Social Software

IBM, Microsoft und Jive im Vergleich

21.12.2011 von Werner Kurzlechner
Eine Studie vergleicht die führenden Social-Software-Lösungen von IBM Connections, Jive Social Business Software und Microsoft SharePoint Server 2010. Erstes Ergebnis: Microsoft muss das Feld von hinten aufrollen.
Michael Kaiser, Studienautor bei Acando: "Beim IBM Social Business Toolkit lässt sich erahnen, wie Social Software in naher Zukunft den Arbeitsplatz der Benutzer revolutionieren kann."
Foto: Acando

Früher hatte Microsoft notorisch die Nase vorn, wenn es um Softwareinnovationen ging. Das ist im Zeitalter von Apple-Revolutionen und Social Media nicht mehr unbedingt der Fall. Auch nicht bei der sogenannten Social Software, die Funktionen aus dem Web 2.0 in die Mainstream-Plattformen der Anwender integriert. Die IT-Berater von Acando prüfen in einem Whitepaper die drei nach Einschätzung der Analysten von Gartner derzeit führenden Angebote in diesem Segment auf Herz und Nieren.

Der Gigant aus Redmond ist demnach lediglich Nachzügler - oder positiv formuliert: erster Verfolger des etwa gleichauf liegenden Führungsduos. "IBM und Jive führen mit Activity Streams und Social Analytics für User Generated Content einen technologischen Trend an, den Microsoft mit SharePoint 2010 bislang noch etwas verschlafen hat", fasst Studienautor Michael Kaiser seinen Befund zusammen.

Alles in allem habe Social Software ihre Pionierphase überwunden, so der Acando-Consultant weiter. Die Implementierung in Unternehmen verlaufe jedoch oft kritisch. "Gerade für kleine und mittelständische Firmen ist die Technologieentscheidung essenziell", berichtet Kaiser. "Die Lösung muss ohne viel Support aus der IT schnell einsetzbar sein und einen erkennbaren Mehrwert für die Mitarbeiter darstellen." Um Anwendern hier den Überblick zu erleichtern, hat der IT-Berater drei derzeit aktuelle Lösungen verglichen: IBM Connections 3.0.1, Jive Social Business Software 5.0 und Microsoft SharePoint Server 2010.

In den wesentlichen Basisfunktionen unterscheidet sich das Trio nur partiell. Aktualisierungen von Inhalten und Personen laufen bei SharePoint über Newsfeed, bei IBM Connections und Jive SBM via Activity Stream. E-Mail-Benachrichtigungen und die Bereitstellung von RSS Feeds sind Standard. Profile, Communities, Komponenten, Volltextsuche, gemerkte Inhalte und Tags sind in der Regel vorhanden und permanent verfügbar. Lediglich bei Microsoft ist dies teilweise von der Navigation abhängig oder eingeschränkt.

Aufbau und Teilen von Wissen in Blogs, Wikis, Lesezeichen und Dateien dürfen als ebenso selbstverständliche Kernkomponenten gelten wie das Diskutieren und Organisieren von Arbeitsabläufen. Mediengalerie, Microblog und Org-Chart bieten alle drei Lösungen als ergänzende Tools an. Bei der IBM-Software gibt es allerdings weder einen Gemeinschaftskalender noch Umfragen; bei der Anwendung von Microsoft fehlt ein Ideen-Management-Tool, bei Jive SBS gibt es das lediglich als Modul.

Zwei wichtige Unterschiede

"Auf den ersten Blick bieten die Hersteller verschiedener Lösungen jeweils ähnliche Funktionen an", heißt es zusammenfassend. Die entscheidenden Unterschiede liegen somit nicht in diesen Basisfunktionen, sondern anderswo. Autor Kaiser hebt hier vor allem Social Analytics und Activity Streams hervor. "Social Analytics werden benötigt, um der wachsenden Datenmenge Herr zu bleiben und Benutzer nicht mit für sie irrelevanten Informationen zu überfrachten", erläutert der Consultant. "Activity Streams schlagen die Brücke zwischen sozialer Zusammenarbeit und alltäglichen Arbeitsprozessen im Unternehmen."

In diesen beiden Bereichen schneidet Jive besonders gut ab. "Als Social Software sticht im direkten Vergleich Jive SBS hervor", heißt es. Mit "Jive What Matters" bei den Activity Streams und mit "Jive Genius" bei Social Analytics seien dem Anbieter besonders gute Umsetzungen von Social-Software-Funktionalitäten gelungen. Außerdem biete Jive das größte Set an integrierten Web-2.0-Komponenten. Aber bekanntlich kein Licht ohne Schatten: "Gleichwohl weist Jive eine Lücke im Umgang mit wiederkehrenden Prozessen und dynamisch zu organisierenden Aufgaben auf."

Für ein Enterprise-Umfeld hat deshalb am Ende doch IBM knapp die Nase vorn, weil Connections bessere Integrationsmöglichkeiten in bestehende Arbeitsab-läufe biete. Zudem erlaubten ausgeprägte Recherche-funktionen das schnelle Durchforsten wachsender Datenmengen ohne signifikante Einschränkungen der Produktivität. Attraktiv für Anwender ist Connections laut Acando auch wegen der Agenda, die IBM aufzeigt. Ein nächstes Release soll bald folgen, mit dem "Projekt Vulcan" ist die Vision eines Ausbaus der Analysefunktionen und einer Prozessintegration über verschiedene Systeme hinweg zudem formuliert.

Im Hinblick auf diese Perspektiven geraten Kaisers Formulierungen geradezu hymnisch. "Wirft man einen Blick auf die aktuellen Entwicklungen des IBM Social Business Toolkit, lässt sich erahnen, wie Social Software in naher Zukunft den Arbeitsplatz der Benutzer revolutionieren kann", schwärmt der Consultant. Passend zu den Meldungen lassen sich Gadgets an den Activity Stream übergeben. Plötzlich sei beispielsweise denkbar: Ein Vertriebsmitarbeiter erhalte in der Übersichtsseite seiner Social Software die Meldung, dass sein Kunde soeben im Online-Shop ein bestimmtes Produkt gekauft hat; der Mitarbeiter könne nun an Ort und Stelle einen CRM-Prozess oder einen Workflow anstoßen.

Vergleich I - Integration mit Build-in-Fähigkeiten oder Konnektoren

Arbeitsmittel

IBM

Jive

Microsoft SharePoint

E-Mail-Clients

  • IBM Lotus Notes

  • Microsoft Outlook

  • Microsoft Outlook

  • Microsoft Outlook

Office-Pakete

  • Microsoft Office

  • Microsoft Office

  • Microsoft Office

Windows Explorer

  • Microsoft Windows XP SP3 (32-bit)

  • Windows Vista (32-bit)

  • Windows 7 SP1
    (32-bit, 64-bit toleration)

  • nein

  • Windows XP

Instant Messenger

  • IBM Sametime

  • IBM Sametime

  • Microsoft Office Commu-
    nication Server 2007

  • Openfire

  • Microsoft Lync 2010

  • Microsoft Office Commu-
    nication Server 2007

  • Microsoft Windows Messenger

  • MSN Messenger

  • Windows Live Messenger

Content-Management -Systeme

  • IBM FileNet P8

  • IBM Content Manager

  • nein

  • Microsoft SharePoint

Enterprise-Portale

  • Microsoft SharePoint

  • IBM WebSphere Portal

  • Microsoft SharePoint

  • Microsoft SharePoint

Bei SharePoint fehlt noch einiges

Derart als Taktgeber kann Microsoft zurzeit nicht auftreten. Fairerweise muss man daran erinnern, dass SharePoint seit Jahren seine Kernfunktionen erfüllt und nur schrittweise mit Web-2.0-Funktionen angereichert wird. "Mit Version 2010 hat Microsoft SharePoint in die Liga der Social-Software-Plattformen gehoben", sagt Kaiser. SharePoint sei allerdings weiterhin in erster Linie ein horizontales Portal mit integriertem Content- und Dokumenten-Management, in dem soziale Funktionen noch eine untergeordnete Rolle spielen. So finde sich keine vergleichbare Implementierung eines Activity Streams im Produkt wieder. Auch die Social-Analytics-Funktionen seien nur schwach umgesetzt.

Hier stellt sich indes die Frage, ob jeder Anwender unbedingt die Avantgarde-Lösung braucht. Technisch haben nach Einschätzung Acandos vor allem IBM, aber in Teilen auch Jive die Nase vorn. In der Praxis sind die Infrastruktur, Back-End-Systeme und die Mobile-Strategie eines Unternehmens ebenso gewichtige Faktoren. Wer traditionell stark auf Microsoft-Lösungen setzt, fährt möglicherweise mit SharePoint am besten. "Wem SharePoint als Social Software nicht ausreicht, der kann seine bestehende Plattform mit Jive SBS oder IBM Connections aufwerten und so die Stärken von SharePoint mit denen einer ausgewachsenen Software koppeln", beruhigt hierzu Studienautor Kaiser. Für Java-Anwender bieten sich laut Acando indes IBM und Jive an. Auch die Unternehmensgröße und damit die zu verarbeitende Datenmenge spielten eine Rolle.

Zusammenfassend bewertet Acando die Lösungen hinsichtlich der Implementierung mit Schulnoten. Bei Benutzerfreundlichkeit erhalten IBM und Jive die Zensur "gut", Microsoft "befriedigend". Der Schulungsaufwand für Anwender sei bei IBM "sehr gering", bei Jive "gering" und bei Microsoft "mittel". Als Social Software betrachtet, bekommt Jive eine Eins, IBM eine Zwei und Microsoft nur eine Vier. Als Enterprise-Social-Software ist IBM hingegen der Primus mit der Note "sehr gut", Jive folgt mit "gut", und Microsoft kommt mit einer mittelmäßigen Drei daher.

"Neben organisatorischen Voraussetzungen und einer offenen Unternehmenskultur ist letztlich die Akzeptanz durch die Benutzer ausschlaggebend für den Erfolg einer Social-Software-Initiative", schreibt Acando. "Eine einfach verständliche Software und handliche Werkzeuge sollen ein angenehmes Nutzungserlebnis ermöglichen."

Vergleich II - Strukturen und Ausstattung

Arbeitsmittel

IBM

Jive

Microsoft SharePoint


Aktualisierungen von Inhalten und Personen

Übersichtsseite / Nachrichtenkanal

Activity Stream

Activity Stream

Activity Stream Newsfeed

E-Mail-Benachrichtigungen

ja

ja

ja

RSS Feeds bereitstellen

ja

ja

ja

Organisation und Zugriffe

Profile

permanent verfügbar auf alle Kernkomponenten

permanent verfügbar auf alle Kernkomponenten

permanent verfügbar eingeschränkter Zugriff auf
Kernkomponenten

Communities / Subcommunities

permanent verfügbar

permanent verfügbar

von Navigation abhängig

Komponenten

permanent verfügbar

permanent verfügbar

von Navigation abhängig

Volltextsuche

ja

ja

ja

Gemerkte Inhalte

ja

ja

Workaround über private Tags

Tags

ja

ja, + Gruppierungen

ja

Kernkomponenten

Wissen aufbauen und teilen, Wikis, Lesezeichen, Dateien

ja

ja

ja

Diskussionen führen

ja

ja

ja

Arbeitsabläufe organisieren

ja

Aufgaben/To-Dos

Aufgaben/To-Dos

Ergänzende Tools

Gemeinschaftskalender

nein

ja

ja

Ideen-Management

ja

als Modul

nein

Mediengalerie

ja

ja

ja

Microblog

ja

ja

ja

Org-Chart

ja

ja

ja

Umfragen

nein

ja

ja

Social Features

Social Tagging

ja, + Profile von Kollegen

ja

ja

Änderungen/Neuigkeiten verfolgen

Inhalte, Personen

Inhalte, Personen

Inhalte, Personen

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(Tag: "I like it")

Social Analytics

ja

ja

rudimentär vorhanden

Gesamtbewertung der Social-Software-Lösungen

Vergleich III

Kategorie

IBM

Jive

Microsoft SharePoint

Benutzerfreundlichkeit

gut

gut

befriedigend

Schulungsaufwand für Endanwender

sehr gering

gering

mittel

Umsetzung als Social Software

gut

sehr gut

ausreichend

Umsetzung als Enterprise Social Software

sehr gut

gut

befriedigend