Vom CIO zum Projektleiter

Abstieg mit Freude

02.03.2007 von Andreas Schmitz
Nach dem Peter-Prinzip neigen Mitarbeiter dazu, bis zur Unfähigkeit aufzusteigen. Dass ein gezielter Abstieg auch Sinn machen kann, beweist Germain Wolff von der LRI Landesbank Rheinland-Pfalz in Luxemburg, der seit Anfang des Jahres nicht mehr CIO, sondern Projektleiter ist.

Mitte vorigen Jahres formulierte Germain Wolff eine Ausschreibung. Ein Mitarbeiter sollte gefunden werden für eine besonders anspruchsvolle Aufgabe – die Auswahl und Implementierung eines neuen Kern-Banken-Systems für die LRI Landesbank Rheinland-Pfalz in Luxemburg. Das war dringend nötig, denn das alte System war schon seit 1978 im Einsatz, und die Unterstützung durch den Hersteller wurde immer dürftiger. Eines war klar: Es würde so viel kosten, wie noch nie etwas in der LRI-IT gekostet hat.

Führung motivierte nicht mehr

Und während CIO Wolff über das Profil des künftigen Projektleiters nachdachte, fiel ihm auf, dass er selbst am besten in die neue Rolle hineinpassen würde. Es war wie ein Zeichen aus dem Unterbewusstsein. „Vom Wesen her bin ich sowieso lieber eine Fachkraft“, fiel Wolff da auf, „Führung motiviert mich nicht mehr – es passt nicht wirklich zu mir.“ Seine IT-Abteilung war in den 15 Jahren als IT-Chef von sieben auf 35 Mitarbeiter gewachsen. Aus 70 Mitarbeitern in der Luxemburger Tochter sind 230 geworden, die eine Bilanzsumme von 11,3 Milliarden Euro erwirtschaften. Ausgesucht habe er sich die Aufgabe damals nicht – er sei halt nur der beste Informatiker gewesen.

Kurz und gut: Ende 2005 besprach er mit dem Geschäftsführer seine beruflichen Ziele. Und er warb für sich: „Ihr kriegt einen guten Projektleiter und verliert eine schlechte Führungskraft“, sagt der 50-Jährige in seinem Plädoyer für den selbst gewählten „Abstieg“. Und sein Chef sah ein, dass er wohl der Richtige dafür sei – und dass Wolff nicht einmal an Tatkraft einbüßen würde. Zu oft hatte der CIO auf Lob aus den Fachbereichen gewartet. „Da warte ich heute noch drauf“, so Wolff, der die Führungsverantwortung und den regelmäßigen Kritikhagel aus den Fachbereichen nun an den Ex-Controller und neuen CIO weiter gab.

Dass Wolff nicht als Verlierer dasteht, verdankt er zudem dem hauseigenen Kompetenz-Karriere-Modell, das er vor Jahren in einem speziellen Personalentwicklungsprozess mit schuf. Ziel war es, talentierte Mitarbeiter fördern zu können, für die keine Führungsposition frei war oder die keine Führungsverantwortung haben wollten. Die Gefahr bestand, dass hochqualifizierte Mitarbeiter zu anderen Banken abwanderten, weil sie in der LRI keine Karriere machen konnten.


Das Kompetenz-Karriere-Modell erlaubt es, Karriere auf zwei Gleisen zu machen: entweder in der Führungs- oder in der Fachrolle. Jeder Mitarbeiter landet in einer von fünf Perspektivgruppen. Das können Analysten, Portfoliomanager oder Controller sein, die hoch eingruppiert werden, aber auch Abteilungsleiter und Vorstände. „Ein Mix aus Kompetenz und Verantwortung“, so Wolff, der als Führungskraft auf dem zweithöchsten Rang in der vierten Perspektivgruppe angekommen ist. „Dies ist für mich nicht wirklich wichtig“, aber die Tatsache, dass sich auch nach seinem Wechsel ins Projekt-Management nichts an seiner Einstufung geändert habe, zeige, dass er für die Bank weiterhin wichtig sei. Gerne erinnert er sich an das ungeschriebene Gesetz bei der Landesbank: „Karriere macht man, wenn man gefragt wird. Denn nur wer kompetent ist, wird gefragt“.

Indizien für das Umdenken im Berufsziel bekam Wolff nach und nach von Bankmitarbeitern geliefert, die sich gerne über die IT mokierten. Über jene IT, die Wolff eine Herzensangelegenheit war. „Die IT wird oft als Schuldiger vorgeschoben“, sagt Wolff heute, der diese Anklage zwangsläufig persönlich nahm – ja fast schon in Generalschuld für Projekte, die nicht funktionierten. „Keine negative Kritik ist schon die positivste Äußerung, die ich von Euch erwarte“, sagte Wolff den Fachbereichsvertretern, und schon war er als Pessimist verschrien, der sich jedoch schlicht als „ehrliche Haut“ sieht.

Mit den Jahren nahm die Verantwortung immer mehr zu. „Und der Ertragsdruck stieg“, schaut Wolff zurück. Es gab komplexere Finanzprodukte, auch externe Anforderungen wurden komplexer. Unter dem steigenden Druck mussten Abteilungsleiter schon mal erklären, warum die Zahlen nicht so gut waren wie erwartet: „Plötzlich ist ein ums andere Mal die IT schuld.“ Zudem setzten sich über Flurfunk Unwahrheiten und Halbwahrheiten in den Köpfen der Mitarbeiter fest. Langsam und träge sei die IT. „Dabei verstehen diese Mitarbeiter, die privat ja oft PC-Experten sind, nicht, was wir von Seiten der IT bei der Implementierung alles beachten müssen“, so Wolff, „man denke an Sicherheitsaspekte, Tests, Plausibilitätskontrollen, und, und, und.“ Anforderungen sollten schnell umgesetzt werden, und die IT-Lösung kam immer zu spät. „Zum Schluss hieß es dann immer ‚Na, endlich’ und nicht ‚Na, wunderbar’“, so Wolff. Dabei sei die LRI am Luxemburger Platz als Bank bekannt gewesen, die Projekte schnell umsetzt, und benachbarte Banken suchten und suchen daher den stetigen Austausch mit Wolff.

Wolff und seine Kollegen ließen dennoch nichts unversucht, um mit den Mitarbeitern zu reden und ihnen die Wege und Umwege der IT zu erklären. Auf Augenhöhe – wie er es aus der Zeit gewohnt war, als weit weniger Mitarbeiter für die Bank arbeiteten. Auch trotz eines neuen Selbstverständnisses der IT als Dienstleister für die Fachbereiche ließ sich dieses Bild nicht in den Köpfen der Mitarbeiter verankern. Und Rechtfertigen war nicht das, womit der IT-Manager seine Zeit verschwenden wollte.

Zwischen Hammer und Amboß

Denn die Bank war gewachsen. Entscheidungen wurden politisch. Und Wolff war in einer Führungsrolle. Schließlich forderte der Geschäftsleiter ein „hartes Durchgreifen“: „Es tut Dir gut, ein Zeichen zu setzen.“ Um nach außen Respekt zu gewinnen und Durchsetzungsvermögen zu demonstrieren. Regelmäßig traf sich Wolff mit den Leitern seiner vier Organisationseinheiten und diskutierte neue Maßnahmen. Jedoch setzten diese ihren Fokus eher auf ihre Bereiche als auf die gesamte Abteilung oder gar die Gesamtbank. Dies erforderte immer wieder das Machtwort von Wolff. Das war wiederum nicht der Stil des CIO mit demokratischem Selbstverständnis. Auch ein Bauernopfer zu bringen war für ihn nicht akzeptabel. „Ich fühlte mich zwischen Hammer und Amboss“– wie er es heute ausdrückt. „Dabei geht es doch um Leben, nicht um Karriere, Status, Macht“. Ende 2005 beendete Wolff seine CIO-Zeit.

„Ich habe mich immer mit der IT und der Bank identifiziert, und ich tue das auch immer noch“, so der neue Projektleiter Wolff. Wahrscheinlich mehr denn je. Kein Wunder, dass er mit der Auswahl und Implementierung des neuen Kern-Banken-Systems gerade das erneuert, was das technologische Herz der Bank darstellt und vor zwei Jahren so heftig kritisiert worden war. „Erstmals seit 25 Jahren ließ die Unterstützung durch den Hersteller nach – uns wurde das allerdings intern angelastet“, so Wolff, der bis Ende des Jahres ein neues „Herz“ ausgesucht haben will, das demnächst in der Luxemburger Tochter am Boulevard Roosevelt in Luxemburg den Takt der Bank vorgeben soll.