Westspiel, Woolworth und andere setzen auf Mainframe

Alles auf Schwarz

05.07.2004 von Marita Vogel
IT-Chefs setzen wieder vermehrt auf den schwarzen Mainframe. Denn Modernisierungen und Software-Anpassungen halten das System prima am Laufen und sparen zudem Kosten - und zwar nicht nur bei den Westdeutschen Spielbanken (Westspiel).

Vier sandsteinerne Stufen hinauf, zwischen sechs dorisch wirkenden Säulen hindurch - und schon befindet sich der Glückssucher vor dem Eingang des Spielcasinos Aachen. Gleich hinter dem großen Portal beginnt die Welt der IBM I-Series. Sie öffnet sich am ersten Kontaktpunkt mit der Spielbank: bei der Einlasskontrolle.

Dort arbeiten die Mitarbeiter der Westdeutschen Spielbanken (Westspiel) mit einer DB2/400 auf I-Series von IBM - und zwar mit Green Screens. "Bei unserer Wunschlistenerstellung zeigte sich, dass die dortigen Mitarbeiter nur mit einer Tastatur und ohne Maus arbeiten wollen, weil die Eingabemodi so einfacher zu handhaben sind", sagt Westspiel-CIO Karl-Heinz Lager.

AS/400 ist Kult

Wenn Lager von seiner neuen IT-Landschaft erzählt, spricht er von "AS/400". Dass dieser 1988 eingeführte Mainframe-Server seit 2000 einen Nachfolger hat, der "I-Series" heißt, weiß er natürlich. Aber die AS/400 ist eben Kult - fast schon eine Legende, die sich in etlichen Fan-Websites im Internet wiederfindet, auf denen alte und neue Hasen Tipps und Tricks austauschen. Über die Themen Ausfallsicherheit, Kontinuität und damit verbundenen niedrigen Schulungskosten wird aber nicht diskutiert, das weiß ohnehin jeder. Und die Zahl der Fans ist groß: Rund 4000 bis 5000 Server des alten Typs laufen noch in Deutschland, schätzt IBM.

Doch warum setzt der größte Spielbankbetreiber Deutschlands mit 1200 Mitarbeitern an acht Standorten und einem jährlichen Bruttospielertrag von 220 Millionen Euro auf AS/400? Für den Westspiel-CIO ist die Frage einfach zu beantworten: "Weil uns eine Oracle-Datenbank vom Overhead einfach zu mächtig gewesen wäre. Für die DB2/400 sprach die sehr hohe Ausfallsicherheit, die bei unserem 360-Tage-Spielbetrieb extrem wichtig ist. Außerdem sind die Total-Cost-of-Ownership sehr günstig." Mit dem Umstieg baute die Tochter der Landesbank Nordrhein-Westfalen gleichzeitig eine Hochverfügbarkeitslösung zwischen mehreren I-Series-Systemen auf.

Als erstes großes Projekt ging ein neues Rezeptionsprogramm für die Einlasskontrolle an den Start. Die Kontrolle wird für Gäste, die ihr Glück bei den so genannten klassischen Spielen (Roulette, Black Jack, Poker und Baccara) versuchen wollen, benötigt: Dabei wird anhand des Vor- und Nachnamens, Geburtsorts und -datums geprüft, ob der Gast in der Sperrdatei enthalten ist und deshalb nicht ins Spielerreich darf. Anschließend folgen weitere Angaben wie Wohnort oder Staatsangehörigkeit. Letzte Handlung der Einlasskontrolle ist die Herausgabe der Eintrittskarte, auf der ein Barcode mit Identifikationsnummer enthalten ist. Diese Eintrittskarte wird vom Doorman eingescannt, der dabei die Gültigkeit überprüft.

"In die neue Software musste auch die Besonderheit eines Casino-Spieltages eingebaut werden", sagt Lager. Denn der dauert in der Regel von 15 Uhr bis drei Uhr morgens, beim Pokern starten die Spieler manchmal auch erst um 23 Uhr. Daher beginnt ein DV-technischer Spieltag um neun Uhr und endet um neun Uhr am nächsten Tag. Bevor der 42-jährige CIO das Projekt startete, führte er eine zweitägige Kick-off-Veranstaltung mit allen Key-Usern durch, um anschließend das Pflichtenheft mit deren Anforderungen zu definieren. Daraus entwickelte das Softwarehaus Stepsoft aus dem niedersächsischen Wilsum in sechs Wochen einen Prototyp. Nach weiteren acht Wochen lief bereits die erste Testumgebung samt Datenübernahme aus dem Altsystem Informix.

"Die parallele Testerfassung in allen Casinos konnten wir nach weiteren vier Monaten machen", so Lager, der damit Funktionalität und Performance der Anwendung checkte. Direkt hinter den Rezeptionisten bauten dabei die IT-Mitarbeiter einen Erfassungsplatz auf: "So konnten wir parallel an einem Alt- und einem Neuplatz die Daten erfassen", erinnert sich Lager.

Der Live-Start erfolgte sechs Monate nach Projektbeginn im Casino Bad Oeynhausen, weitere drei Monate später waren alle acht Standorte umgestellt. "Das lief so gut - es hat wirklich Spaß gemacht", so Lager. Mehrere Projekte folgten; momentan läuft die Umstellung der Kassenabrechnung der Black-Jack- und Roulette-Tische. "Wir werden nach und nach die gesamte IT von der Informix- zur IBM-Welt rüberziehen", sagt Lager.

Das hat das Unternehmen Deutsche Woolworth aus Frankfurt nicht vor. Ursprünglich plante die Warenhauskette, die in rund 320 Filialen deutschlandweit 1,1 Milliarden Euro umsetzt und seit einem Management-Buy-out in 1998 unabhängig von der US-Mutter agiert, die Abkehr von AS/400. "Es ist zwar sehr stabil und hoch performant, aber die Programmiersprache RPG2 ist heute nicht mehr so verbreitet", sagt IT-Betriebsleiter Hans-Werner Stang. Von einer sinkenden Zahl guter Programmierer wollte sich das Unternehmen nicht abhängig machen.

Allerdings zeigte sich bei einer Marktanalyse, dass zurzeit kein Warenwirtschaftssystem existiert, das den Unternehmensansprüchen genügt. "Wenn wir umstellen, wollen wir auf jeden Fall eine Standardlösung", so der 49-jährige Stang. "Wir haben keine gefunden - und auch SAP bot keine gute Lösung."

Also entschieden sich die Frankfurter, die IT komplett zu modernisieren und die vorhandene I-Series aufzurüsten. Zunächst wurden die rund 900 User von einem Outsourcing-Partner mit neuer Hardware ausgestattet. Anschließend machten sich die Entwickler der ML Software GmbH an die Anwendungsmodernisierung. Oberste Priorität war dabei, die in langen Jahren gewachsenen RPG-Programme funktionsfähig zu halten. "Uns war wichtig, die bisher getätigten Investitionen nicht zu verlieren", so Stang. Zumal ein Datenverlust üble Auswirkungen gehabt hätte: "Unser gesamtes zentrales Warenwirtschaftssystem läuft auf I-Series", sagt Stang. Vier Monate dauerte es, bis die Windows-Anwendungen für den Einsatz auf Citrix-Systemen eingerichtet waren. Dafür wurden zunächst die bestehenden Anwendungen "GUIsiert", das heißt, die Informationen des Green Screens werden in Windows-Komponenten umgesetzt. Zudem erhielten die Bildschirme zusätzliche Features, wie etwa die Bildanzeige der Produkte.

Anschließend wurde die neue grafische Oberfläche in eine internetfähige Lösung umgebaut. Dafür legte die Woolworth-IT auf die Oberfläche der Applikation ein Interface, das die grafische Oberfläche als Java-Applet in einem javafähigen Browser ablaufen lässt. Sämtliche Inhalte und Funktionen werden dabei übertragen. "Mit dieser Lösung werden wir jetzt noch einige Jahre gut leben können", erläutert IT-Chef Stang.

Fressnapf pflegt die Tradition

Deutlich euphorischer zeigt sich Bernd Hilgenberg, CIO beim Tiermittelnahrungsunternehmen Fressnapf in Krefeld. Der 40-Jährige lässt auf "AS/400" nichts kommen. "Aber das muss man ja fast ganz leise sagen - viele glauben immer noch, das sei eine veraltete Technologie", bemerkt Hilgenberg. Dabei sei I-Series gerade für Mittelständler die ideale Wahl.

Bei Fressnapf läuft I-Series seit Jahren problemlos, bei Bedarf werden kurzerhand neue Applikationen aufgespielt. Hilgenberg: "Warum IBM dem Namen geändert hat, soll mir mal einer erklären!" Letztens habe sich eine Abteilung anstelle des Green Screen eine grafische Oberfläche gewünscht und auch bekommen. "Aber nach vier Wochen stellten sie fest, dass es mit der schwarz-grünen Oberfläche doch besser war", sagt Hilgenberg. "So ist das eben."

Fan-Websites: AS/400

- www.as400-forum.de

- www.common-d.de

- www.inn-online.de

- www.as400guy.com

- www.search400.com