Apple, Google, BMW & Co.

Innovationen brauchen vor allem Prozesse

06.11.2013 von Christoph Lixenfeld
BCG hat untersucht, welche Unternehmen besonders innovativ sind und warum. Die Ergebnisse werfen auch Fragen auf, vor allem beim Vergleich mit einer anderen Liste.
Apple belegt auf BCGs Liste der Innovations-Champions noch immer Platz eins, obwohl das Unternehmen seit dem Tod von Steve Jobs nach Ansicht vieler Beobachter stark nachgelassen hat.

"Sei innovativ oder stirb", dieser Evergreen-Satz der Management-Literatur, hat nichts von seiner Gültigkeit eingebüßt. Das ist das Ergebnis der breit angelegten Studie "Die Innovativsten Unternehmen 2013" der Boston Consulting Group (BCG). Das Beratungsunternehmen hatte 1.503 Top-Führungskräfte aus ebenso vielen Unternehemen unterschiedlicher Branchen zu ihrer detaillierten Einschätzung erstens der eigenen Innovationskraft und zweitens zur Innovationskraft anderer Unternehmen befragt. Bei den diesbezüglich am besten platzierten 50 Firmen untersuchten die Autoren der Studie anschließend, wie sich in den zurückliegenden drei Jahren Aktienkurs, Umsatz und Gewinn entwickelt hatten.

Ziel war es erstens, zu ermitteln, welchen Einfluss die Innovationsfähigkeit auf den Unternehmenserfolg hat und zweitens, durch welche Eigenschaften sich innovative Firmen auszeichnen. Weil die Boston Consulting Group diese Studie seit 2005 bereits zum achten Mal durchführte, ermöglichen die aktuellen Ergebnisse neben einem Branchen- auch einen zeitlichen Vergleich. An der Spitze des Rankings liegen erstens Unternehmen mit hohem Bekanntheitsgrad und extrem populären Produkten, Apple zum Beispiel oder Google. Weit vorne landen aber auch Autokonzerne, ein Trend, der sich laut BCG bereits im vergangenen Jahr abgezeichnet und in diesem Jahr fortgesetzt hat. Die top Ten des Rankings sind (in dieser Reihenfolge):

Insgesamt hat Innovation für fast alle befragten Unternehmen eine hohe strategische Priorität. Mehr als drei Viertel der Antwortenden bezeichneten Innovation als eines ihrer Top 3-Themen. Das war in den zurückliegenden Jahren nicht anders, selbst in Zeiten der Rezession hatte die Innvationsfähigkeit bei zwei Drittel der Unternehmen eine sehr hohe Priorität. Diese Einschätzung spiegelt sich auch bei Investments in neue Produkte und Verfahren wider, wobei es hier zwischen den innovativen und weniger innovativen Unternehmen deutliche Unterschiede gibt: 85 Prozent jener Firmen, die im Ranking vordere Plätze einnehmen, haben angegeben, dass sie im laufenden Jahr mehr für Innovationen ausgeben wollen als im zurückliegenden. Von denjenigen, die in der Liste hinten landen, gaben dies dagegen nur 39 Prozent an.

Immer mehr Autobauer auf der Liste

Wenig verändert hat sich das Ranking an der Spitze: Apple ist seit Beginn der Untersuchung im Jahre 2005 die Nummer eins, das 2013 drittplatzierte Google war jahrelang die Nummer zwei, wurde allerdings in diesem Jahr von Samsung auf den dritten Platz verdrängt. Ebenfalls sehr stabil in der Platzierung ist der Vierte Microsoft, das US-Unternehmen rangierte seit 2005 nie tiefer als Platz fünf. Samsung dagegen war nicht immer weit oben, der steile Aufstieg bis auf Platz zwei begann 2008.

Samsung belegt nach steilem Aufstieg Platz zwei, auf der Forbes-Liste kommen die Südkoreaner gar nicht vor.
Foto:

Was die Branchenverteilung angeht, hatte sich bei der letztjährigen Untersuchung ein neuer Trend abgezeichnet, die sich deutlich fortsetzt: Unter den Top 20 finden sich aktuell neun Autohersteller, vier mehr als im vergangenen Jahr. Volkswagen und General Motors sind die großen Gewinner des Rankings, sie verbesserten sich um 31 beziehungsweise 16 Plätze. Zum ersten Mal in den acht Jahren, seit die Boston Consulting Group diese Studie durchführt, finden sich mehr Auto- als Konsumgüterhersteller unter den Top 50 und mehr Auto- als High-Tech-Firmen unter den ersten 20. Für die Dominanz der Branchen High-Tech- und Auto liefert die Untersuchung gute Gründe: Erstens bestrachten Führungskräfte dieser Branchen das Thema Innovation als besonders wichtig, zweitens halten sie die eigenen Firmen für besonders innovativ und drittens äußern sie besonders häufig die Absicht, in Zukunft mehr für Neues auszugeben als bisher.

Ohne Unterstützung der Chefs geht nichts

Intensiv haben sich die Autoren mit der Frage beschäftigt, was besonders innovative Unternehmen von anderen unterscheidet. Sie ermittelten fünf Faktoren: Die Unterstützung von Neuerungen durch die Führungsebene, die Fähigkeit, sich geistiges Eigentum wie zum Beispiel Patente zunutze zu machen, das konsequente Managen von Innovationsprojekten, die Fokussierung auf den Kunden und fünftens die klare Definition von Regeln für den Ablauf dieser Prozesse. Diese fünf Faktoren, so BCG, sind oft eng miteinander verbunden, und echte Leader-Companys besitzen häufig alle fünf Qualitäten.

Unterstützung durch die Führungsebene: 90 Prozent jener Antwortenden, die das eigene Unternehmen als starken Innovator betrachten, sagen, dass die Führungsebene diese Prozesse nachhaltig unterstützt. Bei jenen, die die eigene Innovationskraft als eher schwach bewerten, sind dagegen nur halb so viele mit der Unterstützung durch das Top-Management zufrieden. Als Beispiel für ein schon geradezu legendäres Bekenntnis zur Innovation nennen die Autoren das südkoreanische Unternehmen Samsung und seinen Boss Khun-Hee Lee.

Nutzung von Patenten: Aktuelle gerichtlichen Auseinandersetzungen um Markenrechte und Designklau haben deutlich gemacht, wie wichtig der Besitz von geistigem Eigentum für die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens und für seine Zukunft ist. Viele Unternehmen verdienen seit Jahren viel Geld damit, dass sie anderen Lizenzen für die Nutzung des eigegenen geistigen Eigentums verkaufen. Als Beispiel dient hier IBM, das seit der ersten BCG-Innovationsstudie 2005 immer unter den Top 10 zu finden war. Das Unternehmen hat in den zurückliegenden zehn Jahren etwa 67.000 (!) Patente angemeldet. Neben der eigenen Verwertung nutzte IBM diesen Schatz auch, um regelmäßige, hohe Lizenzeinnahmen zu erzielen.

20.000 Studien mit fünf Millionen Menschen

Autohersteller wie BMW haben im BCG-Ranking zuletzt deutlich zugelegt.
Foto: BMW Group

Managen von Innovationsprojekten: Diejenigen, die in der BCG-Liste oben stehen, sind an diesem Punkt klar besser als andere. Sie definieren Prioritäten, und sie sind bereit, Projekte schnell zu stoppen, wenn sich abzeichnet, dass die damit verbunden Ziele nicht zu erreichen sind. Ein Vorzeigeunternehmen ist aus Sicht der Studienautoren BMW, das mit einem speziellen Team in München Innovationen systematisch managed und überwacht - von der Ideenfindung über die Umsetzung bis zum Monitoren der Ergebnisse.

Fokussierung auf den Kunden: Procter & Gamble, nach Nestlé weltweit größter Konsumgüterhersteller, stieg im aktuellen BCG-Ranking um 26 Plätze auf Rang 23. Einen Grund dafür sieht die Studie darin, dass das Unternehmen in etwa 20.000 Marktstudien das Kaufverhalten von mehr als fünf Millionen Menschen in fast 100 Ländern erforscht hat. Procter & Gamble nutzt das Feedback der Kunden konsequent für seine Produktentwicklung, und diese Eigenschaft zeichnet auch andere Innovation-Leader aus.

Klar definierte Prozesse: Erfolgreiche Unternehmen haben exakt festgelegte Policys, wenn es darum geht, Innovationsentscheidungen zu treffen und umzusetzen. Sie folgen viel häufiger als andere standardisierten Prozessen, arbeiten schon bei der Entscheidungsfindung mit transparenten, nachvollziehbaren Kriterien. Sie verwenden Geld und Manpower auf die optimierung der Prozesse, setzen auf Teamwork und Kommunikation, bilden Innovationsteams aus Mitgliedern unterschiedlicher Abteilungen.

Viele Unternehmen sind älter als 100

Zusammenfassend kann man sagen, dass aus Sicht der Boston Consulting Group vor allem dieser letzte Punkt, also die Institutionalisierung von Innovationsprozessen, zum Erfolg führt. Denn Ideen seien zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung für ein erfolgreiches Business. Wer ideenreich sei, aber nicht innovativ im Sinne der Umsetzung, gehe oft unter. Als Beispiel nennt BCG Atari oder Kodak.

Mehr als die Hälfte der Top-Innovatoren auf der BCG-Liste sind mehr als 50 Jahre alt, ein Dutzend von ihnen gibt es sogar schon seit dem 19. Jahrhundert. Nach Ansicht der Autoren verdanken sie ihr langes Leben in erster Linie ihrer Fähigkeit, Innovationen systematisch zu planen. Diese Erkenntnis sollten sich auch andere Unternehmen zu Herzen nehmen.

Die Forbes-Liste sieht völlig anders aus

So interessant die Lehren aus der Studie sind: Die Zusammensetzung der Liste wirft eine Reihe von Fragen auf. Warum zum Beispiel ist Apple durchgängig die Nummer eins, obwohl zuletzt immer wieder dessen nachlassende Innovationskraft kritisiert wurde? Warum ist Microsoft ebenfalls konstant hoch platziert, obwohl das Unternehmen in den zurückliegenden Jahren gleich reihenweise Trends verschlafen hat?

Biotechnologie- und Medizintechnik-Unternehmen sind auf der Forbes-Liste häufig vertreten.
Foto: Bayer AG

Aufschlussreich ist ein Vergleich mit der Forbes-Liste, die im August veröffentlicht wurde. Apple rangiert dort in punkto Innovationskraft auf Platz 79 (!). Samsung, die Nummer zwei der Boston Consulting Group, ist bei Forbes gar nicht vertreten und Google, BCGs Nummer drei, steht in der Forbes-Tabelle auf Platz 47. Autohersteller fehlen vollständig ...

Woher die Unterschiede kommen? Es liegt an der Methodik: BCG-Befragungen geben der Popularität eines Unternehmen große Bedeutung. So ist es vielleicht auch zu erklären, dass sich die Liste zu fast 100 Prozent aus Firmen zusammensetzt, die jeder Gelegenheits-Zeitungsleser kennt, "Hidden Champions" fehlen. Im Gegensatz zu BCG hat sich Forbes bei der Zusammenstellung seines Rankings nicht so sehr von Images und Ansichten leiten lassen, sondern von jenen Kriterien, die für Investoren bei der Auswahl besonders innovativer Firmen entscheidend sind.

Die laut Forbes Top Ten der weltweit innovativsten Unternehmen sind: