Ziel: Enterprise-Kunden

Der HP-Umbau: Vielleicht 10 Jahre zu spät

31.08.2011 von Scott Tiazkun
Das Unternehmensgeschäft wird das Verbraucher-Geschäft überrollen. Eine attraktive Idee, aber ein großes Glücksspiel, meint PAC-Analyst Scott Tiazkun in seiner Kolumne.
Vom Slate - einst als Apple iPad-Konkurrent konzipiert - will HP nichts mehr wissen.
Foto: HP

Ist Vielfalt eine schöne Sache? In der IT-Welt nicht mehr so sehr, nachdem HP die Entscheidung getroffen hat, Tablet-PCs und Smartphones sowie möglicherweise jetzt auch PCs fallen zu lassen. Die Entscheidung des HP-Vorstands, welche "die Suche nach strategischen Alternativen" für seine PC-Sparte autorisierte, lässt anklingen, dass nun das Unternehmens-Geschäft das Verbraucher-Geschäft überrollen wird. Kurz zuvor hatte HP bereits den beabsichtigten Erwerb der in Großbritannien ansässigen Autonomy, ein Anbieter für Enterprise Content Suche, für satte 10 Milliarden US-Dollar angekündigt.

Man kann dies auf zwei Arten betrachten. Das Argument "Tasse halb leer" besagt, dass Leo Apotheker über den HP-Vorstand gesiegt und ihn überzeugt hat, dass man die Schlacht bereits an Apple (oder andere Anbieter, die den Puls an den Wünschen der Verbraucher haben und im Consumer IT-Markt florieren werden) verloren habe oder mittelfristig über einen Zermürbungskrieg verlieren werde.

Insbesondere bei den PCs findet sicherlich ein Prozess der Kommerzialisierung statt. Der Kauf eines PC war früher ein Ereignis, dem eine monatelange Recherche vorausging, die in einer Häkchenliste mit vielen gewünschten Features und Funktionen resultierte. Heute wird der Kauf eines PCs auf dem Weg zu Wal Mart oder Costco erledigt. "Intel Inside?" Die Menschen sorgen sich mehr darum, ob es in der Nähe des Zielorts einen Starbucks gibt. "Ich hätte gern einen Grande Latte und einen PC zum Mitnehmen." In der Tat, könnte es sein, dass Starbucks über bessere Margen verfügt, als die HP PC-Sparte.

HP kann sich nicht selbst neu erfinden

Auch die Preise für PCs sind dramatisch gefallen. In einem solchen Umfeld scheint HP bereit zu sein, das Handtuch zu werfen. Mit anderen Worten, HP erkennt stillschweigend an, dass es sich nicht selbst neu erfinden kann, wie Apple das etwa getan hat. Zumindest nicht für den Consumer-Markt. So trennt die Firma sich auch von potenziellen Verlusten, die mit Smartphones, Tablets und WebOS verbunden sein könnten. Obwohl HP bereits die erforderlichen Fähigkeiten aufgebaut und hinzugekauft hatte, die notwendig sind, um PCs, Betriebssysteme und mobile Geräte zu bauen, hat der Anbieter beschlossen, sich aus dieser Arena zurückziehen und anderweitig umzusehen.

Dieses "Anderweitig" ist der Enterprise-Markt. Wenn die Verbraucher-Tasse halb leer ist, sieht die Unternehmenskunden-Tasse halb voll aus. Dem Krumen-übersäten Weg von IBM folgend, wird HP nun ausschließlich nach "Enterprise-Size"-Kunden und "Enterprise-Size"-Umsatz Ausschau halten.

Die Transformation in einen Enterprise-Anbieter begann nicht mit Leo Apotheker, sondern bereits mit der Akquisition von EDS (jetzt HP Enterprise Services). Die Übernahme von Autonomy ist nur die Ausgestaltung der verlockenden Aussicht, sowohl in den Software- als auch in den Consulting-Bereich zu expandieren. Mit den Produkten von Autonomy, die Unternehmen helfen die Kontrolle über ihre unstrukturierten Daten zu behalten, wird HP versuchen, ein integriertes Paketangebot mit seinen Enterprise-Server-und Storage-Lösungen zu schnüren. Und das wird nur ein erster Schritt zu weiteren Software-Akquisitionen sein. (Mehr zu den Auswirkungen der Autonomy-Übernahme finden Sie im Blogbeitrag 'Can Mike Lynch Transform HP Software?')

Selbst Oracle hält sich konsequent vom Beratungsgeschäft fern

Wie weit HP gehen und wie viel es ausgeben muss, um in diesem Bestreben erfolgreich zu sein, ist noch ungewiss. Ein führender Anbieter von sowohl Unternehmens-Software als auch Beratungsleistungen zu werden, ist etwas für Gut-Betuchte. Selbst Oracle hält sich konsequent vom Beratungsgeschäft fern, wobei es Gerüchte über Microsoft-Initiativen in diesem Bereich gibt. Mit den dominierenden Anbietern Oracle und SAP auf der Software-Seite und IBM als Hauptkonkurrenten im Dienstleistungsbereich, möchte HP mehr vom verlockenden "Enterprise Geschäft", das viel höhere Margen generiert, als es PCs jemals vermochten. Sich selbst in einen Unternehmens-Anbieter zu verwandeln, ist eine attraktive Idee, aber immer noch ein großes Glücksspiel - und vielleicht ein Jahrzehnt zu spät.

Wie wird sich das alles auswirken? Bei einer HP-Analystenveranstaltung in diesem Jahr nörgelten die Finanzanalysten bereits darüber, wie ein neuer Software & Services-Fokus die profitable Druck- und Imaging-Sparte des Unternehmens schwächen oder sogar gefährden könnte. Aber ähnlich wie damals, als Carly Fiorina das Unternehmen in Richtung PCs gedrängt hat, leitet Leo Apotheker sie jetzt in eine ganz andere Richtung.

Auf der Verbraucherseite wird es angesichts dieser Ankündigung aktuell sehr schwer sein, jemanden zu finden, der den Kauf eines neuen HP-PCs für einen klugen Schachzug hält. Jeder, der künftig HP-Support möchte, wird sich nun davor scheuen, einen mit nach Hause zu nehmen. Je früher sich HP von dieser Sparte trennt, desto besser. Gibt es ein Äquivalent zu Lenovo in Indien? Wenn nicht, könnte dies eine gute Chance für einige indische Investoren sein.

HP braucht Geld, Glück und sehr gute Käufe

Auf der Unternehmensseite hingegen - wenn HP bereit ist, noch mehr Geld auszugeben, Glück hat und ein paar sehr gute Akquisitionen tätigt - könnte es eines Tages in der Lage sein, IBM auf die Schulter zu klopfen und zu fragen: "Wie ist die Sicht dort oben?"

Scott Tiazkun ist Analyst bei PAC USA.