E-Business

Aufsteiger Deutschland

07.04.2003 von Horst Ellermann
Beim Einsatz von IT für kommerzielle Zwecke belegt Deutschland im internationalen Vergleich einen Spitzenplatz. Privatnutzer und der öffentliche Sektor liegen dagegen noch weit hinten.

Was der Präsident des Weltwirtschaftsforums, Klaus Schwab, Ende Februar präsentierte, tut der Seele eines deutschen E-Kaufmanns gut: Im "Global Information Technology Report 2002-2003" belegt Deutschland im Vergleich mit 81 anderen Nationen in sechs Kategorien den ersten Platz. Kommerzielle Nutzer arbeiten hierzulande am intensivsten für Forschungszwecke mit dem Internet, sie agieren im Online-Marketing am geschicktesten, und sie setzen Intranets nutzbringender ein als andere. Ferner sind die Telefonverbindungen die besten der Welt, die drahtlosen E-Business-Applikationen am weitesten entwickelt und die Innovationsmöglichkeiten am größten. Das besagt das Ranking der Wirtschaftswissenschaftler in Genf, die durch die Ausrichtung des Weltwirtschaftsgipfels in Davos bekannt geworden sind.

Insgesamt landet Deutschland im zweiten IT-Report der Organisation, die 2002 mit ihrem internationalen Vergleich reüssierte, jedoch nur auf Platz zehn. Da die privaten Nutzer und Regierungseinrichtungen nicht so gut auf den IT-Einsatz vorbereitet sind wie die Geschäftsleute, belegen die üblichen Verdächtigen die vorderen Ränge: Finnland hat von Position drei den Sprung an die Spitze geschafft; die USA sind damit auf Platz zwei abgerutscht, Bronze geht an Singapur. Zudem liegen Schweden, Island, Kanada, England, Dänemark und Taiwan vor Deutschland. "Der Report liefert wertvolle Benchmark-Daten für Führungskräfte aus Politik und Wirtschaft", kommentiert SAP-Chef Henning Kagermann auf der Website www.weforum.org, wo die Studie als PDF-Datei vorliegt.

Während die Benchmarks also für alle Volkswirte wertvoll sind, mühen sich die Betriebswirte bislang mit begrenztem Erfolg um Vergleichsgrößen im E-Business. Der Nutzen von Projekten lässt sich beim E-Procurement noch errechnen; spätestens beim Customer Relationship Management (CRM) oder Knowledge Management (KM) weichen die Zahlen jedoch auf. Da können selbst die erfolgreichen deutschen Geschäftsleute wenig Lehrmaterial liefern. "Wir haben bei Aral Listen aufgestellt, für welche Projekte man eine Amortisation errechnen kann und für welche nicht", erzählt Harald Eichsteller, ehemals Geschäftsführer von Aral Online. "Einmal haben wir einen Return on Investment in 75 Jahren ausgerechnet und das Projekt trotzdem gemacht." Eichsteller hat das Rechnen rund um den RoI schließlich ganz aufgegeben und sich aus dem operativen Geschäft zurückgezogen. Seit zwei Wochen erörtert der frisch ernannte Professor an der Hochschule für Medien in Stuttgart die Frage, welche strategischen Überlegungen E-Business anstoßen. In einem Teil des Seminars soll es auch um Wirtschaftlichkeitsberechnungen gehen. Die Unterlagen ruhen allerdings noch in Umzugskartons.

E-Procurement amortisiert sich schnell

Noch weiter hinten in Sachen Amortisierung siedelt Braun Projekte aus dem Bereich Business to Employee an. Audi feilt im Augenblick an einem Managementportal, das mehr als eine Unternehmenszeitung sein soll. Den RoI berechnet dabei jedoch niemand. "Es bringt doch nichts, wenn Sie den Fachbereichen vorrechnen, dass Sie pro Mitarbeiter zwei Minuten sparen", sagt Braun. Alles, was Business to Employee betrifft, finanziert er über Vereinbarungen, in denen die beteiligten Abteilungen sagen, welchen Betrag sie zu zahlen bereit sind. Engagierte Fachbereiche zögen dabei sofort mit, da sie eine Optimierung ihrer Kernprozesse erwarten.

Schlusslicht beim RoI bilden bei Audi alle E-Business-Projekte, die sich mit Telematics beschäftigen. Zwar sind Autohersteller von dem Gedanken fasziniert, den Car & Customer Lifetime Value zu verdreifachen, indem man das Fahrzeug bei jedem Wechsel der Bremsscheiben zur richtigen Werkstatt lotst. Bis sich Entwicklungs- und Einbaukosten für derartige über alle Stufen der Wertschöpfungskette ziehende Systeme lohnen, werden aber wohl noch viele Wagen unvernetzt vom Band rollen. "Da ist es am besten ,Fast Follower‘ zu sein", meint Braun.

Controlling ist machbar

Thomas Schildhauer, Direktor des Institute of Electronic Business an der Hochschule der Künste in Berlin, erklärt zu Amortisationsberechnungen bei Telematics: "In Bereichen, die sich technologisch noch nicht gesetzt haben, sind Aussagen zum RoI sinnlos." Um Manager bei Investitionen in die Zukunft trotzdem Entscheidungshilfe zu bieten, hat Schildhauer mit KPMG-Mitarbeitern eine Controlling-Methode entwickelt, die die potenziellen Kosten und den Nutzen von E-Business-Projekten überschaubar macht. Er lässt die Verantwortlichen das Know-how ihrer Firma, die Zahl und die Reaktionszeit der Betroffenen einschätzen, bevor sie den Nutzen eines Projekts quantifizieren, der zumeist in der Verringerung von Prozesskosten liegt.

Zuletzt ist diese Methode bei einer Studie Schildhauers zum Einsatz gekommen, in der er die Mitglieder des E-12-Gipfels nach dem Nutzen von Standards im E-Business gefragt hat. Der E-12-Gipfel ist ein Zusammenschluss deutscher Firmen wie Audi, BASF oder Siemens, die ihre Erfahrungen austauschen. Schildhauer fungiert dabei als Katalysator, wie er auch als Schirmherr des deutschen E-Business-Gipfels in Montreux Anwender zusammenführt. Bei der Veranstaltung des kommerziellen Anbieters Marcus Evans vom 25. bis 27. Mai lässt er sich diesmal jedoch vom Kollegen Eichsteller vertreten. Er selbst forscht in Australien, wie weit die internationalen Mitbewerber sind.