Mobile-Strategie

BYOD: Ein Business-Case macht noch keinen Sinn

23.10.2013 von Henning Dransfeld
Ein ROI-Case reicht nicht für die Einführung mobiler Geräte. Dazu bedarf es einer Mobile-Engagement-Strategie und klaren Verantwortlichkeiten, wie Henning Dransfeld von Forrester in seiner Kolumne erläutert.
Henning Dransfeld ist Senior Analyst bei Forrester.
Foto: Forrester

Forrester spricht von der zweiten Welle von Mobile Engagement. In der ersten Welle wurden mobile Anwendungen (Blackberry und E-Mail) von der IT zentral eingeführt und ausgeliefert. Die zweite Welle beinhaltet dass Mitarbeiter über Smartphones und Tablets von unterwegs auf Unternehmensanwendungen zugreifen und Workflows bedienen können.

Das enorme Potenzial dieser Entwicklung im Arbeitsumfeld ist noch lange nicht gehoben. Bisher wurde die zweite Welle von taktischen Anforderungen seitens Top Entscheider geprägt. Dazu gehören die Einführung von Tablets (zumeist das iPad) ebenso wie Management Cockpits mit denen Kennzahlen zur Bereichsführung über mobile Endgeräte eingesehen werden.

Unsere Umfragen zeigen deutlich, dass die IT-Abteilungen von europäischen Unternehmen diese zweite Welle in einigen Punkten aktiv gestalten. Unter anderem durch die Enführung von Application Store Strukturen sowie der Integration mit sozialen Medien und mit klassischen ERP-Systemen. In diesem Zusammenhang nimmt das Thema ROI-Kalkulation für Investitionen in mobile Technologien einen wichtigen Stellenwert ein. Doch der Sinn eines einzelnen Business Cases ist zweifelhaft, wenn das große Bild nicht steht.

Bring-your-own device (BYOD) ist dafür ein Beispiel. Auf der einen Seite stehen Einsparungen, wenn Mitarbeiter ihre Endgeräte selbst einkaufen. Auf der anderen Seite kommt es zu Kosten für erhöhte Anforderungen an die Governance, an die Abstimmung und Kommunikation einer BYOD-Policy, an zusätzliches Monitoring und an zusätzliche Sicherheitsstrukturen. Zudem kommt es zu höheren Ausfällen durch die fehlende Unterstützung von Geräten, die die IT-Abteilung einfach nicht kennt.

"How Important is Implement/Improve a comprehensive corporate mobile strategy and associated policies organizational initiatives during the next 12?"
Foto: Forrester

Selbst wenn diese Positionen gegeneinander aufgerechnet werden können, ist das noch keine solide Entscheidungsgrundlage. Dazu müssen auch Faktoren wie Mitarbeitermotivation, höhere Produktivität und Steigerung der Innovationskraft durch dezentral eingeführte Anwendungen hinzugezogen werden. Diese sind leider schwieriger zu bemessen.

Wie IP-Telefonie ins Unternehmen kam

Ein Beispiel im Rückblick zeigt wie eine reine ROI Betrachtung die Innovation verzögern kann. Vor zehn Jahren haben Telekom-Manager bereits das Potenzial von IP-Telefonanlagen für bessere Zusammenarbeit über Collaboration, Video und Presence Management erkannt. Da diese Vorzüge allerdings nicht messbar waren, wurden ROI-Kalkulationen auf zwei Faktoren reduziert:

  1. Kostenersparnis über Moves Ads and Changes, den Wegfall von administrativen Aufwänden bei der Einrichtung eines Telefons wenn Mitarbeiter innerhalb eines Campuses den Arbeitsplatz wechseln.

  2. Kostenersparniss über reduzierte Telefonkosten durch IP-basierte Telefonanschlüsse oder SIP Trunking.

Weil diese Einsparungen oft nicht gegen Investitionen aufgerechnet werden konnten, wurden Unified Communications Lösungen erst viel später, ab etwa 2008, in Unternehmen eingeführt. Ein solcher Aufschub wäre heute in Bezug auf Mobile Engagement nicht mehr möglich, da die Treiber aus den Geschäftsbereichen kommen.

Heute hat die IT-Abteilung nicht mehr die Zeit, einen maßgeschneiderten Rennwagen zu bauen um ihn im Nachgang an das Unternehmen zu "verkaufen". Entscheider aus Marketing, Vertrieb und Service haben das Potenzial von mobilen Anwendungen längst erkannt und beziehen zumindest ihren VW Polo aus dem Ladengeschäft selbst. Im Zweifel auch ohne Abstimmung mit der hauseigenen IT.

Es ist Zeit für eine Mobile Enterprise Strategie

Daher ist eine bereichsumfassende und gezielte Mobile Engagement Strategie notwendig, die über die Technologie Business Cases hinausgeht und das Erreichen von strategischen Unternehmenszielen berücksichtigt. Europäische IT-Entscheider sind sich dessen durchaus bewusst und messen einer solchen Strategie eine sehr hohe Bedeutung bei.

Ein Unternehmen in der Stromgrundversorgung setzt Mobile Engagement ein, um die Instandsetzung von Strommasten zu optimieren. Über eine mobile Anwendung werden Fehler eher erkannt und Servicetechniker optimal geroutet. Aufgrund hoher Sicherheitsauflagen wird hier nicht BYOD implementiert, sondern ein Gerät vorgegeben.

Die mobile Anwendung hat eine einfache Menüführung mit wenigen Auswahlmöglichkeiten, um Fehler, die die Sicherheit des Mitarbeiters gefährden könnten, zu minimieren. Das Tablet und die Anwendungen sind auf den Prozess und die typischen Anforderungen eines Außendienstmitarbeiters zugeschnitten.

Die Lösung war relativ aufwendig. Doch sie unterstützt das Ziel, Wartungskosten zu minimieren und das Ausfallrisiko von Strommasten zu minimieren.

Henning Dransfeld ist Senior Analyst bei Forrester