Legacy-Software, unsaubere Daten

ERP: 13 Stolperfallen und Auswege

24.04.2012 von Thomas Pelkmann
Bei ERP-Projekten geht viel schief: Der eine lässt sich vorschnell auf einen Anbieter ein, andere verstehen ihre Software nicht - diese Fehler sind vermeidbar.

Eine zunächst aufwändige, am Ende aber lohnende ERP-Installation hilft einem Unternehmen beim Optimieren von Workflows und damit beim Senken von Kosten. Wer bei der Implementierung aber nicht aufpasst, verkehrt diese Effekte schnell ins Gegenteil: Ist der Umstieg schlecht geplant und dazu auch noch nicht gut umgesetzt, geht das richtig ins Geld. Aber das muss nicht sein. Jennifer Lonoff Schiff von CIO.com hat IT-Verantwortliche, ERP-Anbieter und Systemspezialisten nach den größten Stolperfallen und den Auswegen aus diesen Fallen gefragt.

Fehler #1: Schlechte Planung

ERP-Projekte gehören zu dem Teuersten, das die Unternehmens-IT zu bieten hat. Entsprechend groß ist die Fallhöhe, wenn es nicht funktioniert. Unser Artikel macht Sie mit den 13 größten Fallen und besten Umwegen bekannt.
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"Planung ist absolut nötig, wenn man ein ERP-Projekt erfolgreich abschließen möchte", meint Erik Kaas, beim ERP-Anbieter Sage für mittelständische Unternehmen verantwortlich. So eine Implementierung könne man unmöglich aus dem Ärmel schütteln, so Kaas.

Sein Kollege Kevin Beasley vom ERP-Anbieter VAI stimmt zu: "Viele Unternehmen versäumen es, im Vorfeld der ERP-Evaluation ausreichend zu planen." Das führe oft zu Verwirrung, weil die Firmen zu diesem Zeitpunkt ihre Prozesse nur unzureichend kennten und es daher nur schlecht verstünden, diese Prozesse mit einem ERP-System abzubilden.

Um dieses Problem zu lösen, sollten Unternehmen vor der Evaluation möglicher ERP-Suiten ein internes Audit aller Prozesse und Policies durchführen. Für dieses Audit sei zudem ein Team ratsam, das sich aus Stakeholdern aller Abteilungen zusammensetzt. Nur so sei gewährleistet, dass alle wichtigen Prozesse auch tatsächlich Gegenstand der Analyse seien. Und wo es an Inhouse-Kapazitäten für solche Teams fehle, solle man dennoch nicht darauf verzichten, sondern sich unabhängiges Know-how von außen dazu holen, raten die Experten.

Fehler #2: Unzureichende Evaluation der ERP-Anbieter

"Viele meiner besten Kunden sind von den Marketing-Teams der Anbieter regelrecht ‚verkauft’ worden", kritisiert Shawn Casemore, Präsident bei Casemore & Co. Daher wunderten sich viele nach Abschluss der Implementierung "über die Beschränkungen des Systems, über Kapazitätslücken und über oft negative Auswirkungen auf Best Practices im Unternehmen".

Immer nach Referenzen fragen

Casemore rät daher, immer nach Referenzen zu fragen. "Fordern Sie mindestens drei Firmennamen aus Ihrer Branche und sprechen Sie diese Firmen auch an, um Features, Funktionen und Herausforderungen abzufragen." Und wenn der Anbieter solche Referenzen nicht beibringen kann oder will? "Dann gehen Sie einfach wieder", so der lapidare Rat des Experten, "sonst enden Sie als Versuchskaninchen".

Fehler #3: Nicht verstandene oder ungenutzte Schlüsselfunktionen

"In unser jährlichen ERP-Umfrage haben wir festgestellt, dass gerade einmal 46 Prozent der Befragten von sich meinen, die Funktionen ihrer ERP-Systems gut zu verstehen", sagt John Hoebler. "Tatsächlich finde ich das ein schockierendes Ergebnis", so der Chef von MorganFranklin, einer Beratungsfirma, "vor allem, wenn man bedenkt, wie viel Geld in diesen Anwendungen steckt."

Ohne das Wissen um den Funktionsumfang der Lösung aber verschenken die Firmen Potenzial zum Automatisieren ihrer Geschäftsprozesse und zum Erreichen ihrer Geschäftsziele. Zudem würden Upgrades, Verbesserungen und Wartungen teurer und wahrscheinlich weniger nützlich sein.

Um dieses Problem zu lösen, rät Hoebler dazu, eine Liste mit allen Funktionen zu erstellen und diese Liste regelmäßig zu überprüfen. Das Ziel müsse sein herauszufinden, welche Funktionen am häufigsten verwendet würden und welche dabei den meisten Erfolg brächten. Diese Wissensbasis könne dann für das Anlernen neuer Kollegen verwendet werden, um Anleitungen zu schreiben, oder für die Weiterentwicklung des ERP-Systems auf längere Sicht.

Fehler #4: Unterschätzter Aufwand an Zeit und Ressourcen

Den Aufwand für die Implementierung eines ERP-Systems unterschätzen alle Firmen, und das gleich grob, meint James Mallory, Marketingdirektor bei e2b teknologies. Aber wie berechnet man Zeit und Geld richtig? Mit einer einfachen Formel, so Mallory: "Teilen Sie die Kosten der Software durch 100." Der Aufwand für das Implementieren einer 20.000-Dollar-Lösung läge dann bei rund 200 Projekt-Stunden mit externer Unterstützung. "Planen Sie die Implementierung selber und ohne fremde Hilfe, verdoppeln Sie einfach diese Zahl."

Mitarbeiter aus dem späteren ERP-Betrieb einbinden

Fehler #5: Die falschen Leute im Team

"Oft versäumen es die Unternehmen, vom Start weg die richtigen Leute ins ERP-Team zu holen", kritisiert Kevin Beasley vom Anbieter VAI. Dabei sei die Einrichtung eines ERP-Systems eines der größten Projekte, die eine Unternehmens-IT überhaupt durchführen könne. Wenn die richtigen Stakeholder nicht von Anfang an ins Projekt eingebunden sind, könnten sich alle gut gemeinten Pläne schnell als obsolet erweisen. "Und dann wird es teuer".

Viele Unternehmen setzten eher darauf, von der Firmenleitung eine Art Absolution für das Projekt und seine Teilschritte zu erhalten, statt auf Rückmeldungen von den Fachbereichen für korrekt abgebildete Prozesse. Umgekehrt seien ERP-Projekte erfolgversprechender, wenn vom Start an die Mitarbeiter involviert sind, auf die es beim Betrieb der ERP-Lösung ankommt.

Fehler #6: Keine Prioritäten gesetzt

"Beim Implementieren eines ERP-Systems ist die mit Abstand wichtigste Maßnahme für das Vermeiden von Verzögerungen, das Multitasking zu reduzieren," so Yoav Ziv vom Projektmanagement-Experten Realization. "Leute arbeiten viel langsamer, wenn sie mit vielen Aufgaben rumjonglieren müssen", so Ziv. Um das zu vermeiden, sei der Aufbau eines Prioritätensystems für IT-Verantwortliche eine absolute Top-Priorität. Dabei sollte nicht nur festgelegt sein, wann welche Aufgabe zu erledigen sind, sondern auch die Maßnahmen, die zum Erreichen der Etappenziele nötig seien.

Fehler #7: Keine Investitionen in Trainingsmaßnahmen

"Das Fehlen angemessener Trainingsmaßnahmen ist einer der häufigsten Gründe für das Scheitern von ERP-Projekten", unkt Erik Kaas von Sage. Es könne zudem dazu führen, dass sich die Mitarbeiter über das neue System ärgern, weil sie es nicht verstehen.

"Geben Sie Ihren Mitarbeitern vor dem Start des Systems die Chance zu begreifen, wozu das neue ERP da ist und was es kann," rät Kaas daher. Das allein wirke oft schon Wunder. Und Kevin Herrig, Chef vom ERP-Anbieter GSO, ergänzt: "Wenn Sie die Schulung und die Kommunikation mit Ihren Mitarbeitern nicht zur Top-Priorität machen, werden diese die Ressourcen-Planung mit einer am Ende sehr teuer bezahlten Excel-Version erledigen."

Fehler #8: Die Bedeutung sauberer Daten unterschätzt

Ein ERP-System kann nur so gut sein wie die Daten, die es füttern. Wer eine ERP-Installation erfolgreich bewältigen will, muss daher für guten Code und passende Prozeduren sorgen. Das hilft Fehler zu vermeiden, argumentiert jedenfalls Martin Levesque vom Dokumentenmanagement-Spezialisten iDatix.

Auf Optimierung der Wertschöpfungskette konzentrieren

Fehler #9: ERP mit der Gießkanne

Egal, wie mächtig oder flexibel das ERP-System auch ist: Es wird niemals in der Lage sein, die gesamte Geschäftsprozesslogik abzubilden, erläutert der Software-Architekt Akan Iza von NetFoliage. Dennoch gehöre genau das zu den am häufigsten geäußerten Erwartungen. "Um diesen teuren Irrglauben zu vermeiden, sollten sich die Unternehmen auf das Implementieren von ERP für die Optimierung der Wertschöpfungskette und für das Nachvollziehen von Kosten konzentrieren", rät Iza: "Alles andere ist ein nachrangiges Ziel."

Fehler #10: Legacy-Anwendungen nicht in Rente geschickt

Wer nicht bei der Implementierung auch die Legacy-Systeme ablöst, wird am Ende ein ERP-System haben, bei dem die Legacy-Anwendungen noch immer den Takt angeben, meint der Accenture-Analyst John Picciotto. "Damit hat man am Ende aber nur noch ein Stück mehr Software, für das man Wartung und Support zahlen, Hardware und Upgrades bereitstellen und Interfaces zwischen Legacy und ERP pflegen muss", so Picciotto. Mit dem ursprünglichen Ziel, Arbeitsabläufe zu beschleunigen und Kosten zu senken, habe das dann nur noch wenig zu tun.

Fehler #11: Keine echte Testumgebung

"Sie werden bei Tests keine echten Ergebnisse erhalten, wenn Sie dafür nur ein paar Test-User einrichten", gibt Kevin Herrig vom ERP-Anbieter GSO zu bedenken. Stattdessen müsse man in der Lage sein, den Workload aller Benutzer zu simulieren, um die echten Auswirkungen auf die neue ERP-Landschaft testen zu können. "So vermeiden Sie unter anderem später Downtimes und die damit verbundenen Kosten", so Herrig.

Fehler #12: Support-Alternativen von Drittanbietern ignorieren

Viele Unternehmen bestehen auf einem Premium-Support durch den Hersteller und beachten dabei nicht, dass sich die Wartungskosten auf einem Allzeithoch bewegen. Dabei könnten sie dieselben Leistungen von Drittanbietern durchaus günstiger beziehen, schätzt Jon Winsett, CEO bei NPI, einer auf das Management von IT-Ausgaben spezialisierten Firma.

Sparpotenzial von 30 bis 50 Prozent im Support

"Unternehmen sollten sämtliche Support-Optionen prüfen", rät Winsett daher. "Ein Drittanbieter kann im besten Fall die Supportkosten zwischen 30 und 50 Prozent senken."

Fehler #13: Keine Wartungsstrategie

"Kunden ohne vorbeugende Wartungen werden von ihren ERP-Investitionen niemals voll profitieren können", behauptet Marco Valencia von SAP America. "Ohne die notwendigen Wartungszyklen werden die Systeme und die mit ihnen verbundenen Geschäftsprozesse schnell hinfällig - zumindest aus technischer Sicht". Noch wichtiger sei es, so Valencia, den Kern des Systems auf dem jeweils neuesten Stand zu halten, um potenziellen Problemen vorbeugen zu können. Zudem seien dann beim Aufspielen von Support-Packs nur minimale Unterbrechungen des Betriebs zu befürchten.