Neue Wertschätzung

Die IT verliert ihren Schrecken im Unternehmen

29.09.2015 von Werner Kurzlechner
Das Ansehen der IT wächst. Auch die Rolle des CIOs ist mittlerweile zeitgemäß definiert, wie die Nonprofit-Organisation CompTIA in einer Studie feststellt.
  • Die Verteilung zwischen Betrieb und Strategie pendelt sich immer besser ein
  • Die Firmen nehmen Abschied von BYOD
  • Hadoop ist für die gefragten Echtzeitprozesse suboptimal geeignet
  • Die Fachbereiche benötigen die IT als Personalberater und Trainer
Die blassvioletten Kreise links zeigen, wie CIOs ihre Prioritäten vor fünf Jahren gewichten. Rechts in frischem Lila sieht man, wie sich die Verhältnisse seither ausbalanciert haben.
Foto: CompTIA

"Die IT ist nicht mehr das Schreckgespenst, das sie einmal war", titelt Thor Olavsrud für unsere amerikanische Schwesterpublikation CIO.com. Das klingt doch hervorragend. Olavsrud bezieht sich auf eine Studie der Nonprofit-Organisation Computing Technology Industry Association (CompTIA), für die in den USA 375 IT-Verantwortliche und 275 Business-Führungskräfte befragt wurden. Anlass für die optimistische Überschrift ist der CompTIA-Befund zum Thema Schatten-IT. Demnach erkennen die Unternehmen offenbar zunehmend, dass die Ausbootung der IT durch die Fachbereiche via Cloud Computing und Mobile IT ein Irrweg ist.

IT wird nicht mehr weggeschubst

"Das komplette An-die-Seite-Drängen der IT hat sich verringert", heißt es in der Studie "Building Digital Organizations". Die Business-Seite habe ihre Lektion gelernt - entweder aus den gesammelten schlechten Erfahrungen oder aufgrund von negativen Berichten Dritter. Die Lektion lautet: Das Know-how zu Sicherheit und Integration in der IT-Abteilung sollte genutzt werden, wenn man sich technologische Lösungen anschafft.

Der Trend, dass Fachbereich sich selbst mit Tools ausrüsten, verstärkt sich zwar weiter. Aber die IT wird dabei als Berater und Dienstleister wieder mehr geschätzt als vor einigen Jahren. Sie wird weithin nicht mehr Bremsklotz verunglimpft. Die viel beschworene Partnerschaft zwischen Business und IT scheint mittlerweile handfester gelebt zu werden, als es lange möglich schien.

Die Schatten-IT ist indes nur ein Aspekt der Studie "Building Digital Organizations", deren Fokus auf den Veränderungen im Zeitalter der Digitalisierung insgesamt liegt. Als Gesamteindruck bleibt am Ende hängen, dass sich die aus dem Lot geratenen Dinge allmählich ausbalancieren. Die alten Verhältnisse kehren nicht wieder, aber in der neuen Ära fügt sich so manches mittlerweile in ein neues Gleichgewicht.

CIO-Prioritäten neu ausbalanciert

CompTIA beleuchtet unter anderem, wie sich die Prioritäten des CIOs verschoben und neu ausbalanciert haben. Ausgangspunkt ist die Beschreibung der Analysten von Constellation Research, nach der ein moderner IT-Chef vier Personen in einem verkörpert: Chief Infrastructure Officer, Chief Integration Officer, Chief Intelligence Officer und Chief Innovation Officer.

Vor fünf Jahren lagen diese Aspekte laut Studie in der Prioritätenliste der CIOs noch sehr weit voneinander entfernt. Zu 73 Prozent lag das Augenmerk seinerzeit auf der Infrastruktur, nur zu 31 Prozent auf Innovation. Seither hat sich alles zusammengeschoben. Die klassischen Rollen der Infrastruktur und Integrationen haben mit 57 Prozent respektive 55 Prozent zwar noch ein leichtes Übergewicht, aber Wissensgewinnung und Innovationen bringen jetzt auch 44 Prozent beziehungsweise 43 Prozent auf die Waagschale. "Das Bild offenbart mittlerweile eine größere Balance zwischen Betrieb und Strategie, auch wenn die operative Seite immer noch ein angestammtes Übergewicht mitbringt", urteilt CompTIA.

9 Wege zur erfolgreichen Digitalisierung eines Unternehmens
9 Wege zur Digitalisierung
Eine neue Studie zum Thema Digitalisierung identifiziert neun Handlungsfelder in denen Unternehmen tätig werden müssen, um die Digitalisierung erfolgreich voranzutreiben und Digitale Exzellenz zu erlangen.
Digital Leadership
Die digitale Transformation muss von der Unternehmensspitze priorisiert und vorangetrieben werden.
Digital Empowerment
Die Qualifizierung von Mitarbeitern für die digitale Transformation sollte unternehmensweit von statten gehen.
Customer & Partner Engagement
Kunden und Partner sind die treibenden Kräfte der digitalen Transformation. Das Ziel für Unternehmen ist es folglich, deren Erwartungen und Anforderungen zu verstehen und diesen möglichst schnell gerecht zu werden.
Business Model Innovation
Digitale Exzellenz erfordert die fortlaufende Überprüfung bestehender Geschäftsmodelle auf Digitalisierungspotenziale und -notwendigkeiten. Unternehmen sollten neue digitale Geschäftsmodelle aktiv entwickeln.
Digital Platform Management
Im digitalen Raum haben verschiedene Plattformen eine zentrale Rolle übernommen. Unternehmen müssen auf diesen Plattformen präsent sein, Einfluss auf sie nehmen oder sogar selbst eine Plattform entwickeln und betreiben.
IT Architecture Transformation
Veraltete IT-Architekturen müssen komplett überarbeitet und erneuert werden. Die auf Stabilität und Sicherheit ausgelegten Backend-Systeme sollten so optimiert werden, dass sie die Frontend-Systeme in ihrer schnellen Weiterentwicklung unterstützen können.
Process Digitisation & Automation
In der klassischen IT-Disziplin der Prozessoptimierung und Effizienzsteigerung erfordert Digitale Exzellenz ein permanentes IT-Engagement.
Data-driven Agility
Digitale Exzellenz erfordert die stetige Auswertung von entstehenden Daten. Diese sollten anschließend in die steuernden Prozesse zurückgeführt werden, wo sie unmittelbar für die Weiterentwicklung und Gestaltung des digitalen Angebotes zur Verfügung stehen.
Digital Security & Compliance
Digitale Exzellenz ist nur zu erreichen und aufrechtzuerhalten wenn Systeme und Prozesse kontinuierlich in Bezug auf Sicherheit und Compliance überprüft und weiterentwickelt werden.

Hype um Bring Your Own Device (BYOD) vorbei

Im Bereich Infrastruktur haben Cloud Computing und Mobile IT nach Einschätzung der Studienautoren den größten Einfluss. Auffällig ist hier, dass sich die Anwender offenbar zusehends vom einstmals gehypten Thema Bring Your Own Device (BYOD) verabschieden. 2013 waren 34 Prozent der Befragten bekennende BYOD-Verweigerer, 2014 schon 45 Prozent und aktuell sind es 53 Prozent. Die Mitarbeiter nutzen offenbar gerne Firmengeräte, solange Devices angeboten werden, die sie auch als Endverbraucher gut fänden.

Integration dauert länger als gedacht

Im Feld der Integration beklagen 45 Prozent der Befragten, dass Cloud und Mobile die zeitliche Dauer der Integration stärker als gedacht verlängert hätten. Laut CompTIA haben die beiden Technologien dazu geführt, dass Integration aus umfassenderer Perspektive betrachtet wird. "57 Prozent der IT-Verantwortlichen betonen immer noch die Wichtigkeit, Integration von der architektonischen Seite her zu betrachten, um das größtmögliche Kontrollniveau zu erreichen", heißt es in der Studie. "Aber für 32 Prozent spielt sich Integration nach eigenen Angaben vor allem auf Anwendungsniveau ab mit dem Ziel eines reibungslosen Workflows; und 11 Prozent betrachten über Integration bevorzugt aus Business-Perspektive."

Für die Datenanalyse gab es innerhalb der vier Prioritätenblöcke nur einen marginalen Bedeutungszuwachs. Dennoch beobachtet CompTIA auch in diesem Bereich Veränderungen, die eine veränderte Natur der benutzten Daten reflektieren. Die drei Dimensionen von Big Data spiegeln sich hier wider: 48 Prozent der Anwender möchten die bereits vorhandenen Daten im einem vollerem Umfang als bisher nutzen; 38 Prozent wollen neue Datenquellen anzapfen; 44 Prozent streben an, ihre Datenanalyse beschleunigen. Negativ machen sich hier nach Einschätzung von CompTIA die Real Time Processing-Schwächen von Hadoop bemerkbar; andere Tools wie Storm oder Spark seien für diese Aufgabe besser geeignet.

"Mitarbeiter brauchen ein zweiteiliges Arsenal an Fähigkeiten"

Innovation ist in den Augen CompTIAs "die Basis für die vertiefte IT/Business-Verbindung, die so viele Unternehmen haben wollen". Während für jeweils um die 60 Prozent der Unternehmen Kostensenkung und ein effizienterer Betrieb wichtige Ziele darstellen, stehen auch andere Dinge weit oben auf der Agenda. 44 Prozent wollen neue Kunden gewinnen, 38 Prozent ihre gefährdete Wettbewerbsposition behaupten, 23 Prozent auf ein neues Geschäftsmodell umsatteln. Um das zu schaffen, ist Innovation essenziell.

"Um diese Innovation zu erreichen und eine wirklich digitale Organisation zu werden, müssen Unternehmen die vorhandenen Skills bewerten und die nötigen Justierungen vornehmen", schreiben die Studienautoren. "So wie die Herangehensweise an Technologie mittlerweile sowohl auf dem Betrieb als auch auf der Strategie beruht, benötigen auch die Mitarbeiter ein zweiteiliges Arsenal an Fähigkeiten und Fertigkeiten."

Mix aus technologischen und geschäftlichen Skills gesucht

Sowohl technologische als auch geschäftliche Skills würden benötigt, um die Visionen des Unternehmens mit Hilfe von IT zu realisieren. Während große Unternehmen den gewünschten Mix durch gezielte Zusammenstellung von Projektteams finden können, benötigen kleine Firmen im Idealfall einzelne Mitarbeiter, die Skills beider Ebenen in sich vereinen.

Auch die Fachbereiche müssen sich laut Studie überlegen, welche Skills sie für ein effektives Technologie-Management benötigen. In diesem Zusammenhang empfehle es sich, mit der IT zusammenzuarbeiten. 70 Prozent der befragten Business-Entscheider meinen, dass die IT-Abteilung ihnen durch Schulungsangebote weiterhelfen könnte. 56 Prozent halten die Einbindung von IT-Mitarbeitern in Fachbereichen für sinnvoll, 31 Prozent setzen auf Beratung durch die IT-Abteilung in der Personalplanung.

Cloud und Mobility hätten die Art und Weise verändert, in der Enterprise-IT ausgewählt, aufgebaut und implementiert werden, schlussfolgern die Studienautoren. "Innerhalb dieses Wandels hat die IT eine enorme Chance, für sich selbst eine neue werthaltige Position zu erarbeiten, die den Unternehmen beim Weg in die neue Ära vorwärts hilft", so CompTIA. Das klingt abermals gut: Das Schreckgespenst IT mutiert zur Attraktion.

IT-Skills für die Digitalisierung
8 neue Mitarbeiter-Rollen
Laut Forrester brauchen IT-Abteilungen Beratungsfähigkeiten und übergreifende Zusammenarbeit. Das erfordert politisches Fingerspitzengefühl und Methodenkompetenz.
1. Beziehungsmanager
Die IT stellt Partnerschaft und Austausch zwischen Informationstechnologie und Business sicher. Sie übersetzt zwischen den beiden Seiten und bildet die Unternehmensziele technologisch ab. Im Zeitalter des Kunden bedeutet das vor allem mehr Beschäftigung mit Daten über die Verbraucher.
2. Architekt
In der Rolle des Architekten geht es konkret um das Entwickeln von Standards für Daten, Anwendungen und mobile Endgeräte. Das beinhaltet die Beobachtung der Konkurrenz und das Aufdecken neuer Kundengruppen.
3. Projekt- und Programm-Manager
Immer mehr Projekte starten von vornherein als abteilungsübergreifende Vorhaben. Hier ist nicht selten politisches Gespür gefragt.
6. Daten-Experte
Daten sind über das ganze Unternehmen verstreut. Der Daten-Experte wahrt dennoch die Kontrolle und erklärt jeder einzelnen Anwender-Gruppe, was sie mit welchen Daten tun darf und was nicht. Das beinhaltet Expertise in Daten-Tools, Methoden, dem Status jeder einzelnen Datenquelle und Einblick in die Geschäftsprozesse.
7. Geschäftsprozess-Designer
Unternehmen kaufen Anwendungen und setzen sie an allen Standorten ein. Geschäftsprozess-Designer sorgen für die Balance zwischen der Anpassung der Systeme und der Anpassung der Prozesse.
8. Sicherheitsexperte
Sicherheit ist nicht nur ein Thema von Regeln und Überwachung, sondern auch von Soft Skills. Security-Experten verdeutlichen der Belegschaft, warum sie nicht an der IT vorbeiarbeiten dürfen.
4. Vendor Manager
Der Vendor Manager entwickelt sich zunehmend zum Berater. Fachabteilungen interessieren sich üblicherweise nur für Funktionalitäten und kaum für Sicherheit. Der Vendor Manager schon.
5. Experte für Nutzer-Erfahrung
Die IT muss durch die Brille des Endverbrauchers beziehungsweise Unternehmenskunden sehen können. Das erfordert enge Zusammenarbeit mit den Kollegen im direkten Kundenkontakt.