Customer Experience Management (CEM)

CRM-Ausbau gerät ins Stocken

05.06.2013 von Andreas Schaffry
Unternehmen haben Probleme, ihre CRM-Systeme zum Customer Experience Management zu erweitern. Schuld sind unklare Zuständigkeiten und zu wenig qualifiziertes Personal.

Laut dem "CIO Survey 2012" des US-Marktforschungsinstituts Gartner zählt für CIOs das Customer Relationship Management (CRM) zu den Top-Ten-Technologieschwerpunkten. Ergänzend dazu stellten Gartner-Analysten im "CEO Survey 2011" fest, dass Top-Manager bis 2016 im CRM-Umfeld besonders in Customer-Experience-Management-(CEM)-Initiativen investieren wollen, um das Geschäft anzukurbeln. Beim CEM geht es vereinfacht gesprochen darum, den Kunden an den Prozessen von der Produktentwicklung über den Erstkontakt mit dem Anbieter und den eigentlichen Kauf bis hin zur Nutzung und Wartung eines Produkts zu beteiligen. Das soll beim Kunden zu einer positiven Erfahrung führen, die er wiederum an andere Personen kommuniziert.

CEM-Initiativen stecken fest

Speziell in wirtschaftlich volatilen Zeiten gewinne die Fokussierung auf den Kunden für das Management immer mehr an Bedeutung, skizziert Gartner-Analyst Jim Davies die Rahmenbedingungen für CEM. Erfolgreiche Führungskräfte hätten erkannt, dass Kunden der Schlüsselfaktor für künftiges Wachstum sind. Sie nutzen entsprechende Technologien, um positive Kundenerfahrungen zu schaffen und mehr Effizienz in kundenbezogenen Prozesse zu bringen. Dabei binden sie auch neue IT-Trends wie Social Media oder Mobility in ihre CEM-Strategie ein.

1. Denken Sie an die Anwender!
Beteiligen Sie Anwender an der Entscheidung darüber, welches CRM-System sie einführen wollen und am Rollout. Ihre Mitarbeiter sollten mitreden können, welche Features für sie Sinn machen und welche nicht. Schließlich soll sich der Workflow nicht ändern oder gar mehr Zeit in Anspruch nehmen als vorher. „Stellen Sie sicher, dass das neue System für die Anwender leicht zu lernen ist und dass sie es während der Anwendung lernen können“, rät Rafi Sweary, Präsident von WalkMe.
2. Erklären Sie die Vorteile!
„Jeder Mitarbeiter sollte darüber Bescheid wissen, welche Vorteile das neue CRM-System hat und warum es wichtig ist, Daten einzutragen“, sagt Patrick Zanella, Produkt Manager bei Eneterasys. Nicht das Pferd von hinten aufzäumen: Entscheider sollten nicht mit dem anfangen, was Anwender davon abhalten könnte, das System zu nutzen: Die Dateneingabe. Zanella vergleicht es damit, erst die Dessert-Karte zu lesen, bevor man den Salat isst. „Wer den Nutzern zuerst die Vorteile näher bringt, motiviert sie stärker“, sagt er.
3. Nicht alles auf einmal!
Oft und immer wieder falsch gemacht: Einführungskurse erklären dem Anwender alles auf einmal, statt nur mit den Basics anzufangen. „Erklären Sie die Feinheiten erst später“, sagt Todd Wickens, Engagement Manager bei der IT-Beratungsfirma SWC Technology Partners. Die Mitarbeiter mit der neuen CRM-Lösung vertraut zu machen sei ein Prozess, keine einmalige Sache. Schritt für Schritt bringt mehr, dann neigen Mitarbeiter eher dazu, das neue System anzuwenden. Und daran denken: Es ist wichtig, ständig Trainings anzubieten, neuen und alten Kollegen gleichermaßen. Auch ein Auffrischungskurs kann helfen.
4. Identifizieren Sie Supernutzer!
In jeder Firma wird es Gruppen geben, die das CRM-System am meisten nutzen. CIOs müssen wissen, wer das ist. Beziehen Sie diese Nutzer in den Entscheidungsprozess mit ein, dann fühlen sie sich als Teil des Design-Teams. Diese sogenannten Supernutzer werden dann die Begeisterung für das neue System in andere Teams weitertragen.
5. Vereinfachen Sie die Anwendung
„Die Mitarbeiter in den Sales-Abteilungen sind immer im Stress“, sagt Andy Cronk, R&D Leiter bei Aspire Technologies Ltd. „Also sollten die Daten auch schnell und einfach einzugeben sein.“ Er rät zu nicht mehr als fünf Feldern. Das spart Zeit und Nerven und lockt die Anwender eher, es zu nutzen.
6. Weniger Funktionen!
Halten Sie das CRM-System so einfach wie möglich. „Die meisten Firmen bringen ihre Mitarbeiter dazu, CRM-Systeme zu nutzen, wenn sie nur Features haben, die sie auch brauchen“, sagt Jamie Diamond, Gründer von CustomerWinHQ.com. Klar, wenn Entscheider ein komplettes Salesforce CRM-System brauchen, das keine Wünsche offen lässt, toben Sie sich ruhig aus. Aber denken Sie daran: Ihre Mitarbeiter werden all die tollen Funktionen vielleicht gar nicht nutzen.
7. Geben Sie Nachhilfe!
Ihre Mitarbeiter sind Ihre Kunden, also brauchen sie auch einen Ansprechpartner, der ihnen helfen kann. Wenn Sie das nicht leisten können: „Halten Sie alle Informationen zum Gebrauch des CRM-Systems bereit“, sagt Sweary von WalkMe. Am Besten sei es, eine Art FAQ einzurichten, damit sich nicht ständig die Leute mit den gleichen Problemchen melden. Das spart Zeit und Geld.
8. Bringen Sie die Chefs dazu, CRM zu nutzen!
Wenn der Chef das Sytem nicht nutzt, warum sollte es dann sein Angestellter tun? Bringen Sie die Chefs dazu, Ihr CRM zu nutzen. Nichts macht mehr Eindruck, als eine Email vom Chef mit dem Satz „Ich habe im CRM gesucht und nicht gefunden, dass....“.
9. Machen Sie einen Wettbewerb daraus!
Gamification ist mittlerweile überall angekommen, auch im CRM. „Verwandeln Sie das Ganze in eine Art Spiel“, rät Misha Sobolev, Managing Director bei CTOsOnTheMove.com. Sales Teams seien meistens wettbewerbsorientiert. Das können Sie ausnutzen, mit Anerkennung für diejenigen, die das System am besten nutzen.
11. Das System muss mobil nutzbar sein!
Außendienstmitarbeiter müssen in der Lage sein, das CRM-System auch auf ihren Smartphones oder Tablets zu nutzen. „Sie erwarten, dass sie von unterwegs auf Informationen zugreifen können“, sagt Gary White, CEO von White Springs. „Das macht sie natürlich auch effektiver.“ Entscheider sollten also darauf achten, dass Mobile immer eine Option ist.
12. Integrieren Sie das System!
„Mitarbeiter nutzen CRM-System lieber, wenn sie mit Anwendungen wie MS Outlook, MS Office und anderen funktionieren“, sagt Jorge Defreitas, Senior Berater bei IFS North America. „Und vergessen Sie nicht die Seamless Integration und den Zugang zu ERP“, fügt er hinzu.
13. Vermeiden Sie Chaos und schaffen Sie klare Strukturen!
Mehrere Datenbanken mit verstreuten Informationen führen nur zu Chaos. „Achten Sie darauf, dass die Kundendaten von verschiedenen Datenbanken einheitlich im CRM-System eingepflegt sind“, sagt Lou Guercia, CEO von Scribe Software. Werden Sie die Silo-Strukturen los und zentralisieren Sie Ihre Informationen. Das erleichtet letztendlich auch den Sales Teams die Arbeit und motiviert sie, das neue CRM zu nutzen.
10. Fördern Sie die Kommunikation zwischen den Abteilungen
Alle Abteilungen müssen das CRM-System nutzen: Marketing, Versand, auch das Call Center. „Alle müssen verstehen, wie wichtig es ist, das System passend zu nutzen“, sagt Mike Wierzbowski, Vizepräsident bei TOA Technologies. Schließlich kann Marketing das Produkt nicht verkaufen, wenn es nichta usgeliefert wird. „Sobald ein Feld nicht gut ausgefüllt ist, ist das ganze System nicht effektiv“, sagt er. Bei so vielen Abhängigkeiten ist es wichtig, die Kommunikation zwischen den Abteilungen zu fördern. Und vor allem: Machen Sie jedem klar, welche Auswirkungen das Handeln auf andere Abteilungen hat.

Allerdings kommen Unternehmen auf dem Weg zum CEM bisher nur schleppend voran. Zu dieser Erkenntnis kommt die Studie "The State Of Digital Customer Experience Technology 2013" des US-Marktforschers Forrester Research. Für die Untersuchung wurden mehr als 230 Experten befragt, die in den nächsten zwölf bis 24 Monaten eigene Customer-Experience-Strategien durchführen wollen. Studienautorin Anjali Yakkundi identifiziert organisatorische und personelle Defizite als die beiden Haupthindernisse bei der Umsetzung entsprechender Vorhaben:

IT und Fachbereiche ziehen nicht an einem Strang

Erstens: Bei CEM-Projekten würden die IT-Abteilung, das Marketing und die Fachbereiche nicht Hand in Hand arbeiten. 41 Prozent der Umfrageteilnehmer teilten mit, dass bei der Einführung entsprechender IT-Lösungen, die Forrester als Digital-Experience-(DX)-Technologien bezeichnet, nicht die gesamte Organisation an einem Strang zieht. In diesen Firmen seien die einzelnen Bereiche in einem Silodenken gefangen, sodass es mit der abteilungsübergreifenden Zusammenarbeit hapert.

Customer-Experience-Initiativen kommen häufig nicht voran. Laut Forrester-Analystin Anjali Yakkundi liegt das zum einen am Kompetenzgerangel der Fachbereiche. Zum anderen fehlt entsprechend ausgebildetes Personal.
Foto: Forrester Research

Fachabteilungen wie auch das Marketing würden DX-Vorhaben zudem häufig auslagern, um eine Mitwirkung der internen IT zu umgehen. So lagern 43 Prozent Channel-spezifische Initiativen wie die Entwicklung mobiler Apps und 34 Prozent die Technologie-Implementierung an einen externen Dienstleister aus. Die Hälfte gibt außerdem sogenannte kreative Services wie das Design neuartiger Produkte, die Content-Erstellung und das Branding außer Haus.

Als Beispiel für die mangelnde Zusammenarbeit zitiert Forrester den Direktor für Softwarelösungen bei einem weltweit tätigen Fertigungsunternehmen wie folgt: "Wir wissen häufig nicht, welche Applikationsentwicklung und Implementierung gerade ausgelagert ist, was letztlich zu Problemen bei der Integration der Anwendungen in das IT-Backend führt."

Es fehlt an Personal und Qualifikation

Zweitens: Unternehmen können die erforderlichen technischen Stellen nicht adäquat mit Personal besetzen. 54 Prozent der Befragten gaben an, sie hätten nicht die erforderliche Anzahl an Leuten. Zudem fehlten den vorhandenen Mitarbeitern die dafür nötigen Qualifikationen. Zudem seien die Rollen und Verantwortlichkeiten zur Unterstützung der technischen Anforderungen im Rahmen eines DX-Projektes unklar verteilt. Ein weiteres Hemmnis: 28 Prozent der Befragten glauben, dass ihre internen IT-Teams bei der Entwicklung von Applikationen für kundenbezogene Prozesse nur unzureichend über das Kundenverständnis des Business informiert werden.

Bei CEM-Projekten hatte bisher die IT-Organisation die Budgetverantwortung. Inzwischen mischt das Corporate Marketing immer mehr mit. Das führt zu Konflikten.
Foto: Forrester Research

Laut Forrester liegt das unter anderem daran, dass sich Marketing-Abteilungen, was die Einführung von Digital-Experience-Technologien und -Tools angeht, in den letzten Jahren zum Hauptentscheidungsträger gemausert haben. 32 Prozent teilten mit, das Corporate Marketing verantworte einen Teil des für den Kauf entsprechender Lösungen nötigen Budgets.

Dies bedeute jedoch nicht, dass CIOs bei Entscheidungen und dem Kauf von Lösungen nur noch die zweite spielen. Bei 51 Prozent ist hauptsächlich die IT für das Budget verantwortlich. Doch nur bei einem Viertel könne die IT auch abschließende technische Entscheidungen bei CE-Initiativen treffen. Bei diesem Kampf der Titanen "Marketing" und "IT" um die Vorherrschaft über das Budget und die Entscheidungsgewalt stehen andere Geschäftssparten sowie E-Business- und E-Commerce-Einheiten auf verlorenem Posten.

Nur zwölf Prozent der Fachabteilungen und 14 Prozent der E-Business- und E-Commerce-Units entscheiden abschließend über Investitionen in DX-Technologien. Bei immerhin 26 Prozent der Umfrageteilnehmer kommt ein großer Teil des Budgets für solche Vorhaben aber genau aus diesen Bereichen.

CEM: Web beliebtester Vertriebskanal

Gartner-Analyst Ed Thompson fordert von Entscheidern, in Social Media mehr als nur einen weiteren Vertriebskanal zu sehen.
Foto: Gartner

Auffallend ist, dass der primäre Vertriebskanal bei 80 Prozent aller DX-Initiativen immer noch das klassische Web ist. Auf Platz zwei folgt das mobile Web für Tablet-PCs mit 59 Prozent und mit 56 Prozent das mobile Web für Smartphones und andere mobile Endgeräte auf Platz drei. 47 Prozent bevorzugen als Channel soziale Medien und Communities, 44 Prozent mobile Apps für Tablets und 42 Prozent mobile Apps für Smartphones. Kiosksysteme spielen mit einem Anteil von 13 Prozent dagegen kaum eine Rolle. Diese Ergebnisse widersprechen damit der Forderung von Gartner-Analyst Ed Thompson, Social Media nicht nur als weiteren Vertriebskanal zu sehen, sondern als eine völlig neue Art um Geschäfte zu machen.

Forrester fragte außerdem danach, mit welchen Lösungen und Tools die Unternehmen ihre Digital-Experience-Initiativen technisch umsetzen wollen. Die meisten Verantwortlichen, nämlich 56 Prozent, planen in den nächsten 24 Monaten den Ausbau von Analytics-Strategien und die Implementierung von Tools für Web-, Social-, Predictive-, Behavioral- und mobile Analytics. Dieser Trend sei durch den exponentiellen Anstieg der Kundendaten in Bezug auf die Menge und unterschiedlichen Datentypen sowie der Forderung von Kunden nach individueller Ansprache auf dem richtigen Kanal getrieben, schreibt Studienautorin Yakkundi.

Hinzu kommt, dass Entscheider eine Rundumsicht auf sämtliche Kundenaktivitäten fordern, damit Kunden zielgerichtet und auf dem richtigen Kanal angesprochen werden können. Um die dafür notwendigen Erkenntnisse zu liefern, müssen CIOs in der Lage sein, Daten aus einer Vielzahl von unterschiedlichen Quellen und Kanälen zu aggregieren und dem Business für Auswertungen zur Verfügung zu stellen. 34 Prozent der Umfrageteilnehmer wollen innerhalb der nächsten zwei Jahre auch Web-Content-Management-(WCM)-Systeme einführen, 30 Prozent CRM-Anwendungen und jeweils 24 Prozent E-Commerce-Plattformen und Entwicklungstools für mobile Apps.