Einsatz in Unternehmen

4 Gründe gegen Google Apps

18.11.2011 von Lars Reppesgaard
Seit zehn Jahren ist Google in Deutschland präsent. Doch vier Gründe sprechen noch gegen den Suchmaschinen-Riesen als Anbieter von Business-Software.
Rüdiger Spies, Analyst bei IDC: "Die Cloud spaltet die Gemüter. Viele Entscheider sagen, wenn überhaupt, dann wagen wir so etwas, wenn SAP oder IBM draufsteht."
Foto: IDC

Das Jubiläum lässt aufhorchen: Seit zehn Jahren ist der Suchmaschinen-Riese in Deutschland vertreten. Ein Thema für CIOs ist Google aber erst seit Kurzem. Und das, obwohl sich Google schnell daranmachte, seine unternehmensinterne Suchtechnologie, die Search Appliance-Produkte, zu vermarkten.

Seit 2007 versucht das Unternehmen, seine Apps auch im Enterprise-Bereich zu positionieren. Noch setzen vor allem Start-ups und kleine Technologieunternehmen auf Googles Mail- und Bürosoftware aus der Cloud. Doch mit der Agentur Scholz & Friends und dem Schweizer Ringier Verlag kann der Suchmaschinenbetreiber bereits auf einige etablierte Business-Kunden verweisen. Die Fluglinie KLM, der britische Autobauer Jaguar Landrover und der französische Autozulieferer Valeo gehören zu den großen App-Anwendern in Europa, die jeweils einige tausend Mitarbeiter mit Googles Enterprise-Software arbeiten lassen.

Ein wenig hat es Google also geschafft, ein zweites Standbein neben dem Online-Werbegeschäft aufzubauen. "Immer mehr CIOs haben uns und das Thema Cloud auf den Radar", sagt Petra Sonnenberg, Leiterin des B2B-Bereichs bei Google Deutschland. "Jedes große Unternehmen spricht auch mit uns zum Thema Google Apps." Experton-Analyst Axel Oppermann bestätigt das: "Man ist im Business-Bereich mit Collaboration- und Office-Lösungen auf dem Weg zu einem Trusted Vendor zu werden."

Zwar geben 17 Prozent der 11 000 Unternehmen im Lande, die das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) im Auftrag von Google Deutschland befragte, an, Googles Web-basierte Lösung zur Zusammenarbeit und Kommunikation im Firmenkontext zu nutzen. Doch wirklich aussagekräftig ist diese Zahl nicht.

Weder ist aufgeschlüsselt, wie viele Befragte wirklich Apps und Collaboration-Tools nutzen und wie viele etwa nur Googles Mail-Server einsetzen, über die Suche recherchieren oder Google Translate als Übersetzungshilfe nutzen. Noch ist klar, wie viele der Befragten die Enterprise-Angebote dauerhaft nutzen. "Wir sehen oft, dass die Kunden testen, sich dann aber gegen Google entscheiden", sagt Oppermann. "Der Einsatzgrad der Werkzeuge ist noch gering."

Vier Gründe gegen Google

Erstens: Nach Ansicht der Experten ist es noch ein weiter Weg, bis Google es schafft, sich als Business-Partner zu etablieren. Das liegt unter anderem am radikalen Cloud-Ansatz, den die Company aus Mountain View verfolgt, "Die Cloud an sich spaltet die Gemüter", sagt Rüdiger Spies, Analyst bei IDC. "Viele Entscheider sagen, wenn überhaupt, dann wagen wir so etwas, wenn SAP oder IBM draufsteht. Wenn, dann trauen wir denen das Enterprise-Geschäft zu."

Zweitens: Nicht nur der Ruf als Endkundenunternehmen oder vermeintliche Daten-Krake erschwert das Enterprise-Geschäft. Axel Oppermann spricht auch von der "fehlenden Enterprise-Fähigkeit der Organisation Google". Ein Problem ist der Support. "Google Apps Enterprise-Support muss offenbar mindestens einen ‚Business Day‘ warten, bevor sie antworten", twittert etwa verärgert der Technikchef des Hamburger Start-ups Toptranslate Matthias Bauer.

Drittens: Auch die Tatsache, dass Google oft durch die Hintertür auf Initiative einzelner Anwender in die Unternehmen kommt, sorgt vielerorts für Stirnrunzeln. "Abteilungen oder Zweigstellen setzen die Google Apps oft heimlich ein", berichtet Axel Oppermann.

Die unkontrollierte Verbreitung und Nutzung von Cloud-basierten Diensten durch fachfremde Mitarbeiter ist eine der Hauptsorgen der CIOs, wie eine Befragung von 570 IT-Entscheidern des Managed-Services-Anbieter Avanade ergab. 64 Prozent haben Bedenken, dass ein unkontrollierter Zugang zu Cloud-Computing-Diensten zu einer unüberschaubaren Nutzung und zu höheren Kosten im Unternehmen führt. Mehr als die Hälfte der Unternehmen gibt an, aus diesem Grund bereits Blocking-Technologien implementiert zu haben, die Angestellte davon abhalten sollen, bestimmte Cloud-Services zu nutzen.

Viertens: Vor allem im Vertrieb liegt Google im Vergleich mit Wettbewerbern hinten. Aus gerade mal fünf Köpfen, Sonnenberg eingeschlossen, besteht das deutsche Team. "Wir sind ein kleiner, feiner Stoßtrupp", sagt sie. Um flächendeckend enge Kontakte mit den CIOs in Deutschland zu halten, ist das zu wenig. Und um Unternehmen die Möglichkeiten der Cloud-basierten Mail-, Office- und Collaboration-Technologie nahezubringen, reicht das erst recht nicht aus. "Der Anspruch von Google ist, dass keine Schulung nötig ist und nichts on site installiert werden muss", sagt Spies. "Deswegen glaubt man, auf das Partnernetzwerk verzichten zu können."

Spezialisierte Newcomer

Tatsächlich stufen laut IW zwei Drittel aller Nutzer Schulungsaufwand und Einarbeitungsdauer bei Apps als gering ein. Trotzdem bemängelt Oppermann, dass "vor allem in der Region Partner fehlen. Viele Unternehmen jeder Größe brauchen einfach Hilfe bei Planung und Integration von Enterprise-Apps".

Unterstützt wird Googles Enterprise-Team zwar seit Januar 2009 von einer Gruppe von Resellern, darunter sind aber nur wenige klassische Systemintegratoren. Diese Partner sind häufig spezialisierte Newcomer wie die Cloud Pilot GmbH in Oberursel, Vaices in München oder der US-Dienstleister Cloud Sherpas. Ob sie geeignet sind, Brücken zu skeptischen IT-Entscheidern zu bauen, ist offen. Petra Sonnenberg ist aber optimistisch: "Bald werden wir uns wünschen, dass der Tag 48 Stunden hat, damit wir alles abarbeiten können."