Blockchain

Das neue Business Collaboration Tool

09.08.2017 von Lucas Mearian und Florian Maier
Wir nennen Ihnen vier Beispiele dafür, dass die Blockchain der neueste Schrei in Sachen Business Collaboration ist.

Die Blockchain ist in aller Munde und bereits in vielen Branchen Gegenstand von mehr oder weniger weit fortgeschrittenen Projekten oder Testphasen. Das liegt hauptsächlich am - technologisch bedingten - hohen Sicherheitsniveau der dezentralen Technologie. Und daran, dass nebenbei die Kosten reduziert und neue Einnahmequellen erschlossen werden können.

Blockchain - Das neue Business-Collaboration-Tool
Foto: whiteMocca - shutterstock.com

David Schatsky vom Beratungsunternehmen Deloitte glaubt, dass die Vielseitigkeit der große Pluspunkt der Blockchain-Technologie ist, wenn es darum geht, sich an bestimmte Geschäftsanforderungen anzupassen. "Welchen Einfluss die Blockchain auf Unternehmen in allen Branchen haben wird, wird dennoch noch nicht ganz verstanden", so Schatsky. Und zeigt sich damit auf Linie mit einer aktuellen Deloitte-Studie. Schenkt man dieser Glauben, wird die Blockchain-Technologie in diesem Jahr zu einem zentralen Businessthema in vielen Branchen.

Dazu hat das Beratungshaus 308 Blockchain-kundige Entscheider auf Senior-Executive-Level zum Thema befragt. Die Teilnehmer stammten aus Unternehmen und Organisationen mit einem jährlichen Umsatz von mindestens 500 Millionen Dollar. Die Ergebnisse: Für viele steht die Blockchain tatsächlich weit oben auf der Prioritätenliste:

"Ehrlicherweise muss man sagen", kommentiert Schatsky, "dass in der Industrie bis zu einem gewissen Maße immer noch Verunsicherung herrscht über das tatsächliche Potenzial der Technologie. Zwar steht die Blockchain bei mehr als einem Viertel der Teilnehmer unter den Top Fünf der Prioritäten, aber immerhin ein Drittel hält die Technologie für ‚overhyped‘".

Diejenigen, die die Blockchain bereits einsetzen, berichten hingegen von einer völlig neuen Form der Unabhängigkeit. Die Möglichkeit, sowohl Daten als auch Geld auf sichere Art und Weise übertragen zu können, schafft eine völlig neue Geschäftsdynamik.

Die Blockchain macht einen Großteil der Buchhaltung überflüssig. Letztgenannte kann insbesondere bei Transaktionen unter Beteiligung mehrerer Parteien kompliziert werden. Das revolutionäre Potenzial von Blockchain kann also gar nicht unterschätzt werden, wie Saurabh Gupta vom IT-Service-Provider Genpact weiß: "Blockchain und das Konzept der dezentralen Datenbank könnten eine Methode bieten, die Buchhaltung der gesamten Geschäftswelt zu integrieren."

Die Funktionsweise von Blockchain
Blockchain
Blockchain wird in den kommenden Jahren zur Schlüsseltechnologie in der IT werden.
(1) Transaktion
Die Transaktion ist die elementare Grundeinheit der Blockchain. Zwei Parteien tauschen Informationen miteinander aus. Dies kann der Transfer von Geld oder Vermögenswerten, der Abschluss eines Vertrags, eine Krankenakte oder eine Urkunde sein, die digital gespeichert wurde. Transaktionen funktionieren im Prinzip wie das Versenden von E-Mails.
(2) Verifizierung
Die Verifizierung prüft, ob eine Partei die entsprechenden Rechte für die Transaktion hat. Die Prüfung erfolgt augenblicklich oder es wird in eine Warteschlange geschrieben, die die Prüfung später durchführt. An dieser Stelle werden Knoten, also Computer oder Server im Netzwerk, eingebunden und die Transaktion verifiziert.
(3) Struktur
Die Transaktionen werden zu Blöcken zusammengefasst, wobei diese mit einer Hash-Funktion als Bit-Nummer verschlüsselt werden. Die Blöcke können durch die Zuweisung des Hash-Wertes eindeutig identifiziert werden. Ein Block enthält einen Header, eine Referenz auf den vorhergehenden Block und eine Gruppe von Transaktionen. Die Abfolge der verlinkten Hashes erzeugt eine sichere und unabhängige Kette.
(4) Validierung
Bevor die Blöcke erzeugt werden, müssen die Informationen validiert werden. Das am meisten verbreitete Konzept für die Validierung von Open-Source-Blockchains ist das „Proof of Work“-Prinzip. Dieses Verfahren stellt in der Regel die Lösung einer schweren mathematischen Aufgabe durch den Nutzer beziehungsweise dessen Computer dar.
(5) Blockchain Mining
Der Begriff Mining stammt aus der Bergbau und meint das „Schürfen“. Bei diesem Vorgang wird der Block erzeugt und gehasht. Um zum Zug zu kommen, müssen die Miner ein mathematisches Rätsel lösen. Wer als Erstes die Lösung hat, wird als Miner akzeptiert. Der Miner erhält für seine Arbeit ein Honorar in Form von Kryptowährung (Bitcoin).
(6) Die Kette
Nachdem die Blöcke validiert wurden und der Miner seine Arbeit verrichtet hat, werden die Kopien der Blöcke im Netzwerk an die Knoten verteilt. Jeder Knoten fügt den Block an der Kette in unveränderlicher und unmanipulierbarer Weise an.
(7) Verteidigung
Wenn ein unehrlicher Miner versucht, einen Block in der Kette zu ändern, so werden auch die Hash-Werte des Blockes und der nachfolgenden Blöcke geändert. Die anderen Knoten werden diese Manipulation erkennen und den Block von der Hauptkette ausschließen.

Smart Contracts statt Mittelsmann

Die Blockchain-Technologie ermöglicht automatisierte Geschäftsverträge (sogenannte "Smart Contracts"). Die Peer-to-peer-Datenbank erfasst zunächst die Vertragsbedingungen und prüft dann anhand der auf einzelne Knoten verteilten Daten, ob diese Bedingungen erfüllt sind und eine Zahlung autorisiert werden kann.

Vor kurzem haben IBM, AIG und die Standard Chartered Bank ein Pilotprojekt angekündigt, um einen der komplexesten Vertragstypen der Versicherungsbranche zu modernisieren: eine multinationale Police.

Dazu erstellten die Unternehmen ein Master-Exemplar, das in Großbritannien geschrieben wurde und drei Versicherungspolicen aus den USA, Singapur und Kenia in einen Smart Contract integriert. Die Basis bildet eine Blockchain-Technologie, die eine gemeinsame Sicht auf die Daten der Police sowie die Dokumentation in Echtzeit ermöglicht.

Was ist was bei Blockchain, Bitcoin und Co.?
Ethereum
Eine weitere Kryptowährung, die auf dem Blockchain-Prinzip basiert. Bietet eine Plattform für programmierbare Smart Contracts. Die "Ether" werden von Fans als legitime Nachfolger der Bitcoins angesehen (siehe auch obiges Bild).
Cryptlet
Von Microsoft für die Azure-Cloud entwickelter Service, mit dessen Hilfe Anwender externe Daten in eine Blockchain einpflegen können, ohne ihre Sicherheit und Integrität zu zerstören. Cryptlets können als indvidualisierte Middleware auch von Azure-Anwendern selbst entwickelt werden - in jeder beliebigen Programmiersprache - und sollen die Brücke von der Blockchain hin zu neuen Business-Services in der Cloud schlagen.
Kryptowährung
Digitales Geld, ohne Münzen und Scheine. Mithilfe von Kryptografie wird ein verteiltes, sicheres und dezentralisiertes Zahlungssystem aufgebaut. Benötigt keine Banken, sondern Rechenpower und technische Hilfsmittel wie die Blockchain.
Blockchain
Eine Blockchain ist eine dezentrale Datenbank, die eine stetig wachsende Liste von Transaktionsdatensätzen vorhält. Die Datenbank wird chronologisch linear erweitert, vergleichbar einer Kette, der am unteren Ende ständig neue Elemente hinzugefügt werden (daher auch der Begriff "Blockchain" = "Blockkette"). Ist ein Block vollständig, wird der nächste erzeugt. Jeder Block enthält eine Prüfsumme des vorhergehenden Blocks. <br /><br /> Entwickelt wurde das technische Modell der Blockchain im Rahmen der Kryptowährung Bitcoin - als webbasiertes, dezentralisiertes, öffentliches Buchhaltungssystem aller Bitcoin-Transaktionen, die jemals getätigt wurden.
Bitcoin Core
Die Open-Source-Software validiert die gesamte Blockchain und wurde Anfang 2009 von einem gewissen <a href="http://www.computerwoche.de/a/neue-hinweise-auf-moeglichen-urheber-von-digitalwaehrung-bitcoin,3220391" target="_blank">"Satoshi Nakamoto"</a> unter dem Namen "Bitcoin" veröffentlicht. Bitcoin Core war in C++ zuächst vor allem für Windows-Systeme programmiert worden. Wenig später folgte die Portierung auf GNU/Linux. Weil die Entwickler sich zerstritten, existieren mittlerweile einige Derivate der Bitcoin-Software, unter anderem Bitcoin XT, Bitcoin Unlimited oder Bitcoin Classic.
BigchainDB
Die "skalierbale Blockchain-Datenbank" kann bis zu einer Millionen Schreibvorgänge pro Sekunde verwalten, Petabytes an Daten speichern und wartet trotzdem mit einer Latenzzeit von unter einer Sekunde auf - das alles dezentralisiert verwaltet und bei höchster Datenintegrität. Technische Grundlage ist die Blockchain-Technologie.
Distributed Ledger
Finanz-Fachbegriff für "verteilte Kontoführung". Bitcoin ist ein komplett neuer technischer Ansatz, um Informationen über bestimmte Zuordnungen zu verteilen. Es gibt hier kein klassisches Konto mehr, das zentral bei einer Bank geführt wird, sondern die "Kontoführung" basiert auf einem Netzwerk von kommunizierenden Systemen.
Smart Contract
Ein Computerprotokoll, das Verträge abbilden oder überprüfen oder die Verhandlung eines Vertrags technisch unterstützten kann. Könnte künftig den schriftlichen Vertragsabschluss ersetzen.
R3CEV
Das Startup R3 CEV baut die blockchainbasierte "Global Fabric for Finance". Mit rund 50 Finanzpartnern soll die größte Blockchain der Welt entwickelt werden - ein erster Testlauf mit elf Großbanken, darunter Barclays, Credit Suisse, HSBC, UBS und UniCredit wurde bereits erfolgreich absolviert. R3CEV ist eine strategische Partnerschaft mit Microsoft eingegangen, um Blockchain-Infrastruktur und -Technologie in der Azure Cloud entwickeln zu können.
Ripple
Ein Open-Source-Protokoll für ein Zahlungsnetzwerk - derzeit noch in der Entwicklung. P2P-Zahlverfahren und Devisenmarkt in einem, basiert auf der Kryptowährung "XRP". Ripple-Nutzer sind jedoch nicht auf diese eine Währung festgelegt, sondern können jede beliebige Währung verwenden - also beispielsweise auch Euro, Dollar oder Yen.

Dabei ist die Lösung so aufgebaut, dass mehrere Parteien - zum Beispiel Broker, Regulatoren oder Auditoren - über das Netzwerk effektiver und effizienter zusammenarbeiten können - sagt IBM. Demnach können alle Parteien gleichermaßen auf die Daten und Dokumentation zugreifen, um jederzeit sinnvolle Entscheidungen auf Grundlage vertrauenswürdiger Daten treffen zu können. Die Vorteile der Blockchain-Technologie treten an dieser Stelle klar hervor:

Blockchain-basierte Smart Contracts können auch dazu genutzt werden, Zahlungen zwischen Finanzinstituten zu automatisieren. Accenture stellte kürzlich in einem Report fest, dass sich die Infrastruktur-Kosten von acht der zehn weltgrößten Investment-Banken im Schnitt um 30 Prozent reduzieren ließen. In Zahlen ausgedrückt beliefe sich das jährliche Einsparpotenzial für jede dieser Banken auf circa acht bis zwölf Milliarden Dollar.

Zahlungen, deren Freigabe und Vergleiche sind neben dem Aktienmarkt die Bereiche unter den Financial Services, die mit Ineffizienzen gespickt sind, weil jede Organisation ihre eigenen Daten vorhält und mit den anderen darüber Rücksprache halten muss, in welcher Prozessphase sie sich gerade befinden. Ein Vergleich nimmt deshalb in der Regel zwei Tage Bearbeitungszeit in Anspruch. Auf der anderen Seite zwingen Zahlungsverzögerungen die Banken, Geld beiseite zu legen, das ansonsten investiert werden könnte.

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Durch die Fähigkeit, Daten in Echtzeit mit allen anderen Organisationen über die Blockchain-Datenbank teilen zu können, entfällt der Prozess der Beratung und Rückversicherung beinahe komplett und sorgt laut Accenture so für effizientere und effektivere Prozesse.

Datenbank statt Transaktionsgebühren

Die meisten Zahlungssysteme werden von Finanzinstituten administriert. Wenn zwischen Unternehmen Geld fließt, ist das für gewöhnlich mit Gebühren verbunden - insbesondere für kleine, mittlere und mittelständische Unternehmen.

Großunternehmen kamen - dank ihres Kapitals und ihrer Einflussmöglichkeiten - bislang hingegen in den Genuss der Vorteile des globalen Marktes, konnten Transaktionsgebühren absorbieren oder reduzieren und den Schutz geistigen Eigentums durchsetzen. Mit Hilfe der Blockchain-Technologie sollen nun gleiche Bedingungen für alle geschaffen werden. Gleichzeitig sollen KMUs befähigt werden, auf globaler Ebene in den Markt einzutreten.

Der B2B-Payment-Service Veem beispielsweise nutzt Blockchain, um seinen KMU-Kunden - systemintern - gebührenfreie Transaktionen anbieten zu können. Zum Vergleich: Größere US-Banken verlangen eine Gebühr von circa 50 Dollar - pro Überweisung.

Veem-CEO Marwan Forzley sieht Blockchain als Chance,um den Mittelsmann bei internationalen Transaktionen zu eliminieren. Denn dieser nimmt direkten Einfluss auf die Zahlungsvorgänge an die Vertragspartner, was deren Timing und die Gebühren, die dafür anfallen, angeht. Also direkten Einfluss auf das, was am Ende für die KMUs unter dem Strich steht."

Mehr Sicherheit für Patienten-Daten

Die elektronische Erfassung von Patientendaten hat ohne Zweifel dabei geholfen, zentralisierte Systeme aufzubauen, über die diese Informationen - intern - ausgetauscht werden können. Das Problem dabei: Diese Systeme und Plattformen sind nicht für einen externen Austausch ausgelegt und verhindern einen standardisierten Organisations-übergreifenden Austausch. Allerdings könnte die Healthcare-Branche auf die dezentralisierte Blockchain-Technologie zurückgreifen, um das Teilen von Patientendaten vorab zu autorisieren.

Bereits im letzten Jahr haben das MIT Media Lab und das Beth Israel Deaconess Medical Center einen Modellversuch gestartet, bei dem die Medikationen von Patienten über eine Blockchain-basierte Datenbank namens "MedRec" geteilt wurden. Die technische Grundlage für "MedRec" bildete die Ethereum-Plattform.

Doch die Healthcare-Industrie wird auch von anderen Problemen - insbesondere wenn es um Krankenversicherungen und den damit zusammenhängenden Zahlungsverkehr geht. Gene Thomas, CIO des Gulfport Memorial Hospital bringt es auf den Punkt: "Wenn es einen Bereich in der Healthcare-Branche gibt, wo Blockchain wirklich etwas bewegen kann, dann hoffentlich im Bereich Kosten und Abrechnung."

Da passen die Erkenntnisse von Deloitte gut ins Bild: Die Healthcare-Branche hegt demnach die aggressivsten Blockchain-Deployment-Pläne: 35 Prozent der Befragten planen mit einer Ausrollung bis zum nächsten Jahr.

Microgrid statt Stromanbieter

Es ist eines der meistgenannten Beispiele, wenn es um die Einsatzmöglichkeiten der Blockchain in der Praxis geht: das "Brooklyn Microgrid" in New York. Dieses versorgt die Anwohner mit (erneuerbarer) Energie. Die Nutzer können aber auch Solarenergie-Überschüsse an ihre Nachbarn verkaufen, Dabei stehen alle Beteiligten auf der sicheren Seite - der Blockchain sei Dank.

Für die Installation des Microgrid zeichnet die Siemens Digital Grid Division verantwortlich. Es beinhaltet Network-Control-Systeme, Konverter, Smart Meter sowie Storage in Form von Lithium-Ionen-Akkus. Dank letztgenannter Batterietechnik werden die Nutzer auch im Fall eines großangelegten Stromausfalls - wie etwa im Jahr 2012 nach Hurricane Sandy - weiterhin mit Energie versorgt.

Ergänzt wird das Projekt von einer Blockchain-Datenbank, die vom Startup LO3 Energy realisiert wurde. Dabei handelt es sich um ein webbasiertes Buchhaltungssystem, das Kryptografie nutzt, um einerseits günstige Strompreise und andererseits Manipulationssicherheit zu gewährleisten. Abrechnung und Bezahlung erfolgen ohne zwischengeschalteten Versorger direkt zwischen Erzeuger und Empfänger. In diesem Szenario ist die Vermittlung über Stadtwerke, Energieversorger oder Strompreisvergleichs-Portale überflüssig.

Inzwischen nutzen circa 50 Parteien das "Brooklyn Microgrid" - darunter neben Privatpersonen auch eine Schule, eine Tankstelle, eine Feuerwehrwache und einige Fabrikanlagen. Alle teilnehmenden Parteien können untereinander kleine Mengen grüner Energie handeln. Die Preise werden dabei in automatisierten Auktionen festgelegt. Diese richten sich nach dem höchsten Arbeitspreis, den ein Energiekonsument zu zahlen bereit ist.

Nach dem Modell des Microgrid in Brooklyn könnten künftig auch Unternehmen operieren, die mithilfe der Blockchain-Technologie ihre Stromkosten reduzieren wollen.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer US-Schwesterpublikation computerworld.com.

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