Mittelstand Platz 1 - Carsten Bernhard, Autoscout24

Der Scrum-Prophet

24.11.2011 von Kolja Kröger
CIO Carsten Bernhard hat mit agiler Software-Entwicklung den Online-Marktplatz AutoScout24 umgekrempelt.
Carsten Bernhard, CIO bei der AutoScout24 GmbH.
Foto: Autoscout

Carsten Bernhard gibt Gas. Und so hört es sich an, wenn der CIO vom Online-Marktplatz AutoScout24 aufs Pedal tritt: scrumm, scrumm, scrummmmmm. Anfang 2010 hat Bernhard seine Entwicklungs-Mannschaft auf die agile Methode "Scrum" eingeschworen und die Release-Prozesse damit enorm beschleunigt. In nur drei Monaten zum Beispiel, von der Idee bis zum Going Live, wuchtete sein Team einen Motorrad-Marktplatz auf das Portal.

"In der traditionellen Welt gilt die IT oft als der Verhinderer", meint Bernhard. Der Fachbereich hat eine Idee, aber die Leute aus der Computer-Küche können sie nicht umsetzen. Es dauert einfach zu lange. Diese Engstellen, an denen der Innovationsfluss sich staut, soll Scrum auflösen.

"Das ist wie bei Darwin und der Evolution: Wer sich in diesem Markt am wenigsten schnell verändert, ist schnell weg vom Fenster", sagt der 38-Jährige Bernhard. "Durch die erhöhte Agilität - also Schnelligkeit am Markt - können Chancen am Markt kurzfristig angegangen werden." Mittlerweile schaffen es einzelne Codes in fünf Tagen online, und Ende des Jahres soll nur noch ein einziger Tag für Releases nötig sein.

Kleine, verdaubare Häppchen

"Wir zerhacken große Projekte in kleine, verdaubare Häppchen", erklärt es Bernhard Ein neuer Motorrad-Marktplatz oder Online-Werbung, die die Kunden auch online buchen können. In zwei Wochen sprinten die Teams von einem Ziel zum nächsten, zergliedern ihre Aufgabe dafür in Einzeltasks. Entscheidungen hat das Management in die Teams delegiert, und die die 60 Köpfe starke IT-Mannschaft leistet jetzt 60 Prozent mehr als vor der Scrum-Einführung.

Das hat die Juroren beeindruckt, auch weil das Scrum-Projekt die Welten von IT und Geschäftswelt bei AutoScout24 eng miteinander verzahnt hat. "Es gibt kein Erfolg im Business ohne die IT, aber auch nicht umgekehrt", sagt Bernhard. In den Scrum-Teams sitzen Kollegen aus den Fachabteilungen mit den Entwicklern am Tisch. Sie treffen sich täglich an der großen Projekt-Tafel, konferieren kurz über den Stand der Dinge, und verkleben lauter Post its. Drei Spalten gibt es auf der Tafel: To Do, Progress, Done. Mehr Dokumentation gibt es nicht. Ansonsten arbeiten sie mit Microsoft Visual Studio.

Die Denke des IT-Entscheiders Bernhard läuft schon lange auf Hybrid-Antrieb aus BWL und Technik. In den USA machte er einen Bachelor in Computer Science, auf der European Business School den Diplom-Betriebswirt. Seine erste eigene Software schrieb und verkaufte er allerdings schon mit 16 Jahren. 500 Mark bekam er für den Finanzrechner. Heute verantwortet er aus München heraus mit rund 60 Mitarbeiter alle technischen Belange der AutoScout24-Marktplätze in ganz Europa - eine Aufgabe, in der Technik und Betriebswirtschaft eng miteinander verbunden sind.

Geek, Internet evangelist, technology advocate

"Ich war schon als Kind von Computern fasziniert", erzählt er. Der Film Tron, der alte von 1982, inspirierte ihn mit seinen zwar simplen Spielchen, aber für die Zeit revolutionären Computer-Effekten. Auf seinem Google+ Profil nennt er sich noch heute "Geek", gefolgt von "Internet evangelist, technology advocate, agile organisation troublemaker".

Seine Sporen verdiente Bernhard sich bei der Commerzbank in Frankfurt, der HVB Info GmbH in München und Fast Track Systems in San Francisco. AutoScout24 holte ihn 2006 als CIO nach München, wo er als Vice President IT direkt an die Geschäftsführer berichtet. Für 16 Länder in Europa entwickelt er das Portal weiter, hat ein grüneres Rechenzentrum mit High-Density-Racks aufgebaut, das K-Fall-Rechenzentrum virtualisiert. Über die iPhone App, die sein Team entwickelt hat, kommt mittlerweile bis zu 10 Prozent des Suchtraffics auf AutoScout24.

Scrum rüttelt am Selbstverständnis der Manager

Und nun macht er den Scrum-Propheten, den "agile organisation troublemaker". Ein paar Kollegen mussten wohl schlucken, als bei der Scrum-Einführung die Produktivität zuerst einbrach. "Am Anfang kommen viele Dinge hoch, die grundlegend falsch laufen." Da fehlen technische Beschreibungen, es hapert es an der Qualifikation, und manchmal wurden Prozesse auch durch zu viel Management verkompliziert.

Und Scrum rüttelt am Selbstverständnis der Management-Etage. Loslassen lernen, weniger entscheiden - und den Scrum-Teams vertrauen müssen die alten Leitwölfe. Nur Mut, meint der CIO. Er ist mit dem Ergebnis "unglaublich zufrieden." Das Projekt habe seine Mannschaft erwachsener gemacht, die Grabenkämpfe zwischen IT und Business beendet. "Und mir hat es mehr Freiräume geschaffen. Ich kann mich viel mehr um strategische Fragen kümmern." Das ist schließlich der Job des CIO.

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