Skepsis bei Offshoring bleibt

Deutscher IT-Services-Markt wächst in diesem Jahr um 5,4 Prozent

22.06.2007 von Nina Gut
Das Umsatzvolumen des deutschen IT-Services Marktes wird sich im Jahr 2007 auf fast 33,6 Milliarden Euro belaufen. Im Vorjahr wurden knapp 31,9 Milliarden Euro erwirtschaftet. Das entspricht einem Wachstum von 5,4 Prozent. Zu diesem Ergebnis kommt der Marktforscher Gartner in einer aktuellen Studie.
Deutsche Marktführer im Bereich IT-Services für Computing.

Der deutsche Markt für IT-Dienstleistungen bleibt damit der zweitgrößte in Europa nach Großbritannien (über 60,1 Milliarden Euro). Gartner prognostiziert der Branche in Deutschland eine durchschnittliche jährliche Zuwachsrate von 5,3 Prozent für die Zeit bis 2010. "Der IT-Services Markt in Deutschland ist insgesamt auf einem sehr guten Weg", sagt Michael von Uechtritz und Steinkirch, Market Research Director bei Gartner. "Dies ist auf die ökonomische Erholung in Deutschland und den Drang der deutschen Unternehmen zu Innovation und Modernisierung bestehender IT-Strukturen zurückzuführen. Die Einhaltung vieler europäischer Direktiven, beispielsweise SEPA oder MiFID, sowie europäische Innovationsprogramme wie i2010 beeinflussen den lokalen Markt zukünftig stärker." Marktforscher Gartner sieht vor allem die IT-Beratung mit einer jährlichen Wachstumsrate von über 5,5 Prozent als Wachstumstreiber - bei einem Umsatz von geschätzt rund zwei Milliarden Euro.

Die Top drei der IT-Service-Anbieter für Computing in Deutschland sind T-Systems, IBM und Siemens IT Solutions & Services. Mit einem Umsatz von rund 2,3 Milliarden Euro im Jahr 2006 hatte T-Systems die Nase vorn. Das Unternehmen hielt einen Marktanteil von 12,1 Prozent. IBM verbuchte einen Umsatz von 1,6 Milliarden Euro. Das entspricht einem Marktanteil von 8,3 Prozent. Siemens IT Solutions & Services kam auf 1,4 Milliarden Euro Umsatz und erreichte damit einen Anteil von 7,3 Prozent.

Nach Untersuchungen von Gartner unterscheidet sich der deutsche Beratungsmarkt in wesentlichen Faktoren von denen anderer westlicher Nationen:

Geschäftsbeziehungen bestehen in Deutschland im Schnitt zehn bis zwölf Jahre und damit länger als in den angelsächsischen Ländern. Zudem ist die Zeitwahrnehmung um bis zu 35 Prozent höher als zum Beispiel in den USA. Dies bedeutet, dass IT-Projekte in Deutschland wesentlich länger dauern. Dadurch entstehen intensive Bindungen zwischen Unternehmen und ihren Dienstleistern sowie auch divergierende Planungshorizonte und damit Eintrittsbarrieren für neue Wettbewerber.

Große Anbieter sind auf wenige Branchen spezialisiert. So bietet T-Systems zum Beispiel konzentriert Leistungen im Automotive-Bereich an, während IBM sich unter anderem auf die Finanzbranche konzentriert.

Um IT-Budgets großer Unternehmen gibt es einen besonders intensiven Wettbewerb, weil diese in aller Regel größer sind als mittelständische IT-Investitionen. Der Bedarf an globalen IT-Services, die von externen Anbietern geleistet werden, ist grundsätzlich höher. Auf Anbieterseite wird jedoch gelegentlich der innovative Mittelstand und dessen Potential vernachlässigt.

Der Preis und besonders das Preis-Leistungs-Verhältnis sind in Deutschland immer noch die wichtigsten Faktoren bei den Kaufentscheidungen für einen IT-Lösungsanbieter, zum Beispiel im Bereich CRM oder ERP. Bei der strategischen Auswahl gewinnt der geleistete Business-Mehrwert jedoch an Bedeutung.

Während die Bereitschaft für das Auslagern von Dienstleistungen unter deutschen Unternehmen allgemein steigt, ist die Skepsis gegenüber Offshoring stark ausgeprägt. "Deutsche Unternehmen entscheiden in Sachen Offshoring auch nach sprachlichen und weiteren wirtschaftskulturellen Gesichtspunkten wie Arbeitsrecht oder Löhne", erklärt Michael von Uechtritz und Steinkirch. "Wir gehen davon aus, dass dies auch auf längere Sicht für deutsche Unternehmen so bleibt. Heimische IT-Dienstleister mit Lieferkapazitäten in Ländern Osteuropas, wie zum Beispiel Polen, haben in dieser Hinsicht zurzeit bessere Chancen, große Aufträge an Land zu ziehen. Dennoch sind erste Offshore-Erfolge auch in einer eher konservativen Industrie wie dem Finanzsektor zu beobachten."

Empfehlungen an IT-Services Anbieter

Obwohl der deutsche Markt aufgrund lang bestehender Geschäftsbeziehungen und des Branchenfokus der Anbieter eher in sich geschlossen ist, haben neue und kleinere Anbieter im "IT Professional Services"-Markt gute Chancen, sich zu etablieren. So bietet zum Beispiel der von den großen Wettbewerbern häufig vernachlässigte Mittelstand ein vielversprechendes Potenzial für die Dienstleister, die sich auf ganz bestimmte Branchen und Geschäftsmodelle in diesem für die deutsche Wirtschaft so wichtigen Bereich konzentrieren.

Automobilhersteller etwa haben bereits vor Jahren begonnen, Schnittstellen zu ihren Lieferanten zu standardisieren. Dies beinhaltet neben Kommunikationsprotokollen auch ganze IT-Lösungen, Schnittstellen im Entwicklungsprozess oder auch Lösungen zur Abwicklung von Gewährleistungen. Dadurch sind die zuliefernden Familienunternehmen potentielle Kunden großer professioneller IT-Dienstleister geworden.

Auch mit innovativen Ansätzen können die Anbieter punkten. "Deutschland ist entgegen der öffentlichen Wahrnehmung sehr innovationsgetrieben. Dies ist nicht nur auf die großen Unternehmen begrenzt“, analysiert Michael von Uechtritz und Steinkirch. "Neue innovationsorientierte IT-Services Anbieter, die ein bis zur Forschungsebene reichendes Verständnis in bestimmten Branchen aufweisen und darauf aufbauend vertikale Lösungen anbieten, werden gute Chancen haben, Marktanteile zu gewinnen."

Empfehlungen für Anwender

Ein Trend der Zukunft ist die immer stärkere Verbindung von wirtschaftlichen und technischen Zusammenhängen. CIOs und IT-Abteilungen in Unternehmen müssen verstärkt den wirklichen Geschäftsnutzen einer Dienstleistung in Betracht ziehen. "Käufer in Unternehmen sollten nicht nur auf die Kosten schauen, wenn sie sich für IT-Services entscheiden", sagt Roger Albrecht, Managing Vice President und Head of Consulting Germany bei Gartner. "Auf den ersten Blick billigere Anbieter können sich auf längere Sicht als die teurere Wahl erweisen. CIOs sollten hierbei mehr wie CEOs denken und strategische und gesamtwirtschaftliche Aspekte bei ihren Entscheidungen berücksichtigen."

Außerdem sollten Anwender bei der Auswahl eines Dienstleisters eine klare Vorstellung von ihren Bedürfnissen haben. Die Geschäftsmodelle der IT-Services-Anbieter ändern sich rapide. Eine Zweiteilung kristallisiert sich heraus. In einem Lager befinden sich die Anbieter mit sehr stark angepassten Kundenlösungen, wobei jede Lösung individuell einzigartig ist. Auf der anderen Seite sind die Anbieter für "IT Professional Services", die bestimmte Elemente wie die Leistungserbringung standardisieren und industrialisieren.

Die vollständige Analyse brachte Gartner unter dem Titel "Forecast IT Services in Europe, The Middle East and Africa 2005-2010" heraus.