Netzwerkanbieter im Umbau

Cisco setzt auf virtuelle Netzwerke

27.04.2012 von Hartmut Wiehr
Mit Virtualisierung geraten bei Netzwerken fundamentale Technologien ins Wanken. Cisco setzt auf SDN – Software Defined Networking.

Auf dem diesjährigen Partner-Summit von Cisco, der Mitte April in San Diego stattfand, zeigte sich der führende Netzwerkhersteller noch bedeckt, was seine Aktivitäten in Richtung "Software-defined Networking" (SDN) angeht. Man redete offiziell lieber über die "kontinuierliche Entwicklung bei den Partner-Programmen", oder schwärmte wie Michael Ganser, verantwortlich für Zentraleuropa, im Gespräch mit CIO.de Drilldown Virtualisierung über die große Innovationsfähigkeit des Unternehmens.

Cisco-Chef John Chambers will sein Unternehmen wieder auf die Erfolgsspur zurückholen.
Foto: Cisco

Nach dem Memo von Cisco-Chef John Chambers, das er im April 2011 an alle Mitarbeiter geschickt hatte, befindet sich der Hersteller in einer Umstrukturierung. Chambers hatte von "lost credibility" gesprochen und einschneidende Maßnahmen angekündigt. Dazu gehörten die Entlassung von mehreren tausend Mitarbeitern und eine sogenannte Konzentration auf Kernkompetenzen.

Kunden zweifeln an Identität des Unternehmens

Wie Ganser auf Nachfrage konzediert, habe sich Cisco mit seiner Akquisitionsstrategie zu viele unterschiedliche Produkte zugelegt, so dass viele Kunden Zweifel an der Identität des Unternehmens geäußert hätten. Das sei nun vorbei, und der Fokus liege wieder klar auf den klassischen Netzwerkaktivitäten. Dazu zählt Ganser auch den auf Netzwerk und Virtualisierung ausgerichteten Server UCS (Unified Computing System) und die Kooperation mit EMC und VMware, die zu der VCE-Allianz (Virtual Computing Envirement) und der Vblock-Strategie geführt hat.

VCE vermarket mit Vblock einen integrierten Server im Sinne einer "Converged Infrastructure", bestehend aus UCS, EMC-Speicher und einem Software-Layer von VMware. Nur drei Jahre nach Einführung von UCS hat man laut Ganser bereits über 10.000 Kunden gefunden und sich auf die dritte Position am internationalen Server-Markt vorgeschoben.

Mit SDN könnte eine Revolutionierung der Netzwerktechnologie einsetzen. Es erstaunt deshalb etwas, dass sich Cisco in San Diego mehr auf Stillschweigen verlegt hatte. Der Hersteller ist allerdings Mitglied der "Open Networking Foundation" (ONF), die das für SDN entwickelte Protokoll "OpenFlow" unterstützt. Man scheint noch abzuwarten und will sich momentan nicht eindeutig auf SDN festlegen, wie jüngst Äußerungen von Shashi Kiran, Senior Director of Market Management bei Cisco, nahelegen.

Cisco kauft wieder Unternehmen

Der Hersteller ist allerdings auch intern vorbereitet auf den sich ankündigenden Technologiewechsel. So hat man im April 100.000 Dollar in "Insieme" investiert, mit der Option, mit weiteren 750.000 Dollar das Start-up komplett zu übernehmen. Insieme ist auf die Entwicklung neuer Netzwerk-Technologien spezialisiert und wurde von drei ehemaligen Cisco-Mitarbeitern gegründet. Cisco und Insieme wollen sich um die Marktreife von Software kümmern, die wichtige Netzwerkfunktionen übernehmen kann, die bislang von teurer Netzwerk-Hardware ausgeübt werden.

Auf dem Partner-Summit in San Diego hielt sich auch CEO John Chambers in Sachen SDN (Software-defined Networking) zurück.
Foto: Cisco

Laut dem amerikanischen Business-Magazin "Bloomberg" steht Ciscos Insieme-Investment für eine Wiederbelebung der früheren aggressiven Akquisitionspolitik des Unternehmens. Dies zeige sich auch an der für 5 Milliarden Dollar geplanten Übernahme der englischen NDS Group, die Videodienste der nächsten Generation entwickelt hat. Marktbeobachter erwarten weitere Einkäufe von Cisco.

Für die Einführung von SDN-gestützten Netzwerken haben sich große Player wie Cisco, Verizon oder Intel ausgesprochen. Außerdem unterstützen IBM, Hewlett-Packard, NEC und NTT Docomo die Open Networking Foundation und OpenFlow. Mit SDN, soviel ist bisher abzusehen, würden Netzwerke und das Internet zentralistischer werden. Statt den Rechnern, Routern und Switchen am Rande der Netze die Steuerungsaufgaben zu überlassen, sollen dies Software-Instanzen übernehmen.

So hat Google bereits neue Hardware für die eigenen weltumspannenden Netzwerke gebaut, die mit dem OpenFlow-Protokoll zentral administriert werden sollen. Cisco und andere Router- und Switch-Hersteller werden vermutlich OpenFlow in ihre bestehenden Geräte integrieren. Offizielle Bestätigungen fehlen aber noch.

Konkurrent HP, der sich gerne mehr von Ciscos Marktanteilen für Netzwerk-Equipment abschneiden möchte, hat bereits im Februar einen kostenlosen Download für OpenFlow-Software ins Internet gestellt, mit dem bisher 16 HP-Netzwerkgeräte aufgerüstet werden können.

OpenFlow hat das Zeugs zu einem Big Bang

Ob OpenFlow ein freies Protokoll bleiben wird oder es viele proprietäre Abwandlungen geben wird, vermag bisher niemand zu sagen. Viel wird von Ciscos Entscheidung abhängen. Das Zögern des Marktführers kann auch so interpretiert werden, dass man an der Vorbereitung eines Big Bang arbeitet, der sich gegen die gesamte um die ONF gescharrte Konkurrenz richtet. Cisco-Mann Ganser jedenfalls ist der festen Ansicht, dass "Innovation" das Alleinstellungsmerkmal seines Unternehmens ist.

Die ONF (Open Networking Foundation) promoted OpenFlow und SDN.
Foto: ONF

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