Die wöchentliche CIO-Kolumne

Deutsche Bank lagert die IT-Infrastruktur aus

29.04.2002 von Johannes Klostermeier
Kurz vor dem Wechsel an der Konzernspitze der Deutschen Bank - Josef Ackermann folgt am 22. Mai auf Rolf Breuer - sind die Probleme des größten deutschen Finanzinstituts so augenfällig geworden wie lange nicht mehr: Zu hohe Kosten im Verhältnis zum Ertrag und eine schwache Eigenkapitalrendite nageln den Börsenkurs auf niedrigem Niveau fest. Will Ackermann verhindern, dass die Deutsche Bank zum Übernahmekandidaten wird, muss er die Marktkapitalisierung verdoppeln. Allein mit den geplanten Beteiligungsverkäufen und einer Bereinigung des Portfolios um notleidende Kredite wird das nicht zu bewältigen sein. Nicht zuletzt ist es Hermann-Josef-Lamberti, als Chief Operating Officer im Vorstand für die Informationstechnik der Bank verantwortlich, der mit rigidem Kosten-Management die strategische Position der Bank abstützen und wesentliche Kennzahlen verbessern kann. Mittels IT-Outsourcing will er jetzt einen großen Kostenblock der Bank radikal zusammenstutzen.

Die Deutsche Bank will ihre Informationstechnologie-Infrastruktur in Europa zu großen Teilen outsourcen. Dabei geht um Rechenzentren, kleine Server-Sites und Netzwerke in Deutschland, Belgien, Italien, Luxemburg, Polen, Portugal und Spanien. Über diese werden die Geschäftsbereiche Private Kunden und Vermögensverwaltung, DB Services, Konzernsteuerung und Teile der Firmenkunden- und Investmentbank abgewickelt. Accenture, CSC, EDS, IBM und T-Systems sollen Angebote abgeben. Die Bank steht beim Outsourcing unter Zugzwang: Die gesamten Verwaltungskosten, zu denen die Informationstechnik je nach Abteilung bis zu einem Fünftel beiträgt, sind auf eine Höhe gestiegen, die die Konkurrenzfähigkeit der Bank beeinträchtigt.

Anwendungsentwicklung und Projektmanagement neuer Entwicklungsprojekte sowie die Wartung bestehender Programme seien nicht betroffen. Bei der Deutschen Bank heißt es offiziell, die Bank "untersuche mögliches Outsourcing ihrer europäischen Infrastruktur". Der Vorstand des Unternehmens hat Anfang der Woche Grünes Licht für die Ausschreibung gegeben.

In einem so genannten "Request for Proposal" fordert die Bank jetzt die IT-Dienstleister Accenture, CSC, EDS, IBM und T-Systems auf, Angebote abzugeben. Unbestätigten Berichten zufolge geht es um ein Volumen von 350 Millionen Euro pro Jahr. "Nicht vor Ende des dritten Quartals" werde die Fachabteilung eine Entscheidung treffen, sagte Bank-Sprecher Klaus Thoma.

Zum Inhalt der Ausschreibung gibt es nur wenige offizielle Angaben. Lediglich zur Vorgabe der erwarteten Einsparungen gibt es eine Aussage des für die Ausschreibung Verantwortlichen. "Wir gehen von jährlichen Savings in Höhe von mindestens 100 Millionen Euro aus", sagte COO Hermann-Josef Lamberti im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Reuters.

Betroffen von der Auslagerung sind auf Bankseite rund 1000 Mitarbeiter. Man rechne jedoch damit, dass die zum Zuge kommenden externen Dienstleister diese weiter beschäftigen werden, sagte Thoma. Die Deutsche Bank plant, ihre IT in eine gemeinsame Gesellschaft, die zusammen mit dem Dienstleister betrieben werden soll, einzubringen.

"Wir können das nicht kommentieren", war das Einzige, was Annette Dingeldein, Sprecherin der Pressestelle von IBM Global Services, sagen wollte. T-Systems bestätigte lediglich die Teilnahme. Darüber hinaus wollte man sich aber nicht äußern. "Wir haben eine Vertraulichkeitserklärung abgegeben", teilte T-Systems Sprecher Norbert Hold mit. Der einzige Kommentar von EDS- Sprecher Jan Hülsmann lautete: "Wir sind sehr stark im Finanzdienstleistungsbereich."

EDS hat gerade einen Outsourcing-Vertrag mit dem Deutsche-Bank-Unternehmensbereich "Global Cash Management" in Nordamerika abgeschlossen. Unbestätigten Angaben zufolge handelt es sich dabei um ein Geschäft mit einem Wert von knapp 100 Millionen Dollar. Die Deutsche Bank will durch die Zusammenarbeit mit EDS ab Mai 2002 ihre Scheckbearbeitungs-Services ("Private Label Services") Finanzinstituten überall in den USA anbieten.

Spekulationen, dass auch bei der Verlagerung der europäischen Infrastruktur bereits eine Vorentscheidung zugunsten von EDS gefallen sein könnte, weist die Deutsche Bank zurück. "Das ist etwas ganz anderes als das, was wir jetzt planen", hieß es in Frankfurt. "Der Abschluss in den USA unterstreicht unsere guten Kundenbeziehungen zur Deutschen Bank", gibt sich EDS-Sprecher Hülsmann immerhin optimistisch.

Andere Stimmen weisen darauf hin, dass der COO der Deutschen Bank, Hermann-Josef Lamberti, seine Karriere bei IBM begonnen hat: 1985 fing er als Vertriebsmitarbeiter bei "Big Blue" in Stuttgart an. 1993 wechselte er zu IBM Europa nach Paris, danach arbeitet er zwei Jahre in Armonk im Hauptquartier von IBM, 1997 wurde er Vorsitzender der Geschäftsführung von IBM Deutschland. Bei der Entwicklung und Einführung des im Oktober vergangenen Jahres gestarteten Firmenportals DB Business Direct war IBM Entwicklungs- und Technologiepartner der Deutschen Bank.

Kritiker des Deutsche-Bank-Outsourcings warnen vor einem möglichen Vertrauensverlust der Kunden, wenn die Bank ihre Daten zu einem Dritten auslagert. Die Deutsche Bank betonte vorsorglich, dass die Sicherheit und Vertraulichkeit der Kundendaten weiterhin in der ausschließlichen Verantwortung der Deutschen Bank verblieben.

Der COO der Deutschen Bank, Hermann-Josef Lamberti steht - wie seine Kollegen bei den anderen deutschen Banken - unter Zugzwang. Zum Stichwort "Sparen" fiel ihm beim Interview mit CIO "vor allem unser IT-Budget ein".

Das trägt einen erheblichen Teil zu den Gesamtaufwendungen der Bank bei. Und die sind viel zu hoch: Die "Cost-Income-Ratio " (Aufwand-Ertrags-Relation) ist im Geschäftsjahr 2001 von 72,1 auf gut 80 Prozent gestiegen; zuletzt lag sie bei mehr als 90 Prozent. Im globalen Vergleich gelten knapp 60 Prozent als machbar. Das Outsourcing-Projekt soll nun dazu beitragen, die Cost-Income-Ratio der Deutschen Bank auf einen konkurrenzfähigen Wert zu drücken.