Auf Clients folgen die Server

Daimler ordnet Lizenz-Management neu

06.10.2011 von Riem Sarsam
Daimler-CIO Michael Gorriz stellt das Lizenz-Management im Konzern neu auf. Zwei Jahre nach dem Start zieht er ein positives Fazit – und läutet Phase zwei ein.
Michael Gorriz, CIO der Daimler AG: "Software-Lizenzen machen einen wesentlichen Anteil unseres Anlagevermögens aus. Wir schätzen unsere Kosten auf etwa zehn Prozent des IT-Budgets."
Foto: Joachim Wendler

Von Peanuts kann keine Rede sein. "Software-Lizenzen machen einen wesentlichen Anteil unseres Anlagevermögens aus", sagt Michael Gorriz. Lizenz-Management ist also auch ein Kostenprogramm. "Wir schätzen unsere Lizenzkosten auf etwa zehn Prozent des IT-Budgets", sagt der CIO von Daimler. Genug, um diese IT-eigene Büchse der Pandora zu öffnen.

Dies geschah, als Gorriz im Jahr 2008 die Gesamtverantwortung für die IT von Daimler übernahm. "Wer wie wir für Infrastruktur und Applikationen in Gänze verantwortlich ist, kommt um das Lizenz-Management nicht herum", sagt er. Erst recht nicht in der Liga des Stuttgarter Autobauers. 2010 beschäftigte der Konzern weltweit rund 260 000 Mitarbeiter. 180 000 arbeiten mit einem PC oder sind in administrative Prozesse eingebunden. "Da sind klare Regeln in den Abläufen ein Muss", so Gorriz.

Solche Regeln jedoch waren damals noch Stückwerk. Wie viele Unternehmen hatte selbstverständlich auch Daimler ein Lizenz-Management. Doch es blieb hinter den Erwartungen zurück. "Der Fokus lag auf der Konsolidierung der Lizenzbedarfe", blickt Felix Schäfer, verantwortlicher Projektleiter, zurück. "Das allein genügt aber nicht."

Die Unternehmenszahlen der Daimler AG.
Foto: cio.de

Schäfer war und ist eine der treibenden Kräfte des 2009 gestarteten Lizenzprojekt "Sambal" (Software Asset Management Balanced). Er initiierte auch eine eigene Lizenzgruppe innerhalb des CIO-Colloquiums, in der Vertreter aus anderen Konzernen regelmäßig ihre Erfahrungen mit dem Lizenz-Management austauschen. Zwei Erfolgsfaktoren scheinen für alle Konzerne: gleich: Erstens klare Aufmerksamkeit an höchster Stelle - im Falle Daimlers heißt dies, dass Michael Gorriz als Kopf der federführenden IT-Abteilung die Richtung vorgibt. Und zweitens Prozess-Know-how im Team. "Es geht weniger um Technik, sondern darum, Prozesse aufzusetzen und Schnittstellen zwischen den beteiligten Einheiten zu schaffen", sagt Schäfer.

Der Idealfall

Der Idealfall: Sambal spart Geld, vermeidet künftige Kosten, stärkt die Verhandlungsposition gegenüber Anbietern, bringt Ordnung in die Softwarelandschaft, schützt vor bösen Überraschungen bei Audits und hilft nicht zuletzt, rechtliche Vorgaben einzuhalten.

Doch der Weg zu diesem Ideal ist steinig. "Ein enormer Kommunikations- und Abstimmungsaufwand", sagt Wirtschaftsinformatiker Schäfer. CIO Gorriz stimmt zu: "Einzigartig, und zwar im komplexen Sinn" seien die erforderlichen Verbindungen zwischen den verschiedenen Abteilungen. "Da sitzen Einkauf, Rechtsabteilung, Steuer und IT an einem Tisch", sagt er. Die Hoheit hat die IT. Sie organisiert und koordiniert die Bestände und den künftigen Bedarf. Sie diskutiert die Kaufverträge mit dem Rechtswesen, stimmt dies mit dem Einkauf ab, lässt sich von den Steuerexperten in Fragen länderspezifischer Richtlinien beraten - und wenn es um Vorschriften zur Abschreibung geht, zieht sie auch noch die Buchhaltung heran.

Bei Daimler hat man sich für eine Mischung aus zentralem und dezentralem Ansatz entschieden. Über den Globus verstreut in den Werken und Bereichen stehen die IT-Manager für "ihre" lokale Software gerade. Es gilt die Faustformel: Wer für den Betrieb einer Software verantwortlich ist, ist auch für die Lizenzen verantwortlich. "Die Kollegen vor Ort haften klar für die Nutzung der Software in ihrem Zuständigkeitsbereich", erklärt Gorriz. Nur so lasse sich die nötige Aufmerksamkeit sicherstellen.

Um dieser Verantwortung auch gerecht werden zu können, bekommen sie Unterstützung aus der Zentrale. Mit Sambal werden die internen Wege gebaut, notwendige Werkzeuge installiert und alle Daten konsolidiert. Das hilft den Vor-Ort-Produktverantwortlichen, rechtskonform zu handeln. Der promovierte Physiker Gorriz fasst die Verteilung des Risikos in einer schlichten Formel zusammen: "Lizenzvolumen ist gleich Menge mal Preis", sagt er. "Die Zentrale steht für die Preise gerade, die anderen für die Mengen."

Ein Berg von Software

Das Smart Fortwo Cabrio.
Foto: Daimler AG

Für eine systematische Inventarisierung muss das Team zunächst den Software-Berg teilen. Drei Bereiche entstehen, sie ergeben sich auch aus den unterschiedlichen Lizenzmetriken: Client-, Server- und Business-Applikationen. Im ersten Schritt konzentrierte sich Sambal auf die Client-Welt im Konzern. Das Team trägt Betriebssysteme, Office-Programme und sämtliche PC-Anwendungen zusammen.

Dank automatisierter Verfahren lassen sich große Teile noch relativ leicht auflisten. Eine bereits vorhandene System-Management-Software erleichtert die Arbeit. Mühsam wird es beim kleinteiligen Rest, zur Probe installierten Programmen etwa, die nicht komplett entfernt wurden, Software in Maschinen oder besonderen Umgebungen wie Testständen. Das Team durchforstete unter anderem sämtliche Rechnungen der zurückliegenden zehn Jahre. Alles gilt es aufzustöbern, die Lizenzbedingungen zu sichten und eventuelle Fehl- oder suboptimale Lizenzierungen zu identifizieren.

Nach und nach entsteht ein unternehmensinterner Katalog mit einem automatisierten Lizenz-Compliance-Reporting. Gleichzeitig werden die konzernweiten Prozesse für die Beschaffung und Dokumentation angepasst. Der Weg vom Bedarf bis zur Installation ist heute eindeutig: Wer neue Software braucht, meldet dies dem dafür zuständigen Produktverantwortlichen. Wurde dem Programm noch niemand zugeordnet, muss das spätestens jetzt erfolgen. Er oder sie informiert die zentrale Lizenz-Management-Abteilung. Diese prüft, ob die verlangte Menge plausibel ist, ob es an anderer Stelle überschüssige Lizenzen gibt oder ob neue gekauft werden müssen. Falls noch nicht im Katalog aufgelistet, ist die Software zu erfassen, bevor Daimlers Vertrags-Management sie bestellt. Die Lizenzverantwortlichen in der Zentralen ITM ergänzen anschließend sämtliche Konditionen im Katalog. Jetzt kann die neue Software installiert werden.

Gut zwei Jahre nach dem Start von Sambal weiß Gorriz, dass sich der Aufwand lohnt. Allein die Neuverhandlungen mit den Anbietern decken schon jetzt die Verwaltungskosten. "Das ist das Minimum, das wir erreichen wollten, und wir wissen heute, dass wir es erreicht haben", sagt Gorriz. Und das ist - neben der geschaffenen Ordnung - nur die messbare Größe. Günstigere Konditionen, weniger Softwarewildwuchs auf den Desktops und eine klare Sicht auf die konzernweiten Bestände: Daimler wird vor allem in Zukunft Kosten vermeiden können. Beziffern lässt sich diese Summe nur schwer. "Ich gehe davon aus, dass sie enorm sein wird", sagt der CIO.

Daimlers Lizenz-Management-Programm Sambal tritt nun in Phase zwei: die Konzentration auf die Server. Deren Betriebssysteme, Datenbanken, Middleware stehen nun im Fokus. "Im Prinzip leicht zu zählen, aber mit komplexen Metriken", beschreibt Gorriz die Software im Serverumfeld. Ein Standard-Tool, um die in-stallierte Software wie bei den Einzelplatzrechnern zu zählen, gibt es nicht. Daimler bleibt nichts anderes übrig, als solch ein Werkzeug selbst zu entwickeln und in die bereits bestehende Lizenz-Management-System-Infrastruktur zu integrieren.

Ein unerforschtes Land

"Wir werden analog der ersten Phase vorgehen", erklärt Projektleiter Felix Schäfer. Er rechnet erneut mit gut zwei Jahren Dauer. Verschiedene Release-Zyklen der installierten Client- wie Serveranwendungen werden die Arbeit immer wieder bremsen. Es ist auch eine Reise in ein weitgehend unerforschtes Land. Nur wenige Unternehmen, so Schäfer, haben ein funktionierendes Lizenz-Management für Serversoftware.

Der Mercedes Benz SLK.
Foto: Daimler AG

Meist sind es Finanzdienstleister, deren IT-Landschaft sich nicht eins zu eins mit der eines Industriekonzerns wie Daimler vergleichen lässt. "Wir liegen dennoch weit vorne, auch wenn wir nicht die Ersten sind", sagt Schäfer. Die auf Phase drei wartenden Business-Applikationen wie ERP oder CRM hält er wieder für weniger kompliziert. Zumindest in puncto Transparenz dürften dort keine Schwierigkeiten zu erwarten sein.

Projektleiter und CIO leiten aus dem bislang Geschafften klare Erfolgsfaktoren für das Lizenz-Management ab: Das Bekenntnis an oberster Stelle bleibt für Schäfer entscheidend. Dass die IT das Sagen hat, hält CIO Gorriz für richtig, aber nicht für zwingend. "Wichtig ist, dass die Entscheidung getroffen werden muss", sagt er. Von Vorteil war sicherlich, dass die komplette IT-Verantwortung bei Daimler beim CIO liegt. "Das erspart ermüdende Abstimmungen mit Fachbereichen oder Regionen", sagt Gorriz. "Damit war klar, dass meine Leute an diesem Projekt mitarbeiten. Punkt."