Outsourcing-Verträge

Aufgaben adaptiv auslagern

13.10.2006 von Johannes Klostermeier
Beim Tabakwarenkonzern Reemtsma in Hamburg hat CIO Thomas Schmidt-Melchiors ein flexibles Outsourcing eingeführt. Starre Service Level Agreements gibt es nicht mehr. Anpassungen an neue Bedürfnisse sind ad hoc möglich.

Seit Einführung der neuen „Spielregeln für den Wandel“ bei Reemtsma haben beim Hamburger Tabakwarenkonzern Service Level Agreements ihren einengenden Charakter verloren. Dauer und Gegenstand der zu erbringenden Leistung waren Reemtsma-CIO Schmidt-Melchiors zu unflexibel. Deshalb hat der Mathematiker und promovierte Ingenieur die Konsequenz gezogen, eine neue Rahmenvereinbarung auf einer Meta-Ebene quasi oberhalb der SLAs zu treffen.

Als „Innovation in der Serviceerbringung“ bezeichnet Schmidt-Melchiors sein Konzept des adaptiven Outsourcings. „Die Idee ist, dass man Services wechseln kann, ohne neue Vertragsverhandlungen führen zu müssen. Ich bin an das heutige Portfolio nicht gebunden“, sagt der CIO, „sondern kann in einem gewissen Rahmen etwa ein Stück ERP gegen ein Stück CRM eintauschen.“

Dabei argumentiert der Reemtsma-CIO mit einer zunehmenden Unzufriedenheit mit Outsourcing. So ließen sich durch die Vergabe von Leistungen an externe Dienstleier zwar oft unmittelbar Kosten einsparen. Mittel- bis langfristig würden die IT-Ausgaben aber oft nicht sinken. Mancher Kunde müsse sogar für Dienste extra bezahlen, die er ursprünglich für einen Bestandteil des Vertrags gehalten hat. Zudem werde oft der Aufwand für die Steuerung unterschätzt.

Ausgangspunkt für das neue Konzept des adaptiven Outsourcings bei Reemtsma war im Mai 2002 die Übernahme durch die Imperial Tobacco Group. Infolge der Fusion wurden Geschäftsziele neu definiert, Strategien verändert sowie die Produktions- und Logistikseite neu geordnet. Zusätzlich gab es Handlungsbedarf durch neue Gesetze und verändertes Käuferverhalten. Als Ergebnis der neuen IT-Strategie definierten die IT-Verantwortlichen eine weitgehend auf SAP basierte und mit CRMund Manufacturing-Lösungen ergänzte Zielarchitektur. „Wir wollten den Systemumbau ohne eine Erhöhung des IT-Budgets durch Einsparungen beim laufenden Betrieb finanzieren. Teilweise sollten ausgelagerte Dienstleistungen wieder intern erbracht werden“, so der CIO.

Schmidt-Melchiors ist trotz Flexibilität wichtig, dass es nicht zu einer einseitigen Risikoübernahme für den Anbieter kommt. Denn das System beruht auf gegenseitigem Vertrauen und funktioniert nur auf Basis einer offen zu legenden Kalkulation. Der Reemtsma-CIO: „Der Dienstleister bekommt für einen Zeitraum die Gewähr für ein Mindestmaß an Leistungsabnahme, Umsatz und auch Gewinn. Sofern die abgenommene Leistung unter der vereinbarten liegt, stehen ihm Investitionsschutz und Absicherung des entgangenen Gewinns zu.“


Ein Beispiel: Die Vertragsparteien schließen einen Fünf-Jahres-Vertrag über IT-Dienstleistungen mit einem jährlichen Volumen von einer Million Euro, einer kalkulierten Gewinnmarge von zehn Prozent und einem angenommen Fixkostenkostenanteil von 50 Prozent. Wenn der Kunde bereits nach einem Jahr alle vertraglichen Leistungen kündigt, verpflichtet er sich zu einer Zahlung des entgangenen Gewinns von 400 000 Euro sowie zur Übernahme aller verbleibenden Fixkosten in Höhe von zwei Millionen Euro. Den durch den Wegfall der Leistungen gesparten Betrag von 1,6 Millionen Euro erhält jedoch in voller Höhe der Kunde.

„Mir geht es darum, den technischen Fortschritt einzubinden und von den Einsparungen bereits während der Vertraglaufzeit profitieren zu können“, sagt Schmidt-Melchiors. Ein weiteres „Schmankerl“ ist daher die Cost-Optimization-Klausel. „Wir wollen so einen Wettbewerb um Optimierungspotenziale schaffen“, sagt Schmidt-Melchiors. „Das bedeutet: Wer Einsparmöglichkeiten entdeckt, bekommt auch die daraus stammenden Gewinne. Sind wir es, bekommen wir 100 Prozent der Einsparungen, ist es der Dienstleister, teilen wir sie.“ Damit will der CIO sicherstellen, dass sich durch technischen Fortschritt ergebende effizientere Lösungen zum Nutzen des Kunden eingesetzt werden.

Schon zehn Einzelverträge gekündigt

Fast unmittelbar nach Abschluss der Verhandlungen hat Reemtsma einen ersten Einzelvertrag vorzeitig beendet. Schmidt-Melchiors: „Die Kündigung verlief reibungslos, die verminderte Vergütung wurde vereinbart, und die ersten Ressourcen waren bereit für die Wiederverwendung. Fast gleichzeitig haben wir einen neuen Einzelvertrag für eine Blackberry-Anwendung geschlossen. Gemeinsam haben wir die Ressourcen, die wiederverwendet werden konnten, und die damit verbundenen Kosten bestimmt.“ Bis heute hat es bei Reemtsma rund zehn weitere Kündigungen gegeben, denen ungefähr die gleiche Anzahl neuer Einzelverträge gegenübersteht.

„Die Erfahrung zeigt, dass man heute nicht drei Jahre im Voraus planen kann. Deshalb sollte solch ein Konstrukt heute State of the Art sein“, findet Schmidt-Melchiors. Doch dazu muss das Unternehmen natürlich auch einen Partner finden, der sich auf die ungewohnte neue Flexibilität einlässt. Der CIO: „Adaptives Outsourcing gibt es heute noch nicht im Standardportfolio. Aber man denkt überall über unsere Ideen nach.“

Reemtsma suchte und fand im bisherigen Dienstleister Info aus Hamburg einen Partner, der das Konzept mit trug. „Der Mittelständler war dabei innovativer als die Großen der Branchen“, so der CIO. „Da wir mehr fordern als bisher, tut sich mancher Dienstleister schwer. Aber für Unternehmen, die outsourcen wollen, ist die Situation gerade günstig. Und es ist ja auch gerade die Kunst desjenigen, der einen Outsourcing-Kontrakt aushandelt, nicht nur einen Katalog über Standard-Services anzukreuzen, sondern für sein Unternehmen möglichst ein Maximum an individuellen Anpassungen herauszuholen.“