Hierarchien brechen auf

"Das müssen CIOs verkraften"

17.11.2008 von Helmut Reich
CIO müssen sich Freiräume schaffen, um neuen Unternehmensstrukturen gerecht zu werden. Das 20-Prozent-Modell von Google wird weiter Schule machen, meint Berater-Guru Ossi Urchs. Auch externer Rat kann IT-Chefs weiter helfen - sogar Blogger.

Herr Urchs, CIOs arbeiten oft im Verborgenen.

Das hat vor allem in Deutschland damit zu tun, wie Vorstände definiert werden. In den USA präsentieren alle Vorstände ihr Unternehmen mehr nach außen.

Wie verändert sich der CIO-Job derzeit, worin bestehen die neuen Anforderungen?

In der Unternehmens-IT haben wir gerade die dritte Stufe erreicht. Nach den auf Großrechnern basierenden Anfängen folgte die Phase mit Client-Server-Architekturen. Nun haben wir offene Plattformen und Netzwerke. Damit geht ein Abflachen der Hierarchien einher, das sich in der Unternehmensstruktur wiederfindet - das müssen dann auch einige CIOs verkraften.

Sollte ein CIO besser ein Techniker sein, dem vor allem die technische Infrastruktur wichtig ist, oder lieber ein innovativer Gestalter, der auf das Geschäft Einfluss nimmt?

Wer seinen Job ernst nimmt, der muss neben der Technik natürlich auch die Geschäftsprozesse kennen. Es muss gelingen, die Außenkommunikation mit internen Prozessen zu verknüpfen, um eine beiderseitige Durchlässigkeit zu gewähren. Man muss "Universalist" sein.

Dieses Interview erscheint mit freundlicher Genehmigung von manager-magazin.de.
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Und wie steht es mit dem CIO als kreativem Erfinder neuer Geschäftsmodelle?

Ein CIO kann sagen, was möglich und machbar ist, und wie sich etwas entwickeln könnte. Was ist wirklich wichtig, und was ist nur "nice to have"? Die Kreativität ist dann allerdings stark von der Persönlichkeit abhängig.

Um mehr Zeit für solche Dinge zu haben, werden viele Aufgaben an externe Dienstleister ausgelagert. Welche Gefahren bringt das mit sich?

Natürlich ist das mit Risiken verbunden, doch am Outsourcing führt heute kein Weg mehr vorbei. Deshalb sind Sicherheitsmechanismen einzuführen, damit das funktionieren kann. Das Ganze ist sicher für viele auch ein Lernprozess.

Wie viel sollte denn idealerweise ausgelagert werden, kann es da überhaupt eine Faustformel geben?

Früher hieß es, alles was strategisch ist, sollte im Hause bleiben. Das gilt heute so nicht mehr. Wichtig ist es, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Eine Prozentquote gibt es allerdings nicht, das hängt sehr stark von der Unternehmensstruktur ab.

Wie reagieren CIOs in Krisen, sind ihre Abteilungen gut darauf vorbereitet?

Urchs: Ein CIO ist immer nur so gut wie das schwächste Glied seiner Reporting-Kette. Doch im Vergleich zu den Jahren des Internetbooms 2000 und 2001 gab es eine sehr steile Lernkurve. Angriffe von außen auf die IT-Struktur von Yahoo und AOL legten die Unternehmen damals für einen Tag oder länger lahm. Das ist heute nicht mehr denkbar, schon ein einstündiger Ausfall ist mittlerweile ein Thema für die Medien.

Wer kontrolliert eigentlich den CIO?

Urchs: Das ist eine gute Frage. In letzter Instanz der Markt. Eigentlich hat der Aufsichtsrat die Verpflichtung, IT-Entscheidungen zu kontrollieren. Fraglich ist, ob sich dort Personen finden, die dazu vom Wissensstand in der Lage sind. Hinzu kommt, dass oft kurze Reaktionszeiten nötig sind. Externe Berater werden daher immer wichtiger, nicht nur für neue Ideen, sondern auch für Nachbesserungen.

Welche besonderen Führungsqualitäten braucht ein CIO?

Urchs: Er muss ein hervorragender Kommunikator sein. Das ist noch wichtiger als eine gute IT-Qualifikation. Diese kann man updaten, wenn man bereits über die soliden Grundlagen verfügt. Da die Arbeit immer mehr in Projektteams organisiert wird, muss ein CIO in der Lage sein, diese im Auge zu behalten und mit Leben zu füllen. Wichtig ist auch der Blick über den Tellerrand: Was tut sich da? Welche großen Entwicklungen werden für mein Unternehmen wichtig? Und dann erst die Frage, wie man das technisch umsetzen kann.

Wie hält ein CIO mit technischen Neuerungen Schritt?

Das ist eine große Herausforderung, nicht nur in der IT, sondern in vielen Managementpositionen. Hierfür muss man sich unbedingt Zeit und Raum schaffen - das 20-Prozent-Modell von Google wird weiter Schule machen. Es kann helfen, sich auch hier mit Externen zusammenzutun. Zum Beispiel gibt es heute bereits Blogger, die Unternehmensberatung machen. Hier kommen neue Berufsbilder auf uns zu.

Eine Frage zum Abschluss. Herr Urchs, können Sie sich vorstellen, selbst als CIO zu arbeiten?

(lacht): In der Tat habe ich schon Angebote bekommen. Doch ich habe noch keinen Tag als Angestellter verbracht und habe das auch nicht vor. Als Freiberufler kann ich mehr leisten - ich bin als "frei fliegendes Enzym" sehr zufrieden.