Digitale Transformation

Der CIO braucht KPI für den digitalen Umbau

29.05.2017 von Wolfgang Herrmann
Viele Unternehmen können ihre Fortschritte in Sachen digitale Transformation weder messen noch quantifizieren. Der CIO ist gefordert, Erfolgskriterien zu entwickeln und den digitalen Wandel voranzutreiben.

"Digitales Business ist kein Zukunftsthema mehr", erklärte Gartner-Analyst Mark Raskino auf dem CIO & IT Executive Summit in München. Unternehmen müssten das Experimentierstadium hinter sich lassen und voll auf Wachstum in neuen Geschäftsfeldern setzen. Aufgabe des CIO sei es, die Skalierbarkeit des digitalen Geschäfts sicherzustellen. Raskino sieht dabei vier zentrale Handlungsfelder: Der CIO muss Erfolgskriterien definieren, den Transformationsprozess auf allen Ebenen treiben und im Topmanagement ein neues Denken etablieren. Last, but not least gelte es, die Chancen durch neue Technologien zu antizipieren und die Organisation darauf vorzubereiten.

Mehr als die Hälfte der CEOs und Topmanager besitzt keine Metriken für den digitalen Umbau, hat Gartner herausgefunden.
Foto: NicoElNino - shutterstock.com

Aufgabe 1: Definieren Sie Erfolgskriterien für den digitalen Wandel

Laut einer internationalen Gartner-Studie besitzt mehr als die Hälfte der CEOs und Topmanager keine Metriken, um den digitalen Umbau zielgerichtet steuern zu können. Wo es sie gibt, beziehen sich die Kenngrößen überwiegend auf markt- und kundenbezogene Aspekte, beispielsweise die Kundenzufriedenheit. "Sie können nichts skalieren, was Sie nicht quantifizieren", sagt Raskino dazu, und: "Sie können nichts quantifizieren, was Sie nicht definieren."

Der Analyst empfiehlt ein schrittweises Vorgehen. CEOs und CIOs sollten zunächst einige Kernfragen beantworten: Was bedeutet "digital" für uns? Welche Art von Wachstum streben wir an? Welches sind die wichtigsten Metriken in diesem Kontext? Und schließlich: WelcheKPImüssen sich ändern?

Ein Problem dabei ist häufig, dass CEOs "digitales Business" unterschiedlich definieren. Lange Zeit wurde der Begriff nur vage und schwammig beschrieben, berichtet Raskino. Mittlerweile aber würden die Vorstellungen konkreter und vor allem handlungsbezogener.

Dennoch ist der Nachholbedarf groß. 21 Prozent der befragten CEOs können ihre digitalen Umsätze nur grob schätzen, 46 Prozent unterscheiden sie nicht von anderen Einnahmen. Immerhin 27 Prozent definieren und messen digitale Umsätze intern, kommunizieren die Zahlen aber nicht nach außen. Lediglich sechs Prozent definieren, messen und kommunizieren ihre digitalen Einnahmen.

Aufgabe 2: Treiben Sie den Transformationsprozess voran

Der CIO sollte den Transformationsprozess nicht nur technisch, sondern auch in organisatorischer und finanzieller Hinsicht vorantreiben, fordert Raskino. Dazu gehöre beispielsweise, dass er neue Finanzierungsquellen für digitale Initiativen identifiziert. Vor allem gelte es, interne Budgets für den digitalen Wandel freizuschaufeln. Erfolgversprechend sei es auch, einen dezidierten Venture-Capital-Fonds einzurichten.

Aufgabe 3: Verändern Sie das Denken im Topmanagement

Diese Aufgabe dürfte zu den schwierigsten im Transformationsprozess gehören: Der CIO soll dem CEO und anderen Topentscheidern eine neue Art des Denkens nahebringen, neudeutsch: ihren "Mindset" verändern. Raskino empfiehlt beispielsweise, die Selbsteinschätzung des CEO in Sachen digitales Business kritisch zu hinterfragen. In der CEO-Studie sahen stolze 36 Prozent ihr Unternehmen als "Pionier" in Sachen Business Innovationen, 38 Prozent als "Fast Follower". Nur 26 Prozent stufen ihre Organisation als "Mainstream Player" ein. Letzteres heißt für Raskino nichts anderes, als dass solche Unternehmen in Sachen digitales Business hinterherhinken.

Aufgabe 4: Antizipieren Sie den nächsten technischen Quantensprung

"Nexus of Forces war gestern", sagt Raskino zu dem von Gartner geprägten Begriff, der die Kombination aus Social, Mobile, Cloud und Analytics beschreibt. "Jetzt geht es um mehr." Die vier Zukunftstechnologien, die die nächste disruptive Welle auslösen, heißen für ihn Internet of Things (IoT), Künstliche Intelligenz, Blockchain und 3D-Druck (siehe Grafik). Die befragten CEOs erwarten davon in den kommenden fünf Jahren gravierende Veränderungen in ihrer Branche.

Vier Technologien lösen aus der Sicht von Gartner die nächste disruptive Welle aus: Internet of Things (IoT), Künstliche Intelligenz, Blockchain und 3D-Druck
Foto: Gartner

Was CIOs wissen sollten: Die CEO-Prioritäten für 2017 und 2018

Aufschlussreich für CIOs sind auch die wichtigsten Business-Prioritäten der CEOs. Das Thema Wachstum steht hier mit 58 Prozent der Nennungen ganz oben auf der Liste. Auf Rang zwei folgen mit 38 Prozent IT-bezogene Themen. "Wachstum und Technologie sind die Top-Prioritäten der CEOs in den kommenden zwei Jahren", kommentierte Raskino die Ergebnisse. Im Vergleich zu früheren Befragungen habe sich die IT von Rang 11 zur zweitwichtigsten Priorität der Unternehmenschefs entwickelt (siehe Grafik).

Eine hohe Bedeutung genießen auch produktbezogene Aspekte. "Die CEOs beginnen zu verstehen, was Digitalisierung wirklich bedeutet", so der Gartner-Mann. Dabei gehe es um zentrale strategische Fragen: "Wie schaffen wir es, bestehende Produkte zu verbessern? Wie kommen wir zu echten Produktinnovationen?"

"Die CEOs beginnen zu verstehen, was Digitalisierung wirklich bedeutet", sagt Gartner-Analyst Mark Raskino.
Foto: Gartner

Die größten Wachstumshürden

Wie schwierig der Transformationsprozess in der Praxis ist, zeigt ein Blick auf die von CEOs wahrgenommenen Wachstumshürden. Aus interner Sicht beklagen die Topmanager vor allem den Mangel an Fachkräften, technische Hindernisse und die Kapitalausstattung. Geht es um externe Faktoren, stehen schwierige Marktbedingungen, eine schwache Wirtschaft und der Wettbewerb ganz oben. Aber auch regulatorische und politische Bedingungen bremsen Wachstumsstrategien oftmals aus.

Der CEO wird zum Chief Digital Officer

Die CEOs sehen sich in dieser Gemengelage zunehmend unter Druck von Seiten der Aufsichtsgremien (Verwaltungsrat, Aufsichtsrat), die rasche Fortschritte in Sachen Digitalisierung einfordern. Die meisten Topmanager sind allerdings auch ohne den Druck von außen von den positiven Effekten überzeugt. So berichten 56 Prozent von einem gestiegenen Nettogewinn durch digitale Investitionen. Der digitale Wandel ist mittlerweile auch an den Funktionsbezeichnungen der Firmenchefs erkennbar: 35 Prozent von ihnen tragen zusätzlich den Titel "Chief Digital Officer".

Holen Sie die IT zurück uns Unternehmen!

Mit Blick auf die vielfältigen Outsourcing-Strategien vor allem großer Unternehmen, rät Raskino zum Umdenken: "Holen Sie die IT zurück ins Unternehmen!". Digital erfolgreiche Unternehmen folgten dieser Maxime und verlagerten in großem Stil IT-Ressourcen wieder in die eigene Organisation. Die CEO-Umfrage scheint diesen Trend zu bestätigen: 57 Prozent der Teilnehmer gaben an, ihre Inhouse-IT sowie die digitalen Kompetenzen ausbauen zu wollen.

Raskinos Analystenkollege Frank Buytendijk verriet den Besuchern des Gartner-Summits übrigens noch einen "kleinen, schmutzigen Trick", wie sie den CEO auf ihre Seite ziehen könnten: "Helfen Sie ihrem Chef, seinen Bonus zu erhöhen!"