Analysten-Kolumne

E-Mail-Management - Pflicht und Kür

13.02.2008 von Martin Böhn
Gesetzliche Vorschriften machen professionelle E-Mail-Archivierung notwendig. Systeme für E-Mail-Management bieten die Möglichkeit, effizient und gesetzeskonform mit E-Mails umzugehen. Die Verwaltung der elektronischen Post kann dadurch deutlich erleichtert werden.
Barc-Analyst Martin Böhn: "Die Archivierung von E-Mails ist notwendig, um Speicherproblemen zu entgehen."

Die tägliche Flut ein- und ausgehender E-Mails ist in vielen Unternehmen zu einem enormen Problem geworden und ein Rückgang des E-Mail-Volumens ist bisher nicht in Sicht. Aufgrund der Masse an E-Mails verlieren die Anwender die Übersicht über Informationen und Aufgaben, die Performance-Probleme der E-Mail-Server nehmen bedrohliche Ausmaße an. Gleichzeitig ist der intelligente Umgang mit den enthaltenen Inhalten ein wichtiger Wettbewerbsfaktor, da E-Mails als Kommunikationsmedium einerseits und als Transportmedium für angehängte Dateien andererseits einen immer höheren Stellenwert einnehmen.

Ferner existiert eine große Anzahl von rechtlichen Bestimmungen, welche den Umgang mit E-Mails immer stärker beeinflussen. Software für E-Mail-Management erleichtert die Verwaltung der elektronischen Post deutlich. Es lassen sich zwei Arten von E-Mail-Management-Systemen unterscheiden: E-Mail-Archivsysteme steuern die Aufbewahrung von Nachrichten inklusive Dateianhängen, und E-Mail-Response-Management-Systeme unterstützen den Anwender bei der Beantwortung von E-Mails.

Archivierung und Verwaltung

Die Archivierung von E-Mails ist notwendig, um Speicherproblemen zu entgehen. Posteingangsfächer der E-Mail-Server geraten relativ schnell an ihre Grenzen, vor allem, wenn den E-Mails Dateianhänge beigefügt werden. Durch den Einsatz von E-Mail-Management-Systemen werden die Informationen in Archive übertragen und stehen dort für Recherchen zur Verfügung. Hierbei kann definiert werden, ob die gesamte E-Mail oder Teilbereiche (Body, Attachements) abgelegt werden, welche Kopfdaten für eine Indexierung und spätere Suche zur Verfügung stehen, eventuell ergänzt um Volltextinformationen, und ob die Dateien im Originalformat oder - zusätzlich - als Rendition (zum Beispiel PDF oder TIFF) abgelegt werden.

E-Mail-Management-Systeme unterscheiden sich zudem von reinen Archivierungssystemen insofern, dass diese zusätzliche Funktionen wie eine Integration in Fremdsysteme, für Customer Relationship Management (CRM), Enterprise Ressource Planning (ERP) oder Workflow unterstützen und somit dem Anwender erweiterte Möglichkeiten einräumen, E-Mails in unternehmensweite Prozesse einzubinden.

In Bezug auf die Strategie der Archivierung sind zwei grundlegende Ansätze zu unterscheiden. Eine Variante ist die server-seitige Archivierung. Verfolgt man diesen Ansatz, werden im Allgemeinen alle E-Mails direkt nach ihrem Eingang auf dem E-Mail-Server in das Archivsystem übertragen. Damit wird sichergestellt, dass alle Nachrichten manipulationsfrei in das Archivsystem übertragen werden. Das Archivsystem selbst muss über Sicherheitseinrichtungen verfügen, um auch späteren Manipulationen entgegenzuwirken.

Üblicherweise werden bei der server-seitigen Archivierung die E-Mails aus dem produktiven E-Mail-System entfernt, und der Zugriff erfolgt über eine Referenz direkt auf das Archiv. Die Recherche wird ebenfalls direkt über das Archiv abgewickelt. Die zweite Variante ist die client-seitige Archivierung. Hier steuert der Anwender selbst, welche E-Mails archiviert werden und welche nicht. Dies geschieht meist entweder direkt über einen Speicherbefehl oder indirekt, indem der Nutzer sie zum Beispiel in bestimmte zur Archivierung vorgesehene Ordner verschiebt. Die client-seitige Archivierung bietet dem Anwender zwar ein hohes Maß an Flexibilität, jedoch ist die Gefahr gegeben, wichtige E-Mails versehentlich nicht zu archivieren. Für welche Archivierungsstrategie sich Unternehmen entscheiden, hängt von deren individuellen Präferenzen ab. Wird der Einhaltung von Compliance-Anforderungen und einer damit einhergehenden rechtssicheren Archivierung ein hoher Wert zugerechnet, dann ist die server-seitige Variante zu empfehlen.

Art der Nutzung bestimmt Rechtslage und Archivierung

Ein wichtiger Aspekt bei der server-seitigen E-Mail-Archivierung ist die Diskussion der geschäftlichen und privaten Nutzung von E-Mail-Accounts in Unternehmen. Wird eine server-seitige Archivierungsstrategie gewählt, entsteht ein Konflikt mit der Telekommunikations-Gesetzgebung. Gestattet ein Arbeitgeber keine private Nutzung von E-Mail und Internet, dann können die Datenschutzbestimmungen des Teledienstgesetzes nicht angewandt werden, und der Arbeitgeber ist befugt, sämtliche E-Mails vor der Zustellung an die Mitarbeiter zu archivieren.

Wird die private Nutzung von E-Mails im Unternehmen jedoch gestattet, verändert sich die Rechtslage grundlegend. Der Arbeitgeber ist laut Telekommunikations-Gesetzgebung Anbieter von Telekommunikationsdiensten, was dann zur Folge hat, dass die Überwachung des E-Mail-Verkehrs und dessen Inhalte nicht mehr zulässig ist. Aufgrund der schwierigen Sachlage ist eine generelle Handlungsempfehlung, was die Nutzung von E-Mail-Diensten im Unternehmen angeht, nicht pauschal möglich. Es erscheint jedoch sinnvoll, keine technische Trennung von privater und geschäftlicher Nutzung vorzunehmen, sondern durch die private Nutzung entstandene Daten in die dienstlichen Daten mit einzubeziehen. Darüber sind entsprechende Dienst- bzw. Betriebsvereinbarungen zu treffen, die den Anwender davon in Kenntnis setzen, dass die private Nutzung Kontrollmaßnahmen unterliegt.

Nachweis- und Formpflichten

Als rechtliche Vorschriften für den Umgang mit E-Mails sind in erster Linie das Handelsgesetzbuch und die Abgabenordnung zu nennen, welche die grundsätzlichen Aufbewahrungspflichten aus handels- und steuerrechtlicher Sicht regeln. Hinzu kommen Verordnungen, welche den Umgang mit digitalen Daten konkretisieren. Die Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU) sowie die Grundsätze ordnungsmäßiger datenverarbeitungsgestützter Buchführungssysteme (GoBS) regeln die wesentlichen Anforderungen an ein elektronisches Archiv.

Hinzu kommt, dass durch das Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) festgelegt wird, dass für E-Mails dieselben Pflichtangaben gelten wie für Geschäftsbriefe. Das stärkt die Bedeutung geschäftlicher E-Mails als Handelsbrief, so dass sie deren Archivierungsvorschriften unterliegen, was eine Aufbewahrungsdauer von mindestens sechs Jahren mit sich bringt. Eine lückenlose, unveränderbare elektronische Archivierung von E-Mails ist unter Berücksichtung rechtlicher Aspekte ein immer wichtigeres Thema für die IT-Verantwortlichen in Unternehmen.

E-Mail-Response-Management

Möglichkeiten der Informationsübernahme durch E-Mail-Management-Systeme.

Systeme für E-Mail-Response-Management sollen den Anwender bei der Beantwortung von E-Mails unterstützen und Hilfestellungen anbieten. Die Verarbeitung eingehender Nachrichten kann beschleunigt und deren Qualität erhöht werden. Die wesentlichen Anforderungen an ein E-Mail-Response-System sind die Auswertung der Nachrichten, das eigenschaftsbasierte Routing, aktive Unterstützung der Anwender im Bearbeitungsprozess und das Wissens-Management. Eingehende E-Mails werden durch E-Mail-Response-Management-Systeme inhaltsbezogen analysiert und ausgewertet. Dadurch können dem Anwender beim Öffnen einer E-Mail bereits Textbausteine vorgeschlagen werden, die lediglich noch übernommen werden müssen. Der Bearbeitungsprozess wird erheblich verkürzt, Antworten können auch vollständig automatisch erstellt und versendet werden. Viele Systeme bieten zusätzlich noch weitere Werkzeuge an, die den Prozess der E-Mail-Beantwortung unterstützen. Funktionen zur Wiedervorlage, Rückfrage an Experten, Rechtschreibprüfung und Eskalations-Präventionsmechanismen vereinfachen den Umgang mit den zahlreichen E-Mail-Anfragen erheblich.

E-Mail-Management-Systeme erfüllen viele Anforderungen

E-Mail-Management-Systeme sind in Unternehmen vielseitig einsetzbar. Ob sie zur Bearbeitungsunterstützung im Beantwortungsprozess oder als Archivablage eingesetzt werden, hängt immer von den jeweiligen Anforderungen ab. Für den Anwender ist es deshalb wichtig, sich vor der Entscheidung für ein E-Mail-Management-System über seine individuellen Anforderungen und Ziele klar zu werden.

Martin Böhn ist Senior Analyst des Business Application Research Center (BARC) in den Bereichen Enterprise Content Management (ECM), Dokumenten-, Prozess- und Wissensmanagement.