Die Erfahrungen bei Lorenz Bahlsen Snack-World

Harte Zeiten beim Wechsel des Outsourcers

21.10.2008 von Thomas Pelkmann
Wenn Verträge mit externen Dienstleistern auslaufen, kann das für Unternehmen auch die Möglichkeit für einen Neuanfang bedeuten. Diese Chance nutzte die IT-Abteilung des Salzgebäckherstellers Lorenz Bahlsen Snack-World nach dem Ende der Zusammenarbeit mit T-Systems. Das bisherige Outsourcing wurde kritisch hinterfragt und die IT völlig neu aufgestellt.
Angela Weißenberger auf der CIO-Matinee zum Thema Outsourcing am 17. September in München.

Wenn Angela Weißenberger an das vergangene Weihnachtsfest zurückdenkt, fallen ihr nicht zuerst Tannenbaum und Geschenke ein. Als CIO beim Salzgebäckhersteller Lorenz Bahlsen Snack-World erinnert sie sich zuerst an viele, lange Arbeitstage in der Zentrale im hessischen Neu-Isenburg. Am 26. Dezember 2007 endete die Zusammenarbeit mit dem bisherigen Outsourcing-Partner und zugleich begann die Kooperation mit einem neuen Outsourcing-Partner. Zwei Jahre dauerten die Vertragsverhandlungen und die Vorbereitungen auf den Switch - nach den Worten Weißenbergers "eine wirklich harte Zeit".

Was Weißenberger durchlebt hat, kommt nach Meinung der Experten auf immer mehr CIOs zu: Die Zeiten der "Big Deals" laufen aus, sagt zum Beispiel Karsten Leclerque, Senior Consultant bei Pierre Audoin Consulting (PAC). Der Outsourcing-Kuchen wachse zwar nach wie vor, nur die Stücke würden kleiner. Die Ära der großen Verträge mit den zehn Jahren Laufzeit und mit weitreichenden Mitarbeiter-Übernahmen sind vorbei. Inzwischen dominieren Verträge mit kürzeren Laufzeiten und Leistungspaketen, die über Best-of-Breed-Ansätze und damit an mehrere Dienstleister vergeben werden. Zudem besinnen sich Unternehmen darauf, das eigene Know-how nicht komplett auszulagern, um die Dienstleister kompetent führen zu können.

Verträge von 1998

Provider-Wechsel: Rechtzeitig den Wandel einleiten.

Für Angela Weißenberger und Lorenz Snack-World endete Ende 2007 eine zehnjährige Zusammenarbeit mit dem bisherigen Dienstleister T-Systems. Das damals noch zum Lebensmittelkonzern Bahlsen gehörende Unternehmen hatte 1998 seine Informationstechnik in großem Stil an den externen Dienstleister ausgelagert. Einer der Gründe für die lange Laufzeit war, dass T-Systems damals den überwiegenden Teil der IT-Mitarbeiter übernahm. Unglücklich nur, dass sich schon ein Jahr nach Vertragsabschluss Bahlsen in drei Unternehmensteile aufspaltete, einer davon Lorenz Snack-World. Zwar erwog man damals in diesem Zusammenhang auch die Trennung des bestehenden IT-Systemverbunds,
verwarf das aber angesichts der sich abzeichnenden Kosten dieser Maßnahme. Dennoch: Angela Weißenberger war schon damals überzeugt, dass eine Trennung "im Prinzip sinnvoll" ist. Unterschiedliche
Entwicklungen und Schwerpunkte der Unternehmen machten sowohl das Miteinander als auch das Ringen
um notwendige Veränderungen kompliziert.

Und so war es nur eine Frage der Zeit, bis Lorenz Snack-World seine IT auf eigene Füße stellen würde: 2005 - zwei Jahre vor dem Auslaufen des Vertrags - machte sich die bei dem Salzgebäckhersteller verbliebene Rumpforganisation unter der Leitung ihres CIOs Weißenberger daran, eine neue Outsourcing-Vereinbarung aufzusetzen. Ziel der Neuausrichtung: Die operative IT sollte genauso stabil sein wie bisher, aber zugleich auch qualitativ besser und vor allem kostengünstiger werden.

100 Milliarden Dollar werden frei

Auslaufende Verträge aus der Outsourcing-1.0-Ära setzen in den kommenden zwei bis drei Jahren ein Vertragsvolumen von weltweit rund 100 Milliarden US-Dollar frei. Das klingt nach unbegrenzten Möglichkeiten, doch genau genommen bieten sich einem CIO nur drei Wege: Er kann die IT ins eigene Unternehmen zurückholen, er kann bestehende Verträge neu ausschreiben oder er entschließt sich für eine Multi-Sourcing-Strategie mit je nach Aufgabengebiet wechselnden Partnern.

Networking während der Outsourcing-Matinee in München, die in diesem Jahr zum sechsten Mal seit 2002 stattfand.
Foto: Joachim Wendler

Das Insourcing bisher ausgelagerter Unternehmensleistungen zählt zu den Optionen, die dem Management schwer zu vermitteln sind. Dennoch beginnt auch hier ein Umdenken: Auch wenn der Aufbau eigener Kapazitäten in der IT einerseits Geld kostet, droht andererseits der zunehmende Kompetenz- und Kontrollverlust. Und so wird - gleichgültig, für welchen Weg sich ein Unternehmen entscheidet - der Aufbau oder der Erhalt eigener Kompetenzen zur Schlüsselfrage möglicher Outsourcing-Strategien - verbunden mit durchweg kürzeren Vertragslaufzeiten: Statt wie bisher Kontrakte mit zehn und mehr Jahren Dauer geht der Trend eindeutig zu kürzeren Abschlüssen über einen Zeitraum von drei oder fünf Jahren.

Gut zwei Jahre vor dem Auslaufen des bisherigen Vertrages liefen bei Lorenz Snack-World die Vorbereitungen für die Neuausschreibung des Kontrakts an. "Dabei konnten wir glücklicherweise auf das vorhandene IT-Know-how unserer Retained Organisation aufbauen", resümiert Angela Weißenberger, die sich schon lange vor dem Auslaufen des Vertrages gezielt mit Beratern verstärkt hat. Die brachten das nötige Fachwissen etwa über unternehmenskritische Logistikprozesse mit, das sie zum Teil bei früheren Tätigkeiten für Bahlsen aufgebaut hatten. "Behalten Sie auf jeden Fall das IT-Know-how im eigenen Unternehmen", rät denn auch der Snack-CIO. Denn nur so könne man den komplizierten Wechsel auch kompetent begleiten.

Sieben Leistungspakete

Sich selber machte Weißenberger auf "möglichst vielen Veranstaltungen zum Thema Outsourcing" fit, die sie mitnehmen konnte, und sprach mit mindestens ebenso vielen Beratern über das ambitionierte Projekt, das schließlich noch in 2006 mit einem breit angelegten Request für Information (RFI) begann. Für die Ausschreibung definierte Lorenz Snack-World insgesamt sieben verschiedene Leistungspakete wie Rechenzentrumsbetrieb, Desktop- und Druck-Services, WAN und Lotus Notes, den User Helpdesk sowie die Application Maintenance.

Provider- und Anwendungswechsel

Die Anwendungswartung bereitete Weißenberger besondere Kopfschmerzen: "Dafür einen Partner zu finden und diesen fit zu machen, dass er sich in unserer Prozesswelt auskennt und die Betreuung der Applikationen übernehmen kann, war harte Arbeit." Einfaches SAP-Know-how reiche da nicht aus, so der CIO, weil individuelles Customizing aus einem Standardprodukt quasi eine Maßanfertigung mache. Zudem setzt Lorenz Snack-World beim unternehmenskritischen CRM nicht auf SAP, sondern arbeitet seit Langem mit der Anwendung CPWerx von CAS. Auch ging es im Anwendungsbereich nicht einfach nur darum, einen neuen Provider zu finden. Ziel der Umstellung waren zugleich ein Technologiewechsel von SAP ERP 4.6c auf ECC 6.0 und die Live-Schaltung einer eigenen Logistikabwicklung.

Neu bei der Matinee: Nach den Vorträgen im Plenum verteilen sich die Teilnehmer in Gruppen, um besser diskutieren zu können.

Das Stückeln einzelner Services liegt im Trend, meint Tobias Schmidt von Deloitte Consulting. Er rät allerdings dazu, die einzelnen Services in mehreren Ausschreibungen anzubieten und letztlich auch an verschiedene Anbieter zu vergeben. "Der Vorteil: Der Anwender kann die monopolistische Position eines Bewerbers zerschlagen und die Vertragspartner zu einem ständigen Wettbewerb zwingen." Zudem, so Schmidt weiter, könnten Unternehmen mit dieser Strategie auch Nischenanbieter oder regional aufgestellte Player engagieren. Und: "Die permanente Konkurrenz wirkt sich meist positiv auf den Preis sowie auf die Innovationskraft, Flexibilität und Qualität des Outsourcing-Projekts aus."

Dieser "Best-of-Breed"-Ansatz, anderswo auch Multi-Sourcing genannt, spielte in den Überlegungen bei Lorenz Snack-World ebenfalls eine wichtige Rolle: "Eigentlich hat mir dieser Ansatz mit am besten gefallen", erinnert sich Angela Weißenberger, "und tatsächlich haben wir diese Möglichkeiten bis zum Ende der Due Diligence ernsthaft erwogen."

Leistungspakete: Welche Aufgaben Lorenz vergeben hat.

Die Entscheidung fiel schließlich dennoch für den Single Vendor: "Wir brauchten einen Generalunternehmer, der die Verantwortung für das Gesamtpaket übernimmt", so die IT-Fachfrau, die sich SAP in dieser Rolle hätte vorstellen können. Aber der Software-Gigant habe abgelehnt, "und bei einem anderen Dienstleister hatten wir Zweifel, ob der Schwächere den Stärkeren würde steuern können." Zudem habe man Best-of-Breed schließlich auch aufgrund der Notwendigkeit der stichtagsbezogenen Gesamtumstellung verworfen, erklärt Weißenberger.

Nach dem vierstufigen Ausschreibungsverfahren - dem Markt-Screening und dem Request for Information(RFI) mit rund 30 Bewerbern folgten ein streng excelbasiertes Request for Proposals (RFP) sowie schließlich die Due Diligence mit nur noch zwei bis drei Interessenten - hat mit BASF IT Services laut Weißenberger "nicht unbedingt der in jedem Punkt kostengünstigste Anbieter gewonnen, sondern der mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis".

Abschluss nach zwei Jahren Suchzeit

Am 13. Dezember 2006 erfolgte in Ludwigshafen der Vertragsabschluss mit einer Laufzeit von drei Jahren und einem Volumen von mehreren Millionen Euro. "In unserer Branche ist insbesondere die Abbildung von
Logistikprozessen durch die eingesetzte Informationstechnologie von entscheidender Bedeutung“, kommentierte Angela Weißenberger damals den Abschluss: "BASF IT Services verfügt über langjährige Erfahrung auf diesem Gebiet und das damit verbundene Know-how im SAP-Umfeld. Das war für uns eines der ausschlaggebenden Kriterien."

Danach war ein Jahr Zeit, um die Herauslösung aus dem bisherigen Systemverbund, den Neuaufbau und
die Migration zum Stichtag 31.12.2007 - an diesem Tag endete auch offiziell der bisherige Vertrag mit T-Systems - zu vollziehen. Ein Jahr, das ausgefüllt war mit den Vorbereitungen: "Das Jahr 2007 war gekennzeichnet durch eine große Anspannung für die IT", resümiert Weißenberger. Schon im Februar, also gut zehn Monate vor dem Provider-Wechsel, gab es die erste Frozen Zone für das SAP-System, im Juni folgte das Einfrieren des Rests: "Das war nicht nur eine große Belastung für die IT, sondern für das ganze Unternehmen, weil es in dieser Zeit keine Veränderungen für das Business gegeben hat."

Verträge: Rechtliches Projekt-Management beim Outsourcing.

Nach verschiedenen Massentests mit Key Usern und dem Systemaufbau ging Ende Oktober das neue HR-System live - eine der wenigen Komponenten, die noch zur Laufzeit des alten Vertrages umgestellt werden konnten. Auch das war eine Situation, die das Nervenkostüm der Beteiligten arg strapaziert hat: "Wir haben zwar mit dem alten Provider noch bis zum Schluss gut zusammengearbeitet", erinnert sich der Snack-CIO. "Aber trotzdem: Allein aus menschlicher Sicht kann man nicht erwarten, dass die Mitarbeiter des bisherigen Partners mit vollem Einsatz bei der Sache sind. Das muss man einfach einkalkulieren", gibt die IT-Fachfrau ihren Kollegen zu bedenken, die vor einer ähnlichen Situation stehen.

Logistiksysteme live am 27.12.

Wichtig war zudem die Arbeit nach innen: Mitarbeiter, Management, Betriebsrat - "wir mussten auch nach innen kommunizieren, was der Umstieg bedeutet und wie er vonstatten geht". Bei der Umstellung standen schließlich auch Sonderschichten auf dem Programm, und die stille Zeit, die Weihnachten gemeinhin für die Mitarbeiter ist, war in 2007 mit dem ERP-Release-Wechsel auf ECC 6.0, dem Neuaufstellen der Logistik, der endgültigen Systemtrennung von den anderen Unternehmensteilen sowie dem Go live am 27.12. ausgefüllt. "Es ist toll, wenn man das erfolgreich durchgezogen hat, aber jedes Jahr brauche ich das nicht", zieht Angela Weißenberger die Bilanz der Aktion: "Wir sind erfolgreich mit den neuen Systemen und dem neuen Provider gestartet. Wir wollten eine eigene IT-Landschaft, wir wollten Einsparungen im operativen Betrieb erzielen, um diese anderweitig einsetzen zu können, und das haben wir mit dem Doppelwechsel erreicht."

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel

Unternehmensstrategie: Single Vendor am besten für Lorenz.

Streng genommen stehen für Angela Weißenberger und Lorenz Snack-World schon bald neue Verhandlungen an, schließlich endet der Dreijahresvertrag mit BASF ITServices Ende 2010 schon wieder. Aber da widerspricht Angela Weißenberger energisch: "Wir haben den Vertrag nicht abgeschlossen, um nach drei Jahren schon wieder zu wechseln. Das ist allenfalls eine Notfalloption für den Fall, dass es gar nicht läuft."

So bald wiederholen möchte Angela Weißenberger mit ihrem Team die Transition und den Provider-Wechsel nicht: "Es ist nicht zu unterschätzen, was dies bedeutet, wenn man nur noch eine Retained Organisation hat. Wenn man keine guten Gründe für einen Provider-Wechsel hat, sollte man sehr genau überlegen, ob man so etwas durchführen will und kann - oder ob es nicht besser ist zu verlängern."

Dieses Jahr, so bleibt Angela Weißenberger zu wünschen, gibt es zu Weihnachten einfach nur einen Tannenbaum, schöne Geschenke und ein paar Lebkuchenherzen dazu.