Captain Instinct und Co.

7 IT-Superhelden und ihre fatalen Fehler

23.05.2023 von Dan Tynan
Manche haben den perfekten IT-Riecher, andere lösen komplizierte Probleme unter Druck: Superhelden können IT-Projekte retten, verursachen aber auch Risiken.
IT-Superhelden sind keine Witzfiguren. Sie haben Fähigkeiten, die nicht hoch genug zu schätzen sind - aber jede hat auch seine dunkle Seite.
Foto: jokatoons - Fotolia.com

IT-Superhelden können nicht fliegen - zumindest nicht ohne Flugzeug. Sie haben keinen Röntgenblick und tragen keinen Superman-Umhang. Doch die Computerfreaks, die Tag für Tag in Unternehmen rund um die Welt unterwegs sind, haben andere außergewöhnliche Kräfte. Einige haben einen Instinkt dafür, Lösungen für Probleme zu zaubern. Andere beheben in aller Schnelle Fehler und arbeiten am besten unter Druck oder wenn schon alles verloren scheint.

Ohne mindestens einen Typen von Superhelden kommen die meisten IT-Organisationen nicht aus. Doch Vorsicht: Alle Helden haben fatale Fehler, und manchmal ist ein Held nicht, was er zu sein scheint. Zu sehr auf Heldentaten von ITlern zu bauen, kann nach hinten losgehen.

Wir stellen sieben IT-Superhelden vor, von denen jeder auch ein getarnter Superschurke sein könnte. Sie brauchen keinen Fledermaus-Detektor, um sie zu finden - suchen Sie einfach in Ihrer IT-Abteilung.

1. Captain Instinct

Superkraft: IT-Intuition wie von einer anderen Welt

Technische Abschlüsse von den besten Universitäten und hochspezielle Weiterbildungszertifikate sind ja schön und gut, aber wer ein IT-Superheld sein will, muss manchmal einfach auf seinen Bauch hören.

"Wichtig ist die Fähigkeit, dass Sie Ihren Weg durch die Dinge fühlen", sagt Anthony R. Howard, Bestseller-Autor ("The Invisible Enemy: Black Fox") und unabhängiger Technologie-Berater für Fortune-50-Unternehmen und das US-Militär. "Freaks der alten Schule wie ich, die sich seit 20 Jahren mit diesem Zeug beschäftigen, fühlen einfach, was falsch ist und wie man es behebt."

Inkompatibles Laufwerk legt Storage-System lahm

2007 rief ihn eine Großbank, deren Storage-Arrays streikten. "Vier Tage lang haben sie alle möglichen Leute angerufen, um die Ursache des Problems zu finden, dann mich. Bevor ich irgendetwas anfasste, hatte ich das Problem behoben", erzählt Howard.

Das IT-Team hatte in einem älteren Array ein neues Disc-Laufwerk eingebaut. Weil beides nicht miteinander kompatibel war, legte das ganze System eine Vollbremsung hin. "Mit so vielen Jahren IT-Erfahrung hatte ich eine Art sechsten Sinn, woran es liegen könnte", sagt er. "Es gab nur ein paar mögliche Ursachen, die ein voll redundantes Array lahmlegen können, abgesehen von einem Stromausfall. Ich bin meinem Bauchgefühl gefolgt."

Der Fehler kostete die Bank mehrere Millionen US-Dollar. Das gesamte IT-Team wurde gefeuert - mit einer Ausnahme: Ein Mitarbeiter war mit der Wahrheit herausgerückt, statt zu versuchen, sich aus der Affäre zu ziehen, berichtet Howard.

Seine Art der Problemlösung hat allerdings eine Kehrseite. Wer die falsche Ursache vermutet, dem fällt seine Intuition auf die Füße. "Wenn Ihr Bauchgefühl Sie in eine Richtung drängt, prüfen Sie erst die Fakten, bevor Sie mit Ihrer Theorie an die Öffentlichkeit gehen", rät Howard. Wer am Ende trotzdem falsch liege, dem könne es keiner verübeln, weil er seinen Lösungsweg ja begründet habe.

2. Der Fantastic Plastic Tech Man

Superkräfte: Extreme Ausdauer und Flexibilität

Wenn die anderen schon gehen, bleibt der Fantastic Plastic Tech Man noch im Büro und erledigt bis in die Nachtstunden dringende Arbeiten.
Foto: Alterfalter - Fotolia.com

Der unermüdliche Administrator, der nie offline ist; der Netzwerk-Ingenieur, der 24-Stunden-Schichten schiebt im Katastrophenfall; der Coder, der niemals zu schlafen scheint: Sie sind meist gezwungenermaßen IT-Helden, nicht weil sie diesen Weg gewählt haben.

Personalabbau: ITler machen die Arbeit von dreien

Durch Personalabbau müssen viele IT-Profis heute die Arbeit von zwei oder drei Leuten machen, sagt Mike Meikle, CEO der Hawkthorne Group, eines Boutique-Management- und Technologie-Beratungsunternehmens. Auch wenn grundlegende Administrations- oder Support-Aufgaben ausgelagert wurden: Sobald die Fremdfirma oder der Managed Service Provider an die Grenzen des im Vertrag Vereinbarten stößt, fällt die zusätzliche Arbeit diesen Helden zu.

"Sie sind wie der Kerl in Fantastic Four, der seinen Körper ausdehnen kann", sagt Meikle. "Sie füllen die Lücke, wenn der Outsourcer die ihm zugeteilte Support-Zeit erfüllt hat oder Vertrags-Bürokratie den Fortschritt hemmt."

Oft haben ITler keine andere Wahl, als solange Gas zu geben, bis die Arbeit erledigt ist. Nachdem im Juni der chilenische Vulkan Puyehue ausgebrochen war, flog Netzwerk-Ingenieur Chris Preister vom Informations-Management-Anbieter Iron Mountain nach Buenos Aires und arbeitete rund um die Uhr vier Tage lang an der Migration von Unternehmens-Netzwerken. Kurz bevor der Flughafen in der argentinischen Hauptstadt wegen Aschewolken geschlossen wurde, flog er wieder aus. "Das hat mit Magie oder Voodoo nichts zu tun, sondern ist einfach harte Arbeit und Engagement", sagt Preister.

Diese Abhängigkeit von Helden gibt es auch in der Entwicklung, wo Teams oft gedrängt werden, unrealistische Fristen einzuhalten, berichtet Steven A. Lowe, CEO vom Beratungs- und Software-Haus Innovator. "Einige IT-Helden programmieren 70 Stunden am Stück durch und schlafen unter ihren Tischen, um Termine einzuhalten", sagt er. "Das Problem ist, dass ihr Geist nach so vielen Stunden vor einer Tastatur ermattet und sie beginnen, Fehler zu machen."

Ihr fataler Fehler? Burnout. Selbst die mächtigsten IT-Helden können überstrapaziert werden und straucheln - in der Regel in einen anderen Job, sagt Meikle. "Die Gefahr ist: Wenn Sie den Zeitrahmen eines Projekts einhalten, erwartet man das im Anschluss wieder von Ihnen", ergänzt Lowe. "Man vergisst, dass das ja nur geklappt hat, weil alle 90 Stunden pro Woche gearbeitet haben. Das ist nicht nachhaltig. Sich auf Dauer auf Helden zu verlassen, kann gefährlich sein."

Schnelle Lösungen rächen sich auf Dauer

3. Dr. Flickschuster

Superkraft: Schnelle, schmutzige Lösungen

Flickschustern führt langfristig ins Chaos.
Foto: lassedesignen - Fotolia.com

"Das schmutzige kleine Geheimnis vieler IT-Heldentaten ist, dass der Held die Lösung schnell in die Tastatur gehackt hat", sagt Lowe. Anstatt nach Lehrbuch vorzugehen, arbeitet er ein Patch in den Code ein, um etwas auf der Stelle zum Laufen zu bekommen.

Lowe beriet vor kurzem ein Unternehmen, dessen Entwickler-Team ein 100-Zeilen-Skript übernommen hatte zur Anzeige von Dokumenten. Das Skript stammte noch aus der Anfangszeit, es grundlegend zu überarbeiten stand nie auf der Agenda. "Jedes Mal, wenn eine neue Maschine online ging, wurde ihre IP-Adresse einzeln in das Skript geschrieben", berichtet er. "Das Skript wuchs dadurch allmählich auf über 800 Zeilen. Es ist kaum mehr zu warten und muss irgendwann erneuert werden."

Verhängnisvoll können derartig gestrickte Lösungen vor allem für Produktionssysteme sein. Versagt die Software, stoppt das die Produktion, und ein Unternehmen verliert minütlich Geld.

Helden, die so arbeiten, bauen durch ihre kurzfristigen Lösungen "IT-Schulden auf, die sie irgendwann einholen", sagt Lowe. "In einigen Umgebungen verbringen Sie dann täglich Zeit damit, Brände zu löschen", sagt er. "Sie versuchen, Stabilität zu erreichen, aber die kommt nie. Denn das Feuer, das sie letzten Monat gelöscht haben, entzündet ein neues."

4. Iceman

Superkraft: Leistung unter Druck

Manche IT-Superhelden arbeiten am besten, wenn hoher Druck sie anspornt.
Foto: @nt - Fotolia.com

Nicht immer sind es außergewöhnliche Intuition oder übermenschliche Hingabe, die einen zum IT-Helden machen. Manchmal erfordern die Umstände, die Gelegenheit zu ergreifen. So wie Iceman von den X-Men, der sich mutig in Gefahr und unangenehme Situationen begibt.

IT-Team landet nach Monaten in der Sackgasse

2006 übernahm der selbständige IT-Berater Jason Wisdom ein Mandat bei der Versicherungssparte einer großen Bank, die ihre alten Bilanzierungssysteme auf den neuesten Stand bringen wollte, um neue Arten von Berichten zu generieren. Der CFO wollte eine möglichst billige und schnelle Lösung.

Bevor Wisdom beauftragt wurde, hatte das IT-Team schon mit der Programmierung begonnen - bis es nach ein paar Monaten in einer Sackgasse landete. Eine Besprechung jagte die nächste, nichts ging voran. Auch nachdem der Berater an Bord war, wurde noch Wochen darüber diskutiert, ob man ganz von vorne beginnen sollte.

"Ich bekam in diesen Sitzungen Kopfschmerzen", erinnert sich Wisdom. Also bat er darum, ihm einen Tag Zeit zu geben, verließ die Besprechung und löste noch am selben Nachmittag das Problem. Er überprüfte mehrere Formeln aus dem System von hinten nach vorne und testete sie mit Beispieldaten. "Es war die perfekte Kombination aus hohem Druck und der Freiheit, zu arbeiten, wie ich wollte. Außerdem hofften vier oder fünf Leute, dass ich Erfolg haben würde, weil neben meinem auch ihr Job auf dem Spiel stand", sagt er.

Das Problem war: Das Unternehmen wollte eine billige und schnelle Lösung, die außerdem gut sein sollte. Am Ende war sie gut, aber nicht mehr billig und schnell. Und das ist die Kehrseite des Iceman: Sein Einsatz resultiert allzu oft darin, dass Projekte ihr Budget sprengen.

5. Der Improvisator

Supermacht: Thinking on Your Feet

Im Notfall helfen Disaster-Recovery-Pläne oft nicht: Viele sind veraltet. Dann ist Improvisation gefragt.
Foto: MEV Verlag

Manche Superfreaks haben die Fähigkeit, Probleme mit nichts weiter als Plastiktüten, Klebeband und ihre Kreativität zu lösen. "Ein bisschen wie MacGyver, nur ohne die Vokuhila-Frisur und die schlechte Sonnenbrille", sagt Meikle.

Disaster-Recovery-Plan völlig veraltet

Meikle arbeitete für eine staatliche Behörde in Richmond, Virginia, als Hurricane Fran 1996 auf die Stadt zuraste. Sein CIO kramte den dicken Ordner mit dem Disaster-Recovery-Plan der Behörde hervor, blies den Staub vom Aktendeckel und öffnete ihn.

"Der Plan sah vor, dass der Behördenleiter sich in einen Hubschrauber setzt und die Situation aus der Luft überwacht - mitten in einem Hurrikan", sagt Meikle. "Die Telefonnummern im Ordner waren Jahre alt und viele der Genannten waren mittlerweile in Rente oder in anderen Funktionen. Kurzum, der Plan war nutzlos."

Sie improvisierten. Meikle und sein Team bedeckten alle wichtige Hardware und die Aktenschränke mit Müllsäcken und stellten auf die Schnelle einen neuen Kommunikationsplan zusammen. Dann brachten sie sich in Sicherheit und warteten den Sturm ab. Außer dass das Dach ein Leck bekam und Wasser hinein sickerte, nahm das Gebäude keinen Schaden. "Der Disaster-Recovery-Plan wurde wieder ins Regal gestellt, wo er wahrscheinlich immer noch liegt", sagt Meikle.

Improvisation ist allerdings eine schlechte Langfrist-Strategie. Ein Hurrikan lässt einem noch einige Zeit der Vorbereitung, andere Katastrophen nicht. Einfach loszulegen ist gleichzeitig die Achillesferse des Improvisators. "Man kann improvisieren, aber es ist kein Ersatz für Planung im Voraus", sagt Meikle.

In einigen Unternehmen bekommt die IT keinerlei Unterstützung, bis sie falschen Alarm schlägt.
Foto: Composer - Fotolia.com

6. Der Verformer

Superkraft: Die Realität verbiegen - zum Guten oder Schlechten

Weniger versprechen und mehr leisten ist eine altehrwürdige Technik in vielen IT-Abteilungen. Vielerorts geht es nicht anders: Nur wenn die ITler eine Situation viel schlimmer darstellen als sie ist, bekommen sie Wisdom zufolge die nötigen Ressourcen.

IT-Abteilung schlägt falschen Alarm

"In einigen Unternehmen bekommt die IT keinerlei Unterstützung, bis sie falschen Alarm schlägt", sagt er. "Es ist wie im Film "Full Metal Jacket". Als die Truppen mehr Soldaten benötigen, fordern sie einen Panzer an. Sie wissen, wenn sie nur nach mehr Soldaten fragen, bekommen sie keine. Die Kultur zwingt sie, Zeter und Mordio zu schreien, um Aufmerksamkeit zu erhalten."

Doch während der Verformer sich als Bereicherung für Ihre Abteilung erweisen kann, indem ihm die ressortübergreifende Abstimmung ebenso mit Leichtigkeit gelingt wie das Eintreten für die Anforderungen der IT, kann er sich auch auf der Stelle in einen Superschurken verwandeln. Denn Verformer haben den Hang, die Lorbeeren für erfolgreiche Projekte anderer für sich zu beanspruchen - selbst wenn sie einmal eher alles in ihrer Macht stehende getan haben, den Erfolg zu verhindern.

Lowe arbeitete Anfang des Jahrtausends für eine staatliche Energie-Behörde, die Microsofts .NET-Framework zur Automatisierung einsetzen wollte. Ansonsten setzte man auf Java, in dem Fall erschien aber .NET als bessere Alternative. "Die Vice President IT widersetzte sich jedem Schritt auf diesem Weg", sagt Lowe. "Sie ließ uns drei Pilot-Programme durchführen, die alle mit Bravour die Anforderungen meisterten. Am Ende musste sie zugeben, dass .NET das richtige Werkzeug war. Dann versetzte sie den Abteilungsleiter, der das Projekt gefördert hatte, und strich selbst das ganze Lob ein."

"Verformer, die zum Schurken geworden sind, erzeugen nicht nur Unzufriedenheit, sie verzerren auch das Bild, wo in Ihrer IT-Abteilung wirklich Wert generiert wird", sagt Meikle. Das führt auf Dauer dazu, dass Mitarbeiter, die die eigentliche Arbeit leisten, das Unternehmen verlassen.

Vertrauen Sie diesem Mann: Er sagt Ihnen die Wahrheit.
Foto: Dron - Fotolia.com

7. Der einsame Freak

Superkraft: Die Bereitschaft, die Wahrheit zu sagen

Die am wenigsten beachteten Helden sind vielleicht die wichtigsten von allen. Sie haben nicht unbedingt herausragende technische Fähigkeiten oder besondere Instinkte. Sie machen es einfach richtig, jedes Mal - und wenn sie sehen, etwas läuft falsch, machen sie den Mund auf, egal, wer dann Federn lassen muss.

Wenige trauen sich, die Wahrheit zu sagen

"Das sind die Männer und Frauen, die Dinge immer korrekt machen, egal in welcher Situation der Chef sie bittet", sagt Lowe. "Sie sind in der Regel auch die Menschen, die aufstehen und sagen: Wir sollten das nicht so machen, sonst gibt es Probleme. Dafür werden sie aber nicht immer gewürdigt."

Einen solchen Superhelden gab es in der Geschichte über den Fehler an den Speicher-Arrays in der Bank: Nur eine Person hatte den Mut zu sagen, wodurch seine eigene Abteilung den Fehler verursacht hatte. In dem Fall wurde er belohnt, indem er seine Stelle behielt. Nicht in jedem Unternehmen ist so etwas der Fall.

"Wenn Sie der einsame Außenseiter sind, haben Sie ein undankbares Pflaster betreten", sagt Howard. "Man kann in dieser Arena nicht viel Ruhm und Ehre erwarten. Wenn Sie sich dort bewegen, müssen Sie Leidenschaft haben für Technik und dafür, Lösungen zu finden."