Automobilzulieferer Schaeffler

Data Governance befeuert die Digitalisierung

07.05.2020 von Wolfgang Herrmann
Mit einer umfassenden Data-Management-Initiative verbessert der Automobilzulieferer Schaeffler die Datenqualität in allen Unternehmensbereichen und treibt die digitale Transformation voran.

Knapp 90.000 Mitarbeiter, 14 Milliarden Euro Umsatz, 170 Standorte in mehr als 50 Ländern: Die Schaeffler Gruppe mit Hauptsitz im fränkischen Herzogenaurach gehört auch im internationalen Maßstab zu den großen Automobil- und Industriezulieferern. Entsprechend anspruchsvoll sind die Anforderungen an das Management der Unternehmensdaten.

Jürgen Henn, Leiter Strategische IT & Digitalisierung bei Schaeffler: "Data Management ist eine Disziplin, kein IT-Projekt."
Foto: Schaeffler

Zwar ist Data Management für das Unternehmen kein neues Thema. Schon seit geraumer Zeit gibt es den Bereich Corporate Data Management, der organisatorisch in der IT aufgehängt ist. Doch hier lag der Schwerpunkt zunächst auf dem klassischen Stammdaten-Management. Weil dessen Nutzen nicht nur für die ITler klar erkennbar war, entstand die Idee, alle Daten im Unternehmen besser zu verwalten.

Markus Rahm, Leiter Corporate Data Management, stieß die Initiative an und wurde dabei von Jürgen Henn unterstützt, Leiter Strategische IT & Digitalisierung bei Schaeffler. "Data Governance, von der Erfassung bis zur Analyse von Daten, ist ein essenzieller Bestandteil unserer Unternehmensarchitektur", erläutert Henn. "Mit der Integration von Daten, Prozessen und IT entstehen die größten Chancen zur Digitalisierung unseres Unternehmens."

Wie viele große Industrie-Unternehmen kämpfte auch Schaeffler lange mit verteilten Datentöpfen und Zuständigkeiten. Etliche Abteilungen in den drei Sparten Automotive OEM, Automotive Aftermarket und Industrie gingen diesbezüglich ihrer eigenen Wege. Nicht selten führten unkoordinierte Aktionen zu einem erhöhten Arbeitsaufwand. Zudem waren die Aktivitäten in Sachen Datenverwaltung hauptsächlich auf SAP-Systeme ausgerichtet und ließen andere Anwendungen teilweise außer acht. Die Schaeffler-Experten konstatierten an vielen Stellen ein "Unstructured Data Management". Folgerichtig lautete das Ziel, den Anteil des strukturierten Data Managements mit einem Schwerpunkt auf Master Data Management und einer durchgängigen Data Governance zu erhöhen.

Dabei ging es den Verantwortlichen insbesondere um eine kontinuierliche Verbesserung der Datenqualität in allen Bereichen. Für ein strukturiertes und integriertes Datenmanagement galt es zunächst, die technische Basis zu schaffen. Am Ende, so die Hoffnung, würde die Prozesseffizienz steigen, digitale Projekte ließen sich reibungsloser abwickeln und auch die Compliance bezüglich der Datenhaltung wäre gewährleistet.

Roadmap zum Data Management

Zu den ersten Schritten auf diesem Weg gehörte das Definieren von 47 Data Domains, darunter beispielsweise "Material Master Data", "Industrie 4.0 Services Data" und "Sales Data." Die jeweiligen Domains verantworten speziell geschulte Data Domain Manager, die in der Regel in den Fachbereichen ansässig sind. Mit ihren "Data Essentials" entwickelten die Franken zudem verbindliche Leitlinien für den Umgang mit Daten. Sie sollen die Grundlage für eine "Data Culture" im gesamten Unternehmen schaffen.

In den Werken der Schaeffler-Gruppe entstanden in der Folge 71 Data Quality Circles, die sich um eine permanente Datenoptimierung kümmern. Zum Beurteilen der Datenqualität definierten die Verantwortlichen eine Reihe von KPIs. Daneben startete ein mehrstufiges Weiterbildungsprogramm für Mitarbeiter, die mit Datenthemen befasst sind. Im "Schaeffler Management Handbook" beschreibt das Unternehmen Data-Management-Methoden und einschlägige Prozesse detailliert.

Die Top-CIOs der Automobil-Branche
Falko Morlock
Seit 1. September 2023 ist Falko Morlock CIO des schwäbischen Maschinen- und Anlagenbauers Dürr AG.
Alexander Buresch
Alexander Buresch ist seit Januar 2020 CIO des bayerischen Automobilkonzerns. Ein Foto des Managers hat BMW bislang noch nicht veröffentlicht. Der Wirtschaftswissenschaftler ist seit mehr als 20 Jahren für BMW tätig und war zuletzt Vice President Corporate Strategy and Planning.
Mattias Ulbrich
Mattias Ulbrich ist seit 1. September 2018 CIO beim Automobilbauer Porsche. Ulbrich übernahm die Verantwortung für die IT in der Produktion des VW-Konzerns. Zum 1. Februar 2012 hatte Ulbrich die IT-Verantwortung (CIO) bei der Audi AG übernommen.
Hauke Stars
Seit Februar 2022 ist Hauke Stars IT-Vorständin und Chief Information Officer bei Volkswagen.
Katrin Lehmann
Als CIO der Mercedes-Benz Group AG und der Mercedes-Benz AG verantwortet Katrin Lehmann die globale IT für alle Geschäftsbereiche, Marken und Märkte und berichtet direkt an den CEO.
Jürgen Sturm
Jürgen Sturm ist seit Januar 2015 Informatikleiter beim Automobilzulieferer ZF Friedrichshafen. Sturm ist promovierter Ingenieur und kommt von der BSH Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH. Sturm war vor seiner BSH-Zeit zwischen 1999 und 2003 Bereichsleiter Organisation, Prozesse und Informationssysteme bei der Grundig AG.
Volker Schwarz
Der langjährige Rheinmetall-CIO Volker Schwarz ist seit Januar 2024 CIO beim Automobilzulieferer GKN Automotive.
Frank Loydl
CIO der Audi AG und damit Nachfolger des bisherigen CIO Mattias Ulbrich ist seit Februar 2018 Frank Loydl. Seit 2016 verantwortete er im Konzern die Software-Entwicklung. Ab 2009 war er bei T-Systems das Delivery Management für den Kunden Volkswagen AG zuständig. Diese Aufgabe übernahm Loydl 2013 schließlich direkt für den Automobilkonzern.
Sven Lorenz
Der langjährige Porsche-CIO Sven Lorenz ist Konzern-CPO bei Volkswagen. Bei der Kür zum CIO des Jahres 2006 schaffte es Sven Lorenz auf den zweiten Platz.
Martin Hofmann
Martin Hofmann tritt zum 1. Mai 2023 seinen neuen Posten als CTO und CIO bei Volta Trucks an. Zuvor war er drei Jahre als Senior Vice President bei Salesforce und über 19 Jahre bei Volkswagen, dort zuletzt als Group CIO.
Alexander Eisl
Der ehemalige MAN-Manager Alexander Eisl hat am 1. Oktober 2022 die Nachfolge von Skoda-CIO Klaus Blüm angetreten, der zu VW gewechselt ist.
Christian Eigler
Seit Januar 2016 ist Christian Eigler Continental Corporate CIO und trägt die Verantwortung für die IT bei Continental. Von Januar 2012 bis Dezember 2015 war Eigler Continental Automotive CIO. Elisabeth Hoeflich ging nach fast 30 Jahren im Unternehmen in den Ruhestand.
Michael Hilzinger
Michael Hilzinger ist seit Juli 2019 CIO beim Bremsen-Spezialisten Knorr-Bremse in München. Er war zuvor Group CIO beim Stahlhändler Klöckner in Duisburg.
Markus Bentele
Markus Bentele ist seit Januar 2017 Vice President Information Technology (VP)/Group CIO beim Automobilzulieferer Mahle International GmbH in Stuttgart. Zuvor war Bentele Corporate CIO der Rheinmetall AG.
Christian Ley
Christian Ley leitet seit 2006 den Bereich Informationssysteme Brose Gruppe. In dieser Funktion verantwortet er den Ausbau der IT-Lösungen im Kontext der Unternehmensstrategie. Ley begann 1995 als Diplom Betriebswirt (FH) als Trainee in der Brose Gruppe und wechselte anschließend als DV-Koordinator in die zentrale Anwendungsentwicklung. Dort übernahm er 1999 die Teamleitung für PPS- und QM-Systeme und anschließend die Leitung der Zentralabteilung „logistische Anwendungssysteme“. In dieser Funktion war er bis 2006 weltweit für zahlreiche SAP-Implementierungsprojekte verantwortlich.
André Wehner
Am 1. Juni 2021 hat André Wehner den CIO-Posten bei MAN Truck & Bus übernommen. Als IT-Chef verantwortet Wehner die weltweite IT des Nutzfahrzeugherstellers. Dazu zählen auch Produktionswerke, Logistikzentren und die eigenen Landesvertriebsgesellschaften. Sein Vorgänger Stephan Fingerling geht als Geschäftsführer zur Group IT Services GmbH, der IT-Tochter der Volkswagen Gruppe. Vor seinem Wechsel zum Münchner Nutzfahrzeughersteller war Wehner CDO bei Skoda Auto. In der neu geschaffenen Stelle kümmerte er sich dort seit 2016 um Unternehmensentwicklung und Digitalisierung.
Maik Krüger
Am 1. April trat Maik Krüger die Position des CIO bei Dräxlmaier an. Der studierte Wirtschaftsinformatiker war jahrelang in führenden IT-Positionen bei BMW tätig.
Sebastian Stoll
Seit 1. Juni 2021 ist Sebastian Stoll CIO und Group Vice President IT der FEV Gruppe. Er hat den Posten von Andreas Engels übernommen, der beim Kölner Compliance-Startup Kerberos eingestiegen ist. Stoll berichtet an CFO Jürgen Koopsingraven. Neben der Einführung von SAP S/4 Hana will Stoll die IT in die Cloud verlagern und die Security verbessern.
Saskia Kohlhaas
Saskia Kohlhaas ist seit November 2021 Senior Vice President Information Technology beim Engineering-Dienstleister der Automobilindustrie IAV.
Thomas Külpp
Seit August 2017 ist Thomas Külpp neuer CIO beim Autobauer Opel Automobile GmbH in Rüsselsheim. Zuvor war er bei Opel Director Sales & Marketing. Külpp hat Maschinenbau an der University of Applied Sciences in Wiesbaden studiert und als Diplom-Ingenieur abgeschlossen. Er arbeitet bereits seit 27 Jahren in verschiedenen Positionen bei Opel.
Marcus Claesson
Marcus Claesson ist CIO bei Daimler Truck. Er berichtet an den Vorstand für Finanzen und Controlling, Jochen Goetz. Darüber hinaus verantwortet Marcus Claesson die Connectivity Services innerhalb der Daimler Truck AG. Er ist seit 2017 im Unternehmen. Zuvor war Claesson CIO bei Electrolux AB.
Uwe Kühne
Uwe Kühne ist seit 2017 CIO bei GF Casting Solutions, einer Division des Georg Fischer Konzerns. Er fing 2004 bei der Georg Fischer Automobilguss GmbH als Systemanalytiker an und war zuletzt bis Ende 2016 als Head IT Operational Services bei GF Automotive für die Erbringung zentraler IT Infrastrukturleistungen verantwortlich. Auf seiner Agenda stehen die strategische Neuausrichtung der zentralen IT-Organisation, die Vorbereitung auf SAP S4/HANA, die Verlagerung zentraler IT Dienste in die Cloud sowie die Verbindung zwischen klassischer IT und Automations-Bereichen („i4.0“). GF Casting Solutions ist eine von drei Divisionen der Georg Fischer AG, ein börsennotiertes Unternehmen mit Hauptsitz in Schaffhausen, Schweiz. Das 1802 gegründete Industrieunternehmen betreibt in 33 Ländern 131 Gesellschaften, davon 51 Produktionsstätten.
Felix Willing
Felix Willing ist seit Januar 2018 Leiter des Bereichs Information Management beim Automobilzulieferer Hella GmbH & Co. KGaA im nordrhein-westfälischen Lippstadt. In dieser Position fungiert er zugleich als CIO für den globalen Hella Konzern. Zuletzt war er CIO beim Windturbinenbauer Nordex Acciona Windpower AG in Hamburg.
Bernd Süßmann
Bernd Süßmann ist seit September 2018 Head of Corporate IT bei der SAS Automotive in Karlsruhe, einem Joint Venture zwischen Continental and Faurecia. Er trägt dort die Gesamtverantwortung für die IT, führt dabei 80 Mitarbeiter und berichtet an den CFO des Unternehmens, Ekkehard Klautke.
Bernhard Pluhatsch
Bernhard Pluhatsch ist seit Oktober 2018 neuer Head of IT, Transmission Systems bei Magna Powertrain Transmission Systems (MPT TS) in Untergruppenbach bei Heilbronn. Er kommt von der Nürnberger Leoni AG, wo er von 2002 bis 2018 Vice President IT Infrastruktur war.
Michael Simon
Michael Simon (56) ist seit 1. Juli 2019 der Leiter Zentral IT und CIO der Volkswagen Retail Group. Er berichtet an die Geschäftsführung. Zuvor war der studierte Informatiker seit 2015 Leiter IT bei der Weiss Umwelttechnik GmbH. Insgesamt bringt er Erfahrung aus drei Jahrzehnten als Fach- und Führungskraft in der IT mit, unter anderem bei der Salzgitter AG Group.
Simon Blankenstein
Seit Oktober 2022 verantwortet Blankenstein als CIO die IT der Huf Group. Er berichtet an CFO Rainer Heupel. Zu seinen wichtigsten Aufgaben gehört der weltweite Rollout von SAP S/4 HANA.
Tommy Andreasen
Nach der Fusion von MAN Diesel und MAN Turbo wurde Tommy Andreasen, vorher CIO von MAN Diesel, Anfang 2010 CIO der neu geschaffenen MAN Diesel & Turbo Gruppe. In den vergangenen 20 Jahren übernahm Tommy Andreasen innerhalb der MAN Diesel Gruppe verschiedene Management Positionen, schwerpunktmäßig im Bereich Finanzen und Controlling. Im Jahr 2000 wurde er Head of Information Technology bei MAN Diesel in Dänemark und entwickelte und führte eine neue IT-Strategie ein. 2006 wurde er dann CIO des gesamten MAN Diesel Konzerns.

Erste Ergebnisse der Initiative können sich sehen lassen. So verbesserte sich die Datenqualität in wichtigen Domains wie "Product & Material Data" spürbar. Schaeffler formulierte allein dafür mehr als 30 "Data Quality Indicators" und schrieb "Data Quality Awards" aus. In regelmäßigen Meetings und Workshops diskutieren Mitarbeiter etwa über Qualitätsanalysen und geeignete Messmethoden.

"Die Data Domain Manager haben in ihrer 'Home Zone' die Ownership und beantworten auch Anfragen zum Thema Daten und Informationssicherheit", berichtet Markus Rahm. Sie seien zudem für die Berechtigungssteuerung zuständig. Mit klaren Ansprechpartnern und einem zunehmend einheitlich dokumentierten Wissen in Datenmodellen und Datenkatalogen habe man die Effizienz in vielen Projekten erhöhen können.

Vorteile brachte das übergreifende Data Management auch bezüglich Compliance und Security. So klassifizierte Schaeffler etwa seine Datenbestände anhand von Regeln zur Informationssicherheit. Daten, die beispielweise relevant für Exportkontrollen sind oder mit denen Rechte an geistigem Eigentum verbunden sind, werden entsprechend gekennzeichnet. Mit der Data-Management-Initiative adressiere man grundsätzlich alle Datentypen, betont Rahm: Stammdaten, Transaktionsdaten, Analytics- sowie auch externe Daten

Vor diesem Hintergrund sei auch in allen Bereichen ein "Business Value" erkennbar. Beispiel Data Sharing: Das gemeinsame Nutzen von Datenbeständen in verschiedenen Domains hat laut Schaeffler zu signifikanten Kosteneinsparungen geführt. Durch die klar definierten Data Domains sei zudem die Transparenz in vielen Projekten gestiegen. Ein intergiertes Product Data Model unterstütze beispielsweise die Produktentwicklung und trage zu einer höheren Qualität bei.

Weitere Prozessverbesserungen will der Hersteller mit einer Data-Catalog-Lösung und deren Integration in die Schaeffler Data Platform erreichen. Um die Effizienz zu steigern und besser skalieren zu können, sollen Data-Request-Prozesse bereichsübergreifend harmonisiert werden. Auf der To-do-Liste der IT-Verantwortlichen steht außerdem der Aufbau eines unternehmensweiten "Data Market Place."

Die Lessons Learned bei Schaeffler

Zu den großen Herausforderungen beim Umsetzen des Projekts gehörte es, auch außerhalb der IT ein Bewusstsein für die Bedeutung von Daten zu schaffen. "Das verbreitete Verständnis war bisher, dass das Daten-Management die alleinige Aufgabe der IT sei", berichtet Rahm. "Hier musste ein Wandel stattfinden. Es ging darum, die nominierten Verantwortlichen in den Fachbereichen für ihre neue Aufgabe zu begeistern." Dieser Prozess ist längst noch nicht abgeschlossen, resümiert Henn: "Data Management ist eine Disziplin, kein IT-Projekt."