Reinhard Posch

Der Chef der Staats-IT

03.02.2003 von Marita Vogel
Anders als in Deutschland wacht in Österreich ein Bundes-CIO über die IT-Strategie. Reinhard Posch verfolgt mit den zwölf CIOs der Ministerien ein ehrgeiziges Ziel: Standardprozesse für alle IT-Aufgaben des Bundes zu entwickeln und zu etablieren.

Mit Kritik kann Reinhard Posch leben. Seitdem er im August 2001 seinen neuen Job als CIO der österreichischen Bundesregierung antrat, steht er immer wieder unter Beschuss: Mal nominieren ihn Datenschützer wegen der Entwicklung der so genannten Bürgerkarte für den Überwachungspreis "Big-Brother-Award 2001", mal meckern Industrievertreter über die in ihren Augen zu langsame Umsetzung der österreichischen E-Government-Pläne. Doch ernsthaft ficht Posch das nicht an: "Kritik ist immer gut - als Herausforderung und als Regulativ", sagt der 51-Jährige.

Als Bundes-CIO sitzt er ohnehin zwischen den Stühlen. Der promovierte Informatikwissenschaftler, der direkt an Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) und dessen Vizekanzlerin berichtet, hat die schwierige Aufgabe übernommen, der IT des Bundes eine Strategie zu verpassen, sie zu integrieren und die Prozesse weitgehend anzugleichen. Um das zu erreichen, schickte jedes der zwölf Ministerien einen CIO in das so genannte IKT-Board, dem Posch vorsteht.

CIO: Warum wurde das IKT-Board eingerichtet?

Reinhard Posch: Es entstand im Rahmen des Verwaltungsmodernisierungsprojekts des Bundes. Vorher existierten viele Gremien, von deren Existenz man wusste oder auch nicht; ihre Kompetenz war eben sehr gering. Klar ist: Die Vorhaben müssen koordiniert werden, nicht die Resultate.

Um auch die Länder und Gemeinden einzubinden, trifft sich alle vier Wochen ein Gremium, dass über Aktivitäten und Fortschritte informiert. Und das sind nicht wenige: Derzeit steht die Einführung der bei Datenschützern umstrittenen Bürgerkarte ganz oben auf der Prioritätenliste. Dabei handelt es sich um eine Chipkarte, die mit digitialer Signatur und zusätzlichen Funktionen ausgestattet ist.

Wichtige Themen sind darüber hinaus die elektronische Vernetzung der österreichischen Verwaltung über den so genannten "Elektronischen Akt", die Standardisierung der E-Mail-Strategie, die E-Government-Auftritte und Portale im Internet sowie ein automatisiertes Backoffice. Und ab Mitte Februar können Österreicher ihre Steuererklärung endlich auch online einreichen; zudem ist - nach Anmeldung - eine Einsichtnahme in die persönliche Steuerakte möglich.

Doch erster Ärger droht bereits: Um den 40-Millionen-Euro schweren Auftrag zur Verwaltungsvernetzung, der im Januar vergeben wurde, steht ein Prozess ins Haus. Den Auftrag hatte eine Gruppe um das Bundesrechenzentrum, IBM und Fabasoft erhalten. Die unterlegenen Bieter, Unisys und Hewlett-Packard, wollen nun auf Schadenersatz klagen, weil bei Gründung dieser Gruppe keine Ausschreibung erfolgte.

Wie schwierig ist die Koordination innerhalb des IKT-Boards? Die einzelnen Ministerien haben ja durchaus unterschiedliche Interessen.

Der Kooperationswille ist überraschend groß. Differenzen lassen sich relativ gut lösen, weil ich von vornherein eine "Fallback"-Lösung eingebaut habe: Wenn das Board keinen einheitlichen Beschluss fassen kann, mache ich einen Vorschlag, wie das Problem gelöst werden könnte. Dieser Vorschlag geht dann an die Vizekanzlerin und den Bundeskanzler. Und diesen Fall wollen natürlich alle vermeiden, weil es nach Kompetenzgerangel aussieht. Man glaubt kaum, wie diese Eskalationsmechanismen den Kooperationswillen fördern.

Trotz dieser engen Anbindung seines Postens an die Regierungsspitze versteht Posch sich nicht als Politiker. Aus diesem Grund drängte er bei der Gründung des IKT-Boards auch darauf, dessen Bestehen zunächst bis 2005 zu planen und es damit zeitlich von der Legislaturperiode des Bundes zu entkoppeln: "Es geht hier um Informationstechnologie und nicht um politische Richtungen", betont der Bundes-CIO. Dementsprechend freut es ihn auch, wenn der österreichische Finanzminister Karl-Heinz Grasser ihn als "neutralen Fachmann" bezeichnet.

Auf der anderen Seite ärgerte es ihn schon, als der Industriepolitikbereichsleiter der mächtigen Industriellenvereinigung, Erhard Fürst, kurz vor der Nationalratswahl im November einen "Mister E-Government" forderte und zugleich betonte, dass Posch diese Funktion nicht erfülle. Doch dann wiegelte Posch ab, um schmunzelnd zu betonen, dass das sicher nicht ernst gemeint gewesen sei.

Wäre die Ernennung eines IT- oder eben E-Business-Ministers nicht effektiver?

Überhaupt nicht. Das hieße, die Verantwortung in einem Ressort zu konzentrieren. Unsere jetzige Lösung bedeutet, jenseits aller Ministerien zu stehen und so in allen Ressorts aktiv werden zu können. Das ist sinnvoller.

Durch diese Lösung werden IT-Maßnahmen auch nicht von Posch geplant, durchgeführt und finanziert, sondern vom jeweiligen Ministeriums-CIO. Offenbar ist dem CIO diese Distanz sehr recht, denn als Behördenmitarbeiter sieht sich der teilweise freigestellte Institutsleiter der Universität Graz keineswegs. Es reizt ihn, "etwas mehr Flexibilität und Dynamik in die Verwaltung zu bringen". Entsprechend motivierte Mitarbeiter hat er auch gefunden; bewerben konnte sich jeder, unabhängig vom Dienstgrad. "Dadurch ist es uns gelungen, dass die Arbeitsgruppen relativ unkonventionell funktionieren - ohne Hierarchien oder Extras wie Dienstwagen", sagt Posch.

Wenn dieser Geist irgendwann nicht mehr herrscht, wird Posch gehen. "Ich mache diesen Job sehr gern - unter der Voraussetzung, dass dieses Setup aus Dynamik und Motivation auch erhalten bleibt. Das hat bislangsehr gut funktioniert", schwärmt er. Sein Vertrag mit der Regierung läuft zunächst bis 2005. Bis dahin hat er seine Verpflichtung an der Uni Graz zurückgestellt, wo er dennoch einmal wöchentlich ist. Denn auch sein Job als Institutsleiter bedeutet ihm viel.

Weiterführende Informationen
Homepage des Chief Information Office in Wien

Bürgerkarte in der Kritik:
Bei der österreichischen "Bürgerkarte" handelt es sich um ein Konzept, in das alle Karten eingebunden werden können, die die qualifizierte elektronische Signatur ermöglichen (wie beispielsweise auch die bisherige Sozialversicherungskarte). Diese Karten werden mit einer Personenbindungs-Funktion (ein Identifikationsmerkmal wie etwa eine Registernummer, wird von der Behörde ausgegeben) ausgestattet; dadurch können etliche Amtswege online erledigt werden. Eine der ersten Anwendungen ist seit Jahresanfang 2003 die Ausstellung von Strafregisterauszügen, die Unternehmen bei der Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen benötigen. Ab Jahresmitte sollen Steuererklärung und Stipendienabwicklung via Internet dazukommen. An Kosten fallen derzeit einmalig 30 Euro für die Karte, zwölf Euro für die Registrierung und rund 40 Euro für das notwendige Lesegerät an. Dazu kommt eine Jahresgebühr von 18 Euro. Die Ausstellung der erweiterten Bürgerkarte ist freiwillig. Kritik kommt von Datenschützern, der Arbeiterkammer und der Opposition: Sie befürchten, dass durch gleichartige Schnittstellen in den Behörden der übergreifende Datenaustausch ungehindert fließen könne. Die Karte, die viele Funktionen vereine, vereinfache die Überwachung drastisch und entziehe gleichzeitig den Bürgern die Kontrolle über ihre Daten. Zudem seien die Gebühren für Bürger, die vielleicht alle zwei Jahre einmal online-fähige Verwaltungsvorgänge nutzen, deutlich zu hoch, kritisiert die Österreichische Gesellschaft für Datenschutz. Die notwendige Verbreitung werde so nicht erreicht. Für Posch ist das nicht nachvollziehbar: "Alle Datenschutzrichtlinien werden streng eingehalten. Wir wollen die gläserne Behörde, nicht den gläsernen Bürger."