entsteht. Außerdem soll das Team bessere Konditionen bei IT-Dienstleistern herausholen und sie später besser steuern. Den Weg dahin drückt auch der Projektname aus: "Capitalisation". "Wir wollen auf Basis unseres gemeinsamen Wissens kapitalisieren und über eine schnell ausrollbare Standardversion verfügen", erklärt de Lassus.

Dafür nimmt Creditplus auch den anfänglichen Mehraufwand in Kauf. Wenn die Bank künftig auf zentral gesammeltes Wissen in Paris zurückgreift und in der Gruppe einheitliche Prozesse entstehen, dann können sie und die Gruppe auch international arbeitende Kooperationspartner anschließen. Außerdem will Creditplus damit sein eigenes Angebot ausbauen. Zurzeit ist das System auf die Abwicklung von Ratenkredite ausgerichtet. Künftig will die Bank auch andere Dienste wie Revolving und Leasing anbieten, wobei sie dann vordefinierte Prozesse der Standardplattform übernehmen und lokal in Deutschland umsetzen kann.

Die Landesgruppe in Portugal hat schon vorgemacht, wie in Zukunft alle Länder miteinander kooperieren und Vorteile aus dem gemeinsamen Handeln ziehen können. Sie übernahm von der Gruppe einen fertig verhandelten Vertrag, in dem Leistungen und Preise mit dem IT-Dienstleister bereits geregelt waren. Zugleich erhielt sie die komplette Projekt- und Prozessdokumentationen, ein vorkonfiguriertes System sowie Berater aus der Gruppe für die Einführung.

Kein Geld - kein Ärger

Laut de Lassus arbeiten die Länder bisher problemlos zusammen. Das liegt auch daran, dass Länder und Zentrale nur Wissen austauschen. Geld fließt für die Projekte nicht nach Paris. Ein weiterer Grund liegt in der Roll-Out-Strategie. Jedes neue Land muss künftig die Standardplattformen einsetzen. Egal, ob die Gruppe im neuen Land eine Bank auf der grünen Wiese aufbaut oder ob sie eine Bank mit Altsystemen übernimmt. Alte Mitglieder dagegen wie Deutschland, Polen und Marokko können, müssen aber die Plattform nicht implementieren. Ein Ansatz, der viel Konfliktpotenzial vermeidet. Langfristig könne allerdings durchaus der Druck auf die alten Länder wachsen, auch auf das Standardsystem zu wechseln, räumt de Lassus ein.

Aber nicht nur die Komplexität der genossenschaftlichen Prägung begrenzt die Zentralisierung. Ein weiterer Grund liegt wie bei allen international aufgestellten Unternehmen in der Verständigung. "Englisch als Projektsprache funktioniert noch, weil in den Projektgruppen Mitarbeiter mit guten Kenntnissen arbeiten. Aber Englisch als Gruppensprache ist eine klare Grenze für einen zu tiefen Zentralismus", weiß de Lassus.

Mit der Komplexität von Sprache und Organisationsform steht Creditplus allerdings nicht allein dar. So hält de Lassus auch die genossenschaftliche Struktur der Sofinco-Gruppe nicht für einen Wettbewerbsnachteil. Große zentral aufgestellte Banken hätten ähnliche Hürden zu überwinden, weil auch bei ihnen die IT sehr oft dezentral organisiert sei.