Analysten-Kolumne

Infrastrukturnahe Dienstleistungen auf dem deutschen IT-Markt - raus aus dem Dornröschenschlaf

02.04.2008 von Stephan Kaiser
Infrastrukturbezogene IT-Dienstleistungen werden oftmals als verstaubt und für den Wertbeitrag zum Unternehmenserfolg als wenig kritisch eingestuft. Mit Schlagworten à la "IT doesn’t matter" oder "Commodities" werden Leistungen rund um Server, Netzwerke und Desktops als wenig strategisch gesehen.
PAC-Analyst Stephan Kaiser: "Vielfältige Kombinationen aus physischer und virtueller Infrastruktur erhöhen die Beratungsintensität und die Nachfrage nach hochqualifizierten Fachkräften."
Foto: PAC

Auch wenn kein Hehl daraus zu machen ist, dass der Preisverfall gerade im Low Value-Bereich wie den klassischen Support-/Break/Fix-Dienstleistungen immer stärker wird und seit Jahren für schrumpfende Märkte sorgt, so gibt es doch eine Reihe an Veränderungen, die den Markt für IT-Infrastruktur-Dienstleistungen mit neuem Leben füllen.

Der über Jahre angesammelte Wildwuchs an Servern, Speichersystemen, Datenbanken und PCs hat in vielen deutschen Rechenzentren eine nicht mehr steuerbare Größe erreicht. Dadurch werden heutzutage neue Ansätze und Technologien zur Vereinfachung und Standardisierung dieser komplexen Systeme unabdingbar, um die Kosten für den laufenden IT-Betrieb so gering wie möglich zu halten. Denn erst dann entstehen wieder neue Investitionspotenziale für innovative IT-Lösungen.

Virtualisierung physischer IT-Infrastruktur

Die zunehmende Verbreitung von Lösungen zur optimierten Lastverteilung bei Server-Landschaften hält unaufhörlich Einzug in deutsche Rechenzentren. Durch Anbieter von professionellen Software-Tools, wie den Marktführer VMware oder den auf Open Source basierten Anbieter XEN Source, nimmt das Spektrum an hochwertigen Dienstleistungen rund um diese Produkte entlang der Service Value Chain weiter zu. Die Anforderungen an die Dienstleister sind dabei hoch. Denn vielfältige Kombinationsmöglichkeiten aus physischer und virtueller Infrastruktur - sozusagen der ideale Infrastruktur-Mix - erhöhen die Beratungsintensität und die Nachfrage nach hochqualifizierten Fachkräften, die relevante Zertifizierungen vorweisen können.

Der Einsatz von Virtualisierungstechnologien wird vor allem durch die Einführung neuer Hardware angetrieben werden. Die neuen Prozessorgenerationen von Intel und AMD mit 4 Prozessor-Kernen werden dabei eine neue Leistungsdimension erreichen. Damit wird es dann noch einfacher, auf einem einzelnen Server verschiedene virtuelle Anwendungen auszuführen und den Lastenausgleich zu optimieren.

Die Entwicklungen im Bereich Virtualisierung wirken sich zudem auch immer mehr in Richtung Workplace-Umgebungen bzw. Client-Systeme aus. An einigen Stellen erkennt die Nachfrage den Nutzen der zentralen (also im Rechenzentrum aufgehängten) Client-Verwaltung. In diesem Zusammenhang kann quasi von einer "Renaissance der Thin Clients" gesprochen werden. Und nicht nur Unternehmen wie Citrix im Terminal-Server-Umfeld, sondern auch klassische Software-Anbieter wie Microsoft drängen zunehmend mit eigenen Lösungsbausteinen auf diesen Markt.

Green IT

Für IT-Dienstleister sind auch "grüne Themen" in hohem Maße beratungsrelevant.

Das Schlagwort schlechthin in den gegenwärtigen Diskussionen lautet "Green IT". Jeder Anbieter positioniert sich über eine eigene "grüne" Strategie. Und das ist auch gut so. Denn genau diese "grünen" Themen innerhalb der IT-Infrastruktur verhelfen einer ganzen Branche zu neuen Ansätzen für erfolgreiche und hochwertige Dienstleistungen bei den Kunden. Denkt man beispielsweise über eine ganzheitliche "grüne IT" nach, so ist neben energieeffizienterer Hardware auch im Dienstleistungsbereich ein neues Feld bestellt, das nach vielfältigen Beratungs- und nachgelagerten Implementierungsansätzen ruft.

Das Idealszenario aus Sicht eines IT-Dienstleisters könnte dabei wie folgt aussehen: Der Kunde erhält eine umfangreiche Analyse seiner "grünen" Potenziale, die dann nach und nach über die Umsetzung der definierten Maßnahmen implementiert werden. Stellt sich dann sogar heraus, dass z. B. der eigene Betrieb des Rechenzentrums zu teuer erscheint, kommt dann noch die Outsourcing-Story mit ins Spiel - denn man muss ja auch nicht immer alles selbst machen!

Über den Ansatz von Green IT, der auch durch die gesellschaftspolitische Diskussion verschwenderisch hingenommener CO2-Emissionen weiteren Nährboden erhält, lässt sich in den kommenden Jahren gutes Geld verdienen. Preisdruck wird hier aus unserer Sicht erst einmal keine übergeordnete Rolle spielen.

Flexible Preismodelle und Packaged Services

Ein weiteres Top-Thema bei unseren Diskussionen innerhalb der IT-Community ist die Variabilisierung der oftmals starren Leistungs- und Bezugsgrößen von IT-Services. Die Anbieter von IT-Infrastruktur-Dienstleistungen machen jetzt endlich das wahr, wovon schon seit Jahren gesprochen wird. Hinter Konzepten wie "Dynamic Services" von T-Systems, "Adaptive Enterprise" von HP oder "On-Demand" von IBM werden zunehmend langfristige Service-Verträge geschlossen, die es dem Kunden erlauben, nur für das zu bezahlen, was an Ressourcen auch wirklich verbraucht wird. Das ist wahrlich Service Management par excellence mit hohem Nutzwert für die Kunden.

Eine weitere Entwicklung, die PAC bei den Angeboten der IT-Anbieter entdeckt hat, ist im Zusammenhang mit flexiblen Preismodellen auch die zunehmende Produktisierung der IT-Dienstleistung. In der Vergangenheit war es oftmals schwer, die Service-Kataloge der Anbieter transparent und verständlich darzustellen. Dies ändert sich momentan stark durch die zunehmende Industrialisierung und Standardisierung der Service-Angebote der verschiedenen Anbieter am Markt.

T-Systems führt Markt an

Innerhalb der Anbieterlandschaft für infrastrukturnahe IT-Dienstleistungen führt T-Systems das Feld vor IBM an. Die IT-Sparte der Deutschen Telekom verfügt über ein umfangreiches Angebot und erhofft sich vor allem durch das weitere Zusammenwachsen von IT und Telekommunikation insbesondere im Bereich der Netze einen nachhaltigen Wettbewerbsvorsprung.

IBM ist ebenfalls breit aufgestellt und verfügt durch die Schaffung von zehn so genannten "Services Product Lines (SPL)" über dedizierte und paketierte Service-Offerings in den Bereichen Server, Netze, Workplace-Umgebungen und infrastrukturübergreifende Disziplinen wie Business Continuity, Security & Privacy bis hin zu Service-orientierten Architekturen (SOA), die ebenfalls signifikanten Einfluss auf die IT-Infrastrukturen der Zukunft haben werden. Grundsätzlich ist die Anbieterlandschaft zum einen ein bunter Mix aus IT-Herstellern wie IBM, HP und Fujitsu Siemens Computers mit starken Dienstleistungseinheiten, zum anderen dominieren die klassischen Systemintegratoren und Outsourcing-Dienstleister wie beispielsweise EDS, Computacenter oder Atos Origin das Feld.

Alles in allem rechnet PAC mit einem durchschnittlichen Marktwachstum für infrastrukturnahe Dienstleistungen zwischen 2007 und 2011 von 4,4 Prozent. Dabei wird vor allem das Projektgeschäft mit 6,3 Prozent um einiges zulegen. Im Outsourcing rechnen wir mit etwas verlangsamtem aber dennoch gutem Wachstum von über fünf Prozent. Einzig und allein der Support- und Wartungsbereich wird in den nächsten Jahren um weitere 2,2 Prozent schrumpfen.

Stephan Kaiser ist Berater und Analyst bei Pierre Audoin Consultants (PAC).