Survace level diversity und deep level diversity

Diversity jenseits der Oberfläche

04.10.2023 von Tanja Hilpert  IDG ExpertenNetzwerk
Neben den klassischen Diversity-Dimensionen wie Geschlecht, Herkunft und Alter, gibt es eine Ebene, die oft übersehen wird, aber ebenso maßgeblich für den Unternehmenserfolg sein kann.
Charakter, Eigenschaften, Schwächen und Stärken sind nur einige Punkte, die sich hinter dem äußeren Erscheinungsbild einer Person verbergen. Beim Aufbau diverser Teams gilt es auch diese zu erkennen.
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Vielfältige Charaktere können Teams und Unternehmen voranbringen. Wobei eine Ebene existiert, die nicht sichtbar ist, sondern sich jenseits der Oberfläche abspielt.

Deep Level Diversity bezieht sich auf die Vielfalt der nicht sichtbaren Merkmale, die Individuen ausmachen, wie Persönlichkeit, Werte, Fähigkeiten und Erfahrungen. Diese Dimensionen beeinflussen, wie Menschen denken, kommunizieren und arbeiten.
Surface Level Diversity hingegen bezieht sich auf die offensichtlicheren Dimensionen wie Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit und Alter.

Die Gesamtheit all dieser Schichten der Vielfalt sollte Beachtung finden, denn sie alle sind entscheidend, um eine wirklich inklusive und produktive Arbeitsumgebung zu schaffen, in der unterschiedliche Perspektiven und Stärken geschätzt und genutzt werden.

Nicht nur äußere Merkmale zählen

Das kann für Unternehmen von entscheidender Bedeutung sein, um das volle Potenzial der Diversität bei der Einstellung geeigneter Mitarbeitenden oder der Zusammenstellung von Teams auszuschöpfen. Diversity sollte ganzheitlich betrachtet werden. Wer nicht erkennt, welches Potential unterschiedliche Charaktere in Teams haben, um eine durchdachte Zusammensetzung hinsichtlich der verschiedenen Rollen zu schaffen, wird auch nie die volle Leistungsfähigkeit erreichen. Es lohnt sich also, einen genauen Blick darauf zu werfen.

Als Beispiel lässt sich in vielen Fällen anhand von Namen, Körperbau oder Kleidung recht einfach definieren, ob Mann oder Frau. Welche Eigenschaften eine Person mitbringt, ist davon allerdings nicht unbedingt abhängig. Typisch männlich, typisch weiblich – gibt es das noch? Die Rollenverteilung hat sich in unserer Kultur in den letzten Jahren verändert. Erlerntes Verhalten, soziale Einflüsse, Interessenförderung und Zugang zu Bildung sind heute anders als vor 100 Jahren und sorgen dafür, dass die Eigenschaften von Männern und Frauen eben nicht mehr so typisch sind.

So kann es passieren, dass wir ein Team zusammenstellen, das sich zwar aus verschiedenen Geschlechtern zusammensetzt, schlussendlich jedoch ganz ähnliche Persönlichkeiten und Charaktere enthält. Eine scheinbar diverse Belegschaft, die sich doch nur in den äußeren Merkmalen unterscheidet.

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Weiterhin gilt: Die zentralen Dimensionen von Diversity auf dem Surface Level zu betrachten ist notwendig und wichtig. Unternehmen sollten zum Beispiel die Vielfalt von Kulturen und Geschlechtern fördern und im Arbeitsalltag leben, um Chancengleichheit insbesondere für unterrepräsentierte Gruppen bieten zu können.

Das Potenzial heterogener Teams nutzen

Gerade wenn ein Team sich komplexeren Aufgaben widmen muss, ist Vielfalt von Vorteil. Dabei gilt es zu beachten: Je verschiedener die Menschen, desto länger benötigen sie in der Regel, um sich aufeinander einzuspielen.

Ebenso kann ein höheres Risiko für Meinungsverschiedenheiten oder sogar Kompetenzfragen im Team entstehen. Gelingt es jedoch, die Teams so zu gestalten und zu koordinieren, dass die Mitglieder ihre Unterschiede akzeptieren und voneinander lernen möchten, dann profitiert das Team von seiner Diversität.

Konflikte zwischen Mitarbeitern moderieren
Konflikte zwischen Mitarbeitern moderieren
Wo Leute zusammenarbeiten, bleiben Konflikte nicht aus. Wie sich Führungskräfte dabei verhalten sollten, erfahren Sie hier:
1. Schritt: Das Ziel klären
Erklären Sie den Konfliktparteien, worum es bei der Konfliktmoderation geht: um ein Lösen des Konflikts. Jedoch nicht in der Form, dass wie in einer Therapie alle Emotionen und Erfahrungen in der Vergangenheit aufgearbeitet werden; auch nicht in der Form, dass wie in Betrieben oft üblich, der Konflikt ignoriert oder durch formale Regelungen zugedeckt wird. Nein, die Arbeitsbeziehung soll neu ausgehandelt und so geregelt werden, dass beide Mitarbeiter gut damit leben und ihren Job besser machen können. Dabei lautet die Maxime: Kein Beteiligter muss einer Lösung zustimmen, die ihn zum Verlierer macht.
2. Schritt: Regeln festlegen
Definieren Sie mit den Konfliktpartnern Regeln für die Moderation. Zum Beispiel:<br><br> - Beide stellen Forderungen an das Verhalten des jeweils anderen.<br> - Diese werden nach dem Prinzip "Geben und Nehmen" ausgehandelt.<br> - Die Absprachen werden schriftlich fixiert.<br><br>Vereinbaren Sie mit den Konfliktpartnern auch, worüber Vertraulichkeit gewahrt und worüber mit Dritten gesprochen werden darf. Klären Sie zudem Ihre Aufgaben als Moderator.
3. Schritt: Wünsche und die dahinterstehenden Bedürfnisse sammeln
Sind die Formalien geklärt, können Sie die Beteiligten zum Beispiel bitten, auf einem Formblatt folgende Fragen zu beantworten: <br><br> "Es würde mir helfen, effektiver zu arbeiten, wenn Sie folgendes häufiger/anders tun würden: .... weil…" <br> "Es würde mir helfen, effektiver zu arbeiten, wenn Sie folgendes seltener/nicht mehr tun würden: ....weil…" <br> "Behalten Sie folgende Aktivitäten bei, die mir helfen, effektiv zu arbeiten: ...."
4. Schritt: Verständnis klären
Die ausgefüllten Formblätter können Sie entweder kopieren oder so aufhängen, dass sie jeder lesen kann. Bitten Sie die Konfliktpartner, die Forderungen/Wünsche des jeweils anderen mit eigenen Worten laut zu formulieren. "Sie wollen, dass ich ..." Der andere soll die Aussage entweder bestätigen oder korrigieren. Bitten Sie als Moderator sofern nötig, um Beispiele für das gewünschte Verhalten, um das Verständnis sicherzustellen.
5. Schritt: gemeinsam Lösungen suchen
Hier ist das Brainstorming die Technik der Wahl, denn sie ermöglicht es allen Beteiligten, optimal zur Lösung beizutragen. Zudem sollte das Suchen und Sammeln der möglichen Elemente einer Lösung frei von (vorschnellen) Bewertungen erfolgen.
6. Lösungen bewerten und aushandeln
Nach dem Sammeln können beide Konfliktparteien anhand ihrer Forderungen die Lösungsvorschläge markieren, die ihnen am ehesten geeignet erscheinen. Bitten Sie die Konfliktparteien anschließend, sich wechselseitig Angebote zu machen.
7. Schritt: Absprachen treffen und Protokoll erstellen
Notieren Sie alle getroffenen Absprachen. Dass beim Aushandeln der künftigen Arbeitsbeziehung auch mal die Emotionen hochkochen und schmerzhafte Erlebnisse aus der Vergangenheit geschildert werden, ist denkbar. Das sollten Sie zulassen, damit der Druck aus dem Kessel weicht. Dabei müssen Sie aber Fingerspitzengefühl zeigen und darauf achten, dass sich kein Druck aufbaut.
8. Schritt: Abschließen und Folgetermin vereinbaren
Die bei Konfliktmoderationen getroffenen Vereinbarungen erscheinen Außenstehenden oft unbedeutend. Für die Beteiligten sind sie aber wichtig, weil Emotionen daran hängen. Folglich muss die Umsetzung der Abmachungen auch nachhaltig sichergestellt werden, damit alte Wunden nicht erneut aufgerissen werden. Vereinbart werden sollte auch, was geschieht, wenn Absprachen nicht eingehalten werden.

Teams sind dann besonders erfolgreich, da sie unterschiedliche Denkweisen und Lösungsansätze mitbringen. Durch den Austausch verschiedener Ideen und Meinungen gelingt es ihnen oft, bessere Entscheidungen zu treffen.

Es braucht extrovertierte Persönlichkeiten, die kontaktfreudig und selbstbewusst sind, genauso wie introvertierte Menschen, die eher ruhig und besonnen agieren. Exakt arbeitende Personen sind genauso wichtig wie kreativ denkende Mitarbeitende. Selbstverständlich sollten alle Mitarbeitenden auch die nötige Fachkompetenz mitbringen.

So baut eine Führungskraft erfolgreiche diverse Team auf

Eine zentrale Aufgabe von Führungskräften sollte es sein, für die angemessene Vielfalt an Charakteren zu sorgen, eventuelle Lücken zu erkennen und zu schließen. Außerdem sollten sie dafür Rechnung zu tragen, dass die Teammitglieder die zu ihnen passenden Aufgaben übernehmen.

Der Psychologe Meredith Belbin hat dafür ein viel zitiertes und häufig genutztes Konzept entwickelt, das neun Teamrollen in drei Kategorien vorsieht:

  1. Kommunikationsorientierte Rollen (Wegbereiter:in, Teamarbeiter:in, Koordinatoren:in)

  2. Wissensorientierte Rollen (Erfinder:in, Beobachter:in, Spezialist:in) und

  3. Handlungsorientierte Rollen (Umsetzer:in, Perfektionist:in, Macher:in).

Sie alle bringen unterschiedliche Persönlichkeitsmerkmale, Stärken und Schwächen mit. So könnenTeams, richtig kombiniert, möglichst leistungsfähig werden, da jede Person die Aufgabe erledigt, die er oder sie am besten kann. Zudem werden Stärken und Schwächen erkannt, das Feedback der Teammitglieder fördert die Motivation und Kommunikation fördert das Verständnis füreinander.

Führungskräfte, die ein möglichst diverses Team zusammenstellen wollen, sollten also die Stärken und Schwächen ihrer Mitarbeitenden kennen und koordinieren können. Ein regelmäßiger Blick auf bestehende Teams zeigt außerdem Lücken auf. Ist ein Team etwa nur mit handlungsorientierten Menschen besetzt, lohnt es sich bei der Neubesetzung einer Stelle darauf zu achten, eine Person einzustellen, die wissensorientiert arbeitet oder besonders kommunikationsstark ist.

Selbstreflektion verringert unbewusste Einstellungsentscheidungen

Generell sollten Führungskräfte sich selbst auch auf den Prüfstand stellen und hinterfragen, wie viel Diversity sie bei Einstellungen zulassen – findet die Vielfalt auch unter der sichtbaren Oberfläche statt?

Das ist gar nicht so einfach, denn "Gleich und Gleich gesellt sich gern" ist viel mehr als ein Sprichwort. Es ist durch und durch menschlich, dass wir gern mit uns ähnlichen Personen zusammen sind. Das gilt nicht nur für unseren Freundeskreis oder bei der Wahl unserer Partnerschaften. Im Arbeitsumfeld spricht man vom "Thomas-Kreislauf" – so benannte die Allbright-Stiftung bereits 2018 das Phänomen, dass es mehr männliche deutsche CEOs der börsennotierten Unternehmen mit Namen Thomas oder Michael gibt, als es insgesamt Frauen gibt.

Das liegt sicher nicht daran, dass Frauen schlechtere CEOs sind, und ist in der Regel gar nicht Thomas' oder Michaels Schuld, sondern liegt eben in der Natur des Menschen. Confirmation Bias, so heißt der Effekt in der Kognitionspsychologie. Wir wählen, was wir kennen und von dem wir gelernt haben, dass es funktioniert. Übrigens tun dies nicht nur Thomas, Michael und Christian sondern auch Sabine, Julia und Stefanie. Und was bedeutet das für die Arbeitswelt? Wir schaffen uns unabsichtlich homogene Führungsebenen und Teams.

Der Schlüssel zum Erfolg von Teams liegt aber eben oft in ihrer Heterogenität. Gerade in der Technologiebranche, einer besonders dynamischen und schnelllebigen Umgebung, hat das harmonische Zusammenspiel von Charakteren eine große Auswirkung auf Teamleistung, Innovationskraft und das Rüsten für die Herausforderungen der Zukunft.

Warum Tech-Unternehmen auf Charaktervielfalt setzen sollten

Die Kombination verschiedener Hintergründe und Erfahrungen ermöglicht es Tech-Unternehmen, neue Wege zu gehen und schneller technologischen Fortschritt zu erzielen. Heterogene Teams sind besser in der Lage, ganzheitliche Lösungen zu entwickeln.

Ein weiterer Aspekt: Die Nutzerinnen und Nutzer von Technologieprodukten und -dienstleistungen sind so vielfältig wie die Gesellschaft selbst. Daher verstehen auch diverse Arbeitsteams besser, wie verschiedene Bevölkerungsgruppen ihre Produkte nutzen und welche Bedürfnisse sie haben. Das führt zu Produkten und Dienstleistungen, die effektiver auf die Interessen der vielfältigen Kundschaft zugeschnitten sind.

Nicht zuletzt leidet auch die Tech-Branche unter dem aktuell herrschenden Fachkräftemangel. Historisch gesehen wurde sie von bestimmten Stereotypen geprägt, die zu einer begrenzten Vielfalt geführt haben. Ein Beispiel dafür: Klassische Rollenbilder, mangelnde weibliche Vorbilder und Erziehung beziehungsweise wenig spezifische Förderung von Mädchen in MINT-Fächern oder unflexible Arbeitszeiten werden als Faktoren gesehen, warum in Tech-Jobs mehr Männer als Frauen arbeiten.

Durch die Förderung von Diversität und der Schaffung von inklusiven Arbeitsumgebungen können solche Stereotypen durchbrochen werden. Das wiederum öffnet die Branche für eine breitere Palette von Talenten und führt zu einer inklusiven Arbeitsumgebung.

Das hilft bei der Talentförderung und -bindung. Unternehmen, die Diversität schätzen und fördern, ziehen generell ein breiteres Spektrum von Fachkräften an und halten sie länger im Unternehmen.

Die Tech-Branche hat einen stetig wachsenden Einfluss auf die Gesellschaft und kann daran mitwirken, dass diese gerechter und inklusiver wird. Insgesamt fördert Diversity so in der Tech-Branche nicht nur Innovation, Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum, sondern leistet auch einen Beitrag zu einer vielfältigeren, inklusiven und zukunftsorientierten Industrie. (bw)