Keine Erfahrung mit Hardware

Analysten über den neuen HP-Chef

05.10.2010 von Thomas Pelkmann
Die Berufung von Leo Apotheker zum neuen CEO von HP stößt nicht auf ungeteilte Freude. Analysten zweifeln an den Qualifikationen Apothekers für das Hardware-Geschäft und an den sozialen Fähigkeiten des Managers.

Es ist die Personalie der letzten Tage: Léo Apotheker, bis Februar dieses Jahres noch Vorstandssprecher bei SAP, wird zum 1. November Chef des weltgrößten Computerherstellers HP. Er übernimmt die nach dem Weggang von Mark Hurd vakante Stelle für ein geschätztes Jahresgehalt von mehr als 50 Millionen US-Dollar.

Grund für die Berufung Apothekers, der gerade einmal neun Monate an der Spitze von SAP stand, bevor ihn SAP-Aufsichtsratschef Hasso Plattner entließ, könnten geplante Software-Zukäufe von HP sein. Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge seien von Apotheker Andeutungen in diese Richtung zu hören gewesen.

Der Bereich Software macht bei HP gerade einmal rund drei Prozent des Umsatzes aus und gilt bei Marktbeobachtern entsprechend als "ausbaufähig". Als Übernahmekandidaten für das Aufstocken dieses Geschäfts gelten zum Beispiel die Firmen Tibco, Informatica und Citrix.

Mit der Berufung Apothekers mehren sich aber auch die Übernahmegerüchte in anderer Richtung: So lässt sich etwa SAP-Mitgründer und Anteilseigner Klaus Tschira in der Wirtschaftswoche mit dem Satz zitieren: "Ja, es gäbe schon denkbare Käufer". Allerdings nannte Tschira Microsoft und IBM als mögliche Interessenten; die Übernahme durch HP beurteilt der SAP-Aktionär dagegen skeptisch.

Während HP-Verantwortliche die Berufung von Léo Apotheker naturgemäß durchgehend positiv bewerten, zeigen sich die Analysten und Mitbewerber misstrauisch bis süffisant. Für HP-Verwaltungsratschef Robert Ryan ist Apotheker ein "strategischer Denker mit Leidenschaft für Technik", für Larry Ellison, Chef von Oracle, ist er dagegen in "Industriespionage und Diebstahl geistigen Eigentums" verwickelt und habe - überhaupt - bei SAP versagt.

"HP nimmt einen Mann, der bei SAP gefeuert wurde, weil er zu schlecht war"

In der britischen Financial Times äußerte sich Ellison so: "SAP hat bereits öffentlich zugegeben, systematisch Oracles geistiges Eigentum gestohlen zu haben und hat dafür auch finanziell die Verantwortung übernommen. Ein Großteil dieser Industriespionage und Diebstahl geistigen Eigentums passierte, als Léo Chef von SAP war". Auch sonst hat der streitbare Oracle-Chef für den ebenfalls als streitbar geltenden Apotheker kaum freundliche Worte übrig: "Ich bin sprachlos. HP hatte mehrere gute interne Kandidaten, und dann nehmen sie einen Mann, der vor kurzem bei SAP gefeuert wurde, weil er zu schlecht war".

Die Urteile von Analysten und Investoren fallen dagegen etwas freundlicher aus, sind aber dennoch verhalten. So zitiert das Handelsblatt einen Analysten namens Kaushik Roy von Wedbush Securities: "Es ist gut, dass sie jemand von außen genommen haben, er wird einen frischen Blick in das Unternehmen bringen. Außerdem hat er SAP aufgebaut, ein Unternehmen, das sehr auf Forschung und Entwicklung ausgerichtet ist." HP fehle es an Innovation, Apotheker könne hier den notwendigen Wandel herbeiführen. "Das sollte der HP-Aktie gut tun", so Roy.

Die Analysten von Pierre Audoin Consulting (PAC) sehen in der Berufung Apothekers zu zu HP eine Herausforderung für beide: " Auf das Hardware-Geschäft ausgerichtete Konzerne wie HP sind gezwungen, sich zu wandeln. Wie sich das Hard- und Softwaregeschäft kombinieren und mit Dienstleistungen ergänzen lassen, macht beispielsweise die IBM vor. HP hat durch den Kauf von EDS ein solides Standbein im Servicegeschäft errichtet und unternimmt nun überfällige Anstrengungen, das eigene Profil im Softwaregeschäft zu schärfen". Apotheker habe bewiesen, dass er "neue IT-Geschäfts aufbauen kann". Seine SAP-Erfahrungen als Vertriebsleiter für Europa und als Vorstand für Vertrieb und Marketing seien "Qualifikationen, die ihm bei HP helfen könnten".

Allerdings, fügt PAC-Analyst Christophe Chalon hinzu, verfüge Apotheker über keine Erfahrungen im Hardware-Geschäft. Ins selbe Horn, aber wesentlich lauter, bläst auch Kim Caughey Forrest, Analyst bei Fort Pitt Capital, "HP ist eine komplett andere Firma als SAP - das ist meine größte Sorge". Und über die Qualifikationen des neuen CEOs: "Kennt er sich bei Hardware überhaupt aus? Das ist doch die Frage".

Dennoch begrüßt es PAC, dass HP einen Software-Mann auf den Chefsessel holt: "Software und Dienstleistungen haben im IT-Markt eine herausragende Rolle erlangt. Hinzu kommt, dass es Hardware-Herstellern immer schwerer fällt, sich zu differenzieren. Und durch das Aufstreben von Cloud Computing gerät das klassische Geschäftsmodell der Computerbauer unter Druck."

Schwieriges Verhältnis zu Mitarbeitern

Bleibt ein letzter Kritikpunkt an Apotheker, der schon bei SAP offenbar zur vorzeitigen Remission führte: das Verhältnis des Managers gegenüber früheren Mitarbeitern und Kunden bei SAP. "Es gab schon länger Gegrummel im Untergrund", zitierte zum Beispiel Spiegel Online im Februar den IDC-Analysten Rüdiger Spies. Unbeliebt gemacht hatte sich Apotheker einerseits bei den Mitarbeitern mit rigiden Sparprogrammen und einen teils rüden Umgangston, andererseits bei den Kunden. Der Versuch, die Wartungsgebühren für Geschäftssoftware schlagartig zu erhöhen, stieß bei denen auf wenig Gegenliebe.

Der Konzern aus Walldorf musste nach massiven Protesten gegen die Preiserhöhung klein beigeben und trug neben dem finanziellen auch einen nachhaltigen Image-Schaden davon. Es habe unterm Strich "erhebliche Zweifel" gegeben, so nach einmal Rüdiger Spies, "dass Apotheker der richtige Mann ist, um den Konzern strategisch neu zu ordnen". Auch deshalb habe der Manager gehen müssen.

Bei HP wird er seine Umgangsformen mit Mitarbeitern und Kunden überprüfen müssen. "In einer Organisation wie HP mit über 170.000 Mitarbeitern wird es künftig noch viel stärker darauf ankommen, dass Apotheker gegenüber Mitarbeitern und Kunden den richtigen Ton trifft", formuliert PAC-Geschäftsführer Christophe Chalon die geforderten Social Skills für Apotheker. Es bleibt abzuwarten, wie der Manager mit neuen Mitarbeitern und Kunden umgehen wird.