DIGITALE STEUERPRÜFUNG

Fiskus durchforstet EDV

05.11.2001
Ab Januar 2002 darf das Finanzamt bei der Außenprüfung direkt in der Unternehmens-EDV recherchieren. Viele technische und rechtliche Fragen sind allerdings noch ungeklärt.

EINES IST GEWISS: Ab Januar 2002 dürfen Finanzprüfer bei der steuerlichen Außenprüfung Einblick in die Datenverarbeitung der Unternehmen nehmen. Unklar ist dagegen, welche Daten für die Prüfer zugänglich sind und welche Investitionen auf die Unternehmen zukommen – wenn sie sich bis dahin überhaupt schon mit den neuen „Grundsätzen zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen“ (GDPdU) vertraut gemacht haben.

Alle steuerrelevanten Daten, die ab dem 1. Januar in der Datenverarbeitung (DV) eines Unternehmens elektronisch anfallen, müssen zehn Jahre lang maschinell auswertbar gespeichert werden; Gleiches gilt für originär in der DV erstellte Daten. „Auf Informationsveranstaltungen habe ich Reaktionen beobachet, die von starkem Interesse bis zu Bestürzung reichten“, berichtet Stefan Bernütz, Senior Manager beim Wirtschaftsprüfer Pricewaterhouse-Coopers. Ähnliche Erfahrungen macht der Leiter des „Competence Centers Business Knowledge“ der Beratungsfirma CSC Ploenzke, Ulf Freiberg: „Die Mehrzahl der Unternehmen weiß noch gar nicht Bescheid.“

Papierausdrucke reichen nicht mehr

Künftig müssen die Daten der Buchhaltung so abgelegt werden, dass sie sich später nicht mehr ändern lassen und die Prüfer darin recherchieren können. Die bisherige Speicherung auf Mikrofilm und die Vorlage von Ausdrucken aus der DV reichen dem Finanzamt nicht mehr. Allerdings gilt die Digitalisierungspflicht nicht für Papierdokumente; sie können auch weiterhin abgeheftet oder auf Mikrofilm festgehalten werden.

Am bisherigen Umfang der Steuerprüfung ändern die GDPdU nichts. So dürfen Prüfer nur die Daten der Finanz-, Anlagen- und Lohnbuchhaltung elektronisch einsehen – allerdings auch alle steuerrelevanten Daten aus anderen Firmenbereichen. Doch welche Daten anderer Abteilungen müssen nun archiviert werden? Was sind steuerrelevante Daten, welche davon unterliegen dem Datenschutz? Albert Kraus, Sprecher der „Deutschen SAP Anwendergruppe“ (DSAG), weist auf den Interpretationsspielraum hin: „Daten, die heute für das Finanzamt nicht von Interesse sind, können durch neue Vorgaben relevant werden.“ Um in dieser Frage Klarheit zu schaffen, hat die DSAG im September einen Arbeitskreis gegründet. Der will bis Ende des Jahres in Zusammenarbeit mit den Finanzbehörden und aus den Erfahrungswerten von Firmen Basisrichtlinien entwickeln.

Prüfer wollen Datenstrukturen sehen

Um eine Trennung der Daten zu gewährleisten, müssen alle Verknüpfungen sowie die Datenorganisation in der Firmen-DV überdacht und neu geregelt werden. Zudem reicht es künftig nicht mehr aus, nackte Datensätze zu präsentieren. „Die Prüfer möchten in die Daten und die Strukturen schauen, um die Zusammenhänge von Vorgängen zu überblicken“, sagt Lothar Leger vom Verband „Organisations- und Informationssysteme“ (VOI). Deshalb rät Freiberg von CSC Ploenzke: „Sauber zu planen ist entscheidend. Nur mit Software löst man das Problem nicht.“

Genauso wenig geht es natürlich ohne Änderungen an der Software: Das Buchhaltungsprogramm muss künftig in der Lage sein, die Trennung der Daten sicherzustellen und den Archivierungszeitraum von zehn Jahren zu gewährleisten. Die laufende Buchhaltung kann nicht alle Altdaten vorhalten, weil sonst die Performance des Systems eine zu große Belastung wäre.

Strittig hingegen ist, ob und welche Investitionen in neue Soft- und Hardware erforderlich sind. Anbieter von Archivierungs- und Dokumentations-Software erwecken in Pressemittelungen zum Teil den Eindruck, Unternehmen müssten kurzfristig Geld in unbekannter Höhe ausgeben. „Das ist die Verunsicherung einiger Archivanbieter“, sagt Peter Busch, Projektleiter GDPdU bei SAP. Neuanschaffungen seien in erster Linie abhängig von der jeweiligen Systemlandschaft. SAP etwa stelle seinen Kunden Tools bereit, so dass nicht in allen Fällen Mehrkosten entstünden.

Auch die technische Umsetzung muss sinnvoll geplant werden. Ein gesundes Misstrauen gegenüber schnellen Lösungen ist angebracht. „Es reicht nicht aus, irgendeine Billiglizenz zu kaufen“, sagt Freiberg. Aus technischer Sicht wird die Umsetzung aber zu bewältigen sein; daran zweifeln Insider nicht: „Wir hören von Software-Firmen, dass es keine großen Probleme gibt“, sagt Stefan Grosse, Sprecher des „Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und Neue Medien“ (Bitkom). Die vorschriftsmäßige digitale Archivierung aller relevanten Daten ab 1. Januar nächsten Jahres dagegen bereitet vielen Unternehmen – neben der neuen Datenorganisation – größere Sorgen. Da die erste Außensteuerprüfung jedoch frühestens Anfang 2003 stattfindet, verlängert sich die Umstellungsfrist praktisch um ein Jahr.

Auf die Unternehmen kommen also vielfältige, aber lösbare Aufgaben zu, die zum Teil mit viel Arbeit im Detail verbunden sind. „Ein Standard zur Lösung der Zugriffs- und Archivierungsrechte hat sich aber bislang noch nicht herausgebildet“, erklärt PWC-Berater Bernütz. Bitkom-Sprecher Grosse rät, mit Wirtschaftsprüfern und Systemanbietern in Kontakt zu treten. Kleine und mittelständische Unternehmen sollten sich mit ihrem Steuerberater und gegebenenfalls mit dem Steuerdienstleister Datev in Verbindung setzen, sagt Freiberg. Darüber hinaus bieten Verbände wie BDI oder IHK entsprechende Informationsveranstaltungen an.

Wichtig ist, die Vorgaben der GDPdU rechtzeitig in Konzepte und Pläne zu überführen. „Der Anstoß für die Umsetzung sollte von der Geschäftsleitung und der Steuerabteilung ausgehen, wobei die IT-Abteilung von Beginn an beteiligt werden muss“, rät Program Manager Petra Flessa vom Software-Hersteller Ixos. Eines steht für VOI-Mann Leger fest: „CIOs sollten nicht die Augen zu machen und hoffen: Da wird schon nichts passieren.“

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