IT-Prognosen auf dem Prüfstand

CIOs wetten auf die Zukunft

27.10.2020 von Jens Dose
Jedes Jahr wetten CIOs und IT-Anbieter im CIO-Jahrbuch auf die digitale Zukunft. Auf der Veranstaltung "CIO Best Bets" stellten sich die Autoren einem Reality Check.

Worauf müssen sich IT-Entscheider in fünf Jahren einstellen? Welche Technologien und Konzepte setzen sich durch, und welche Konsequenzen hat das für die eigene Organisation? Im CIO-Jahrbuch geben IT-Chefs und prominente Vertreter der ITK-Branche dazu Prognosen ab. Auf der interaktiven Veranstaltung "CIO Best Bets" am 10. September stellte die Redaktion des CIO-Magazins erstmals Wetten auf den Prüfstand und warf gemeinsam mit prominenten Gästen einen Blick in die Zukunft. Während des Events stimmten die Zuschauer live über die besten Prognosen ab.

Schluss mit Tippen

"In zehn Jahren werden Maus und Tastatur in Vergessenheit geraten sein," wettete Klaus Straub, vormals Audi- und BMW-CIO, im Jahr 2012. War diese These damals bereits recht provokant, würde sie Straub aus heutiger Sicht wohl anders formulieren.

Klaus Straub formulierte im Jahr 2012 eine recht provokante These.

Andererseits aber steigt die Zahl der Smartphone- und Tablet-Nutzer jedes Jahr, der klassische PC oder Laptop gerät immer mehr ins Hintertreffen. Hinzu kommt, dass Sprachassistenten wie Alexa, Cortana oder Echo in vielen Haushalten mittlerweile zum festen Inventar gehören. Im Business-Bereich experimentieren zahlreiche Unternehmen mit Chatbots, Gesten- und Sprachsteuerung. Straub mag seine Wette also zeitlich etwas zu eng gefasst haben. Generell zeichnet sich jedoch ein Trend ab, der dem einstigen BMW-CIO auf lange Sicht Recht geben könnte.

Kollege Roboter

Hanna Hennig, CIO der Siemens AG, hatte 2019 noch in ihrer Funktion als Osram-CIO eine Wette auf die Zukunft formuliert: "Bis 2025 werden autonome Cobots (kollaborative Roboter) eher in unseren Alltag einziehen als selbstfahrende Fahrzeuge." Die Anforderungen an Sensorik und Datenverarbeitung seien so hoch, dass völlig eigenständige Autos frühestens in 20 Jahren Realität werden könnten.

"Bis 2025 werden autonome Cobots eher in unseren Alltag einziehen als selbstfahrende Fahrzeuge", wettete Siemens-CIO Hanna Hennig noch in ihrer Funktion als Osram-CIO.
Foto: Siemens AG

Dessen ungeachtet, so die IT-Chefin im Interview, hätten sich autonome Kleinstfahrzeuge längst in den Alltag eingeschlichen. So arbeiteten beispielsweise in der Landwirtschaft, der Hotellerie und der Pflege bereits Roboter in unterschiedlichen Ausprägungen. Diesem Trend habe die Coronakrise einen Schub verliehen.

"Bei Siemens sind Cobots bereits in Form von Industrie-Robotern im Einsatz", berichtete Hennig. Hinzu komme immer häufiger "kollaboratives IoT". Darunter seien sich selbst organisierende Maschinen, Wearables oder Programme zu verstehen, die sich miteinander austauschen und den Produktionsablauf ohne menschliches Zutun organisieren.

Deutschland hinkt hinterher

Hans-Martin Hellebrand, CFO der Eon-Tochter Eprimo, ist wohl der einzige Autor, der seine Wette am liebsten verlieren würde. Vor fünf Jahren prognostizierte er, "dass das Silicon Valley dem 'Standort Deutschland' auch 2025 noch in puncto Innovationskraft voraus sein wird." Als Indikator schlug er die Veränderung des Bruttoinlandsprodukts pro Kopf vor. Demnach war der US-Bundesstaat Kalifornien mit dem Silicon Valley seit 2013 etwa doppelt so innovativ wie Deutschland. Trotzdem glaubt Hellebrand, dass Deutschland den Rückstand wieder aufholen kann. Dazu sei insbesondere ein Kulturwandel erforderlich.

Auch Joerg Kohlenz, CIO von Leoni Wire & Cable Solutions, beschäftigt sich mit der Kultur in Unternehmen. Im Jahr 2026, so seine Prognose, "sind IT-Organisationen durch einen Kulturwandel vollkommen agil geworden." Zudem sollen sich die IT-Teams bis dahin größtenteils mit den Fachabteilungen vermischt haben.

Ähnlich argumentiert Timo Salzsieder, CIO der Metro AG. Er wettet, dass Unternehmen künftig nur dann erfolgreich sein werden, wenn sie die Gleichung "Umsetzung + Strategie + Kultur = Erfolg" konsequent verfolgen. Sven Kniest vom Softwareanbieter Okta stellte das Thema Datenschutz in den Mittelpunkt. Er wettet, dass "Digital Trust" sich als strategisches Ziel und Kenngröße in den Unternehmen etablieren wird. Gemeint sei damit das Vertrauen der Nutzer in den Schutz persönlicher Daten in digitalen Produkten oder Services.

Drei Sieger im Zuschauer-Voting

Die These von Axel Schell, CTO von Allianz Deutschland, wurde von den Zuschauern per Live-Voting zur spannendsten Wette gekürt. Im CIO-Jahrbuch 2021 prognostiziert er: "Bis 2026 wird der Nutzungsgrad von Public-Cloud-Technologien der entscheidende differenzierende Faktor für Unternehmen sein, wenn es um Innovationsgeschwindigkeit, IT-Stabilität und Mitarbeiterzufriedenheit geht."

Digitaler Zwilling in der Cloud

Mit Cloud Computing befasst sich auch Frank Riemensperger, Geschäftsführer von Accenture Deutschland. Seine Wette wurde vom Publikum zur relevantesten des Abends gewählt. Riemensperger erwartet, dass in Zukunft jedes Unternehmen einen "Digital Core" in der Cloud hat. Damit meine er nicht, Legacy-Systeme in die Cloud zu verlagern, erläuterte er im Live-Interview. Vielmehr gehe es darum, mithilfe eines digitalen Zwillings in der Cloud Unternehmensprozesse in Echtzeit zu steuern.

Zehn Euro würden die meisten Zuschauer hingegen auf die These von Sergej Epp wetten. Der Security-Experte von Palo Alto Networks prognostiziert, dass 2026 die Mehrzahl der Cyberattacken und Abwehrmaßnahmen zwischen autonomen Maschinen ausgetragen wird.

Während die Teilnehmer am Abend noch feierten, starteten bereits die Planungen für "CIO Best Bets 2021". Auch im nächsten Jahr werden sich CIOs mit ihren Wetten wieder einem Reality Check stellen.